Nachbar provoziert mit Schweinskopf an Stodlwand Asylbewerber

Drahthammer bei Trabitz
01.09.2023 - 15:01 Uhr
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Weil sich ein Nachbar durch die Flüchtlingsunterkunft im Ortsteil Drahthammer in seiner Ruhe gestört fühlt, hat er einen beleuchteten Schweinskopf an die Rückwand seines Holzschuppens gehängt. Die Kinder haben Angst, sagen die Geflüchteten.

"Das Schwein passt auf!", heißt es auf dem laminierten roten Zettel, der unter dem Giebel an einem Holzschuppen im Ortsteil Drahthammer angebracht ist – direkt gegenüber der Flüchtlingsunterkunft. In dem kleinen Örtchen Trabitz mit etwa 1300 Einwohnern hat sich hinter vorgehaltener Hand inzwischen herumgesprochen, dass hier seit ein paar Tagen etwas hängt. Etwas Seltsames. Ein Plastik-Schweinskopf. Die Botschaft des Nachbarn an die Asylbewerber: "Ab 22 Uhr Nachtruhe", wie auf Arabisch, Englisch und Deutsch nachzulesen ist.

Allein der Anblick: Die krausen Haare der schwarzen Perücke wehen im Wind. Ein weißes Kabel führt hinter dem Objekt an der Hauswand empor. Ein Plastik-Schweinskopf, der nachts leuchtet. Ein weiteres Gerücht machte die Runde: Womöglich ist das eine versteckte Video-Überwachung? Diesem Hinweis seien die Polizeibeamten aus Eschenbach nachgegangen. Fehlanzeige.

Hinweis aus der Nachbarschaft

Die Polizei stattete dem Nachbarn mehrmals Besuche ab. Doch noch immer hängt der Schweinskopf an der Wand. "Was es doch für widerliche Menschen in unserem schönen Bayern gibt. So heißt ein Bürger die gerade angekommen Flüchtlinge aus Syrien willkommen", schreibt ein Bewohner aus Trabitz an Oberpfalz-Medien und ergänzt: "Hoffentlich reagiert der Staat bald mal. Die Kinder dort haben schon Angst und können kaum schlafen." Das beklemmende Gefühl bestätigt ein Rundgang vor Ort. Eine Flüchtlingsfamilie mit zwei Kindern kommt aus dem Haus auf die Straße. Die Übersetzung am Handy teilt auf Englisch mit, dass die Kinder "Angst vor der beleuchteten Puppe" haben.

"Eine Provokation" sei das, erzählt jemand aus dem Asylhelferkreis, der lieber anonym bleiben möchte. Und wieder fällt dieser Satz: "Die Kinder haben Angst." Ausgerechnet Muslimen habe man diesen Schweinskopf direkt vor die Nase hinhängen müssen. Schweinefleisch wird im Koran als unrein bezeichnet, gläubige Muslime essen kein Schwein.

Alles nur ein "kleiner Spaß"?

Oberpfalz-Medien erkundigt sich bei dem Nachbarn. Seine Antwort: "Ich weiß natürlich, dass das zu 90 Prozent Araber sind. Die wollte ich gezielt provozieren. Ich weiß ja, die haben ein Problem mit Schweindln." Hintergrund ist Folgender: Dem Nachbarn gehe es um "Ruhestörung am laufenden Band". Die Asylbewerber stünden schon mal plötzlich auf seinem Grundstück, erzählt er. Der Mann habe alles Mögliche versucht, dass sich die Lage bessere. Er habe unter anderem die Bürgermeisterin und die Regierung der Oberpfalz angeschrieben, er sei mit Dolmetschern angerückt – alles ohne Erfolg: "Das interessiert die einen Dreck." Da habe er sich halt den "kleinen Spaß" erlaubt. Das Schwein sei eine Faschingsmaske. "Da habe ich ein Lichtl reingemacht", sagt er. Pünktlich zur Nachtruhe ab 22 Uhr leuchten die Schweineaugen. Sein Vorwurf: Teilweise hätten die Asylbewerber "bis 23 Uhr rumgeturnt". Derweil brauche der Mann und seine Familie ihren Schlaf.

Kriminalhauptkommissar Christian Männer von der Polizeiinspektion Eschenbach teilt mit: "Der Betroffene beschwert sich im Kern über andauernde Ruhestörungen durch die Bewohner aus der Nachbarschaft." Nach bisheriger rechtlicher Prüfung liege allerdings "kein Straftatbestand" vor. Männer weiter: "Eine abschließende rechtliche Würdigung erfolgt jedoch erst noch durch die Staatsanwaltschaft." Eine Anzeige sei bisher nicht eingegangen, auch keine anderen Beschwerden aus der Nachbarschaft.

Gespräche vorab mit Anliegern

"Der Betrieb läuft reibungs- und problemlos, unsere Kolleginnen und Kollegen sind regelmäßig vor Ort. Etwaige Beschwerden über Ruhestörungen waren bzw. sind uns nicht bekannt", teilt Kathrin Kammermeier, Pressesprecherin der Regierung der Oberpfalz in Regensburg, auf Anfrage von Oberpfalz-Medien mit. Mit den Anliegern habe es im Vorfeld Gespräche gegeben. Das Bild vor Ort: "positiv".

Die Nachbarschaft habe die Geflüchteten "grundsätzlich sehr gut aufgenommen", heißt es seitens der Regierung. Eine Frau, die dort spazieren geht, bestätigt diesen Eindruck: Die Familien seien sehr nett. Das sagt auch der Herr, der sich an Oberpfalz-Medien gewandt hatte. Aber ein Nachbar sieht das offenbar anders. Sicher nicht "positiv", wie von der Regierungssprecherin beschrieben.

Fußballtraining für die Kinder

Sie teilt mit, dass die Kinder mit zum Fußballtraining genommen und von Helfern unterstützt werden. Was sie nicht mitteilt: Dass die Kinder möglicherweise Angst haben könnten – wegen dieses Schweinskopfes. Weil die Kinder vielleicht nicht verstehen könnten, warum der da hängt. Kammermeier betont: "Selbstverständlich können sich alle Nachbarn an uns wenden, wenn ein Problem vorliegt und Gesprächsbedarf besteht. Sie müssen darauf nicht mit unter anderem selbstgebastelten Schweinen aufmerksam machen."

Die Bürgermeisterin von Trabitz, Carmen Pepiuk, wurde über das "angebrachte Objekt" durch einen "Hinweis aus der Nachbarschaft" informiert. "Dass die Kinder vor Ort davor Angst hätten, ist mir nicht bekannt", sagt Pepiuk und ergänzt: "Im Übrigen ist dieses Objekt auf Privatgrund angebracht. Bitte wenden Sie sich bei Fragen direkt an den Grundstückseigentümer." Die Geflüchteten seien sehr gut in Trabitz aufgenommen worden. Sie sei dankbar für die Unterstützung der Bürger und seitens der SpVgg Trabitz.

Befürchtungen in Sitzung

Ein Rückblick: Es war kurz vor Weihnachten im vergangenen Jahr, als Pepiuk die Nachricht erreicht hatte, dass in einer von der Regierung der Oberpfalz angemieteten Immobilie bis zu 60 Flüchtlinge untergebracht werden sollen. In einer damaligen Sitzung des Trabitzer Gemeinderats wandte sie sich gegen "kursierende Befürchtungen", wie Oberpfalz-Medien berichtete. Die Sorge: Könnten in dem kleinen Örtchen Drahthammer bald etwa doppelt so viele Flüchtlinge wie langjährige Einwohner leben? So weit ist es noch nicht gekommen.

Die Hoffnung des Schweinskopf-Bastlers: Zu seinem Grundstück hin soll ein Zaun errichtet werden. "Das ist mein Grundstück, mein Gebäude, da kann ich hinhängen, was ich will", sagt der Mann. Die Polizei habe ihm angeboten, sich für den Zaun einzusetzen – falls der Schweinskopf verschwindet. Der Nachbar hat diese Forderung "umgedreht": Erst wenn sich die Lage bessere, dann verschwinde der Schweinskopf.

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Hintergrund:

Wer wohnt in der Gemeinschaftsunterkunft?

  • Start: Die Gemeinschaftsunterkunft in Drahthammer ist seit Mitte Juli dieses Jahres in Betrieb.
  • Belegung: Aktuell wohnen dort 36 Menschen.
  • Geschlecht: Davon zwölf Männer aus Syrien/Irak sowie sechs Familien, darunter zwei schwangere Frauen.
  • Quelle: Pressestelle Regierung der Oberpfalz (Stand 31.08.23)
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