Die Kriegsschauplätze des Ersten Weltkriegs waren vom beschaulichen Erbendorf zwar weit weg, doch brachte der Krieg auch hier viel Leid und Unglück in die Familien. Bei Kriegsausbruch am 1. August 1914 und danach wurden Reservisten und Wehrpflichtige noch mit wehenden Fahnen und unter Jubelrufen am Nordbahnhof verabschiedet, aber schon wenige Wochen später kamen die ersten Nachrichten von gefallenen oder vermissten Vätern, Söhnen und Brüder.
Für die Angehörigen und Hinterbliebenen begann eine Zeit, nicht nur über den Tod hinweg, sondern auch finanziell, über die Runden zu kommen. Zwar war für sie, vor allem für Witwen, eine gesetzliche Versorgung gesichert, diese fiel aber eher spärlich aus. Die Hinterbliebenen durch Sammlungen zu unterstützen, dafür setzte sich schon in den ersten Kriegsmonaten im ganzen deutschen Kaiserreich die "Nationalstiftung für die Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen" in Berlin ein. Auch andere Organisationen nahmen sich derer an.
Erlass im September 1915
Aus Österreich-Ungarn kam der Gedanke auf, in Stadt und Land Wahrzeichen zu schaffen, in denen gegen eine Spende jeder einen Nagel einschlagen konnte. Das Königliche Staatsministerium des Innern griff diese Idee auf und richtete am 1. September 1915 einen Erlass an die Regierungen, die Bezirksämter und Gemeindebehörden. Darin wurde der Weg aufgezeigt, wie in den sogenannten "Nagelung der Kriegswahrzeichen" der Sammel- und Fürsorgezweck mit "volkstümlich guter Kunst" vereinigt werden kann.
Ziel der Entscheidung war vor allem die Unterstützung von Witwen der im Krieg Gefallenen, "um aufrecht durch das Leben gehen und ihren Kindern eine Erziehung, würdig des gefallenen Vaters, gewähren zu können". Das Staatsministerium hielt es der Zeit angemessen, "dass Gemeinden und Orte weit durch das ganze Land an Kirchen und Kapellen oder fernhin sichtbar im freien Felde ein hölzernes Kreuz als Zeichen bitteren Sterbens, aber auch treuer Liebe und froher Hoffnung aufrichten und jeder, der daran teilhaben will, seinen Nagel einschlägt". In der Entschließung wurde darauf hingewiesen, "einen angemessenen Teil des Ertrages der Landesfürsorge für die Hinterbliebenen zuzuwenden".
In Erbendorf stieß dieses Ansinnen nicht auf taube Ohren. Der Christliche Mütterverein, Vorläufer des noch heute bestehenden Katholischen Frauen- und Müttervereins, stiftete ein Kriegswahrzeichen in Form eines gut zwei Meter hohen Leuchters. Sein Corpus besteht aus Holz, auf der zentral in einer Messingplatte der Stifter eingraviert ist. Eiserne Beschläge zieren die Krone mit dem Kerzenhalter.
Der Christliche Mütterverein ließ in einem festlichen Akt am 8. Dezember 1915 dieses Kriegswahrzeichen im Herrmannsaale in der Pfarrgasse benageln. Mit dabei war auch der katholische Stadtpfarrer Franz Xaver Fleischmann, der zugleich auch Präses des Christlichen Müttervereins war. "In einer patriotischen Ansprache", wie der Chronist Joseph Höser schreibt, beleuchtete er den Zweck des Kriegswahrzeichens und forderte die anwesenden Vereinsmitglieder und Gäste zur Benagelung auf.
Versilbert und aus Eisen
Stadtpfarrer Fleischmann legte auch ein Namensverzeichnis aller Nagler an, in welches die geopferten Geldbeträge eingeschrieben wurden. Im Festsaal folgte Hammerschlag auf Hammerschlag, so dass die 50 versilberten Nägel bald vergriffen waren. Zur Verfügung standen auch eiserne Nägel, die in zwei Sorten zu haben waren. Kinder konnten mit erhabener, Erwachsene jene mit glatter Kappe nageln. Ein versilberter Nagel kostete 50 Pfennig, die eisernen das Stück 30 Pfennig.
Da das Kriegswahrzeichen noch viel Platz für Nägel bot, war der "Kriegsleuchter", wie er auch bezeichnet wurde, bei allen gesellschaftlichen Unterhaltungen der katholischen Vereine mit dabei. "Wenn einmal die europäische Kriegsfackel wieder verlodert ist, dann wird man auch in der Stadtpfarrkiche zu Erbendorf den auf der Walstatt gefallenen Helden der Pfarrei ein ehrendes Denkmal errichten. Dort an Kriegsgedenktagen zu brennen, ist die Bestimmung", berichtet der Chronist Joseph Höser.
Nach der Erweiterung der katholischen Pfarrkirche 1923 erhielten die gefallenen und vermissten Katholiken tatsächlich ein Denkmal in der Pfarrkirche, in einer Seitennische unter der Empore. Das benagelte Kriegswahrzeichen aber verschwand und rettete sich über die vergangenen fast 100 Jahre im Kirchturm. Erst bei der Turmrenovierung vor wenigen Jahren wurde es wiederentdeckt und restauriert. Heute steht es im Eingangsbereich des Erbendorfer Heimat- und Bergbaumuseums.
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