Man stelle sich die Zeit Mozarts vor. Menschen aus nahe beieinanderliegenden verschneiten Dörfern machen sich zur Weihnachtszeit samt Tieren und Musikinstrumenten auf den Weg zum Jesuskind, um ihm mit ihrer Musik zu huldigen. Diese muss einfach und eingängig gehalten werden, damit das Vorhaben auch gelingt. Jakub Jan Ryba lässt es nicht bei der Einfachheit, sondern formt daraus ein großes, kunstvolles Werk. So könnte die Böhmische Hirtenmesse entstanden sein, die nach Erzählungen von Musikern in der Advents- und Weihnachtszeit in Böhmen in jeder Kirche aufgeführt wird.
Der Tatsache, dass die Stadt Zludice – zu deutsch Luditz – eine Partnerschaft mit Warmensteinach unterhält, verdankt die Pfarrei Brand die Aufführung der Hirtenmesse von Jakub Jan Ryba im Rahmen eines Vorabendgottesdienstes. Der Bürgermeister von Luditz macht der Fichtelgebirgsgemeinde alle Jahre mit der Aufführung dieser Messe ein Weihnachtsgeschenk und organisiert die Fahrt nach Warmensteinach. Die Steinwald-Allianz war auf der Suche nach einem zweiten Aufführungsort vermittelnd tätig und dachte an Max Regers Geburtsort, wo Pater Joy die Zusage erteilte.
Das Werk lässt sich auf Grund seiner sieben Abschnitte gut in eine Messe integrieren, ist jedoch in der Tradition des Pastoralspieles entstanden, in dem die Engel die Schäfer mit der Verkündigung von der Geburt Jesu wecken. Die Schäfer begeben sich mit allem Hab und Gut, mit Tieren und Musikinstrumenten nach Bethlehem, um das Jesuskind zu grüßen und es zu beschenken. Die Musik ist innig, fröhlich und liebenswürdig, sie bewegt die Herzen und Seelen der Zuhörer aber auch der Interpreten, die mit Begeisterung und Leidenschaft musizieren. Junge Leute vor allem gehören dem Ensemble an. Es sind zum Großteil Schüler der eigenen Musikschule des Dirigenten, Milos Bok, die er in Karlsbad betreibt. Aber auch ältere Sänger und auch Kinder gehören zu dem 30-köpfigen Chor an, der sich auf der Empore in Brand jedes winzige Plätzchen braucht, um sich um das Orchester scharen zu können.
„Meister schau! Steh schnell auf! Sieh nur, welche Pracht leuchtet in der Nacht, wie das Firmament plötzlich glühend brennt“, lautet der Beginn des Eingangsliedes in der deutschen Übersetzung. Fröhlich, hell, hüpfend die Begleitung dazu, aus romantisch-naiven Themen bestehend, winterlich Motive, die mehr an Leopold Mozarts Werke für Kinder und Jugendliche erinnern als an jene seines Sohnes Wolfgang Amadeus. „Schön müsse es klingen, wenn die Musiker des Dorfes ihrem Jesuskind Musik als Geschenk bringen, hat Jakub Jan Ryba einmal gesagt. Und das tut es!
In kurzen Melodienfolgen, einfach und lebendig, wird das thematische Material aufbereitet und vorgestellt, wiederholt in verschiedenen Tonlagen mit verschiedenen Instrumenten. An weihnachtlichen Glockenklang wird erinnert und natürlich sind Dialoge Hauptteile eines Singspiels. Wie sonst sollte der aufgeweckte, noch etwas mürrisch und unausgeschlafene Meister musikalisch anders dargestellt werden als durch eine sonorige Bassstimme. Schon die tiefe Lage verrät wenig Begeisterung, nachdem sein Schlaf durch einen ungeduldigen Weckruf eines jungen Schäfers unterbrochen wurde. Ein heller, freundlicher Tenor, absolut klar auch im oberen Bereich, lässt die freudige Erwartung des jugendlichen Hirten deutlich erkennen. Die Aufführung der frohen, heiteren, schnellen und schwungvollen Melodien der Böhmischen Hirtenmesse und die klangliche Vielfalt bereiten offensichtlich allen Beteiligten, den Solisten, den Sängern und Musikern und auch dem Leiter große Freude. Milos Bros bringt diese in schwungvoller und lebendiger Bewegung des Taktstocks zum Ausdruck. Streicher, Bläser oder andere Instrumentalisten lassen Spielfreude in jedem Ton erkennen und Chor und Gesangs-Solisten präsentieren sich optimal eingestellt. Sie singen engagiert und leidenschaftlich - viele ohne Noten - und lassen sich gerne vom Dirigenten mitreißen und fordern. Auch zweistimmige Passagen für Männer- oder Frauenstimmen allein überzeugen. Paukenschläge- und wirbel setzen in dem Geschehen immer wieder markante Punkte, gezupfte Stellen der Violinen erhalten den lebendigen Fortgang des Geschehens musikalisch-fröhlich. Es ist eine frohe Botschaft, die die tschechischen Musiker überbringen und das Publikum ebenso froh und fröhlich stimmen. Am Ende bleibt ein Wermutstropfen: Der Wunsch nach deutschsprachiger Umsetzung. Eine deutsche Fassung existiert zwar, doch ist die Aufführung durch ein tschechisches Ensemble natürlich nicht möglich. Sie hätte jedoch die Einheit von Text und Musik und damit die Absicht des Komponisten sehr deutlich gezeigt. Nach einer herzlichen Begrüßung am Beginn des Gottesdienstes zeigte sich Pater Joy am Ende überaus begeistert von der musikalischen Umrahmung und bat um kräftigen Applaus. Er hatte auch die Lösung parat: „Auch wenn wir den Text nicht verstanden haben, war es wunderschön. Musik an sich ist ja eine Sprache, die jeder versteht.“
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