Erbendorf
04.11.2022 - 11:49 Uhr

Neues Museum in Erbendorf: Nur noch wenige Wochen bis zur Fertigstellung

Aus der „Alten Schmiede“ in der Erbendorfer Bräugasse wird das Museum „Flucht-Vertreibung-Ankommen“. Derzeit wird fleißig an der Museumseinrichtung gearbeitet. Denn im Dezember dieses Jahres soll es fertiggestellt sein.

Jahrelang stand das nach dem Stadtbrand von 1832 errichtete Haus in der Erbendorfer Bräugasse 18 leer. Früher betrieb dort Hans Banrucker, besser bekannt unter dem Namen „Noglschmied“, eine Schmiedewerkstatt. Bis zur Corona-Pandemie wurde die urige Werkstatt gelegentlich für Vereinsveranstaltungen genutzt. Nicht zuletzt deswegen bürgerte sich in den vergangenen Jahren dabei die Bezeichnung „Alte Schmiede“ ein.

Im Programm "Förderoffensive Nordostbayern" konnte die Stadt Erbendorf den Gebäudebestand sanieren und renovieren. Diese konnte Anfang des Jahres nach gut dreijähriger Bauzeit abgeschlossen werden.

90-Prozent-Förderung

Bei einem Ortstermin mit den Mitgliedern des Bauausschusses machte Bürgermeister Johannes Reger deutlich, dass die Kosten für die Baumaßnahme unter der Kostenschätzung liegen. „Das ist mehr als eine Punktlandung, auch deswegen, weil diese Maßnahme mit 90 Prozent gefördert wird“, informierte Reger. Zukünftig werde hier das Museum „Flucht-Vertreibung-Ankommen“ seinen Platz finden.

Wie der Bürgermeister ausführte, seien die Arbeiten für die Museumseinrichtung und -gestaltung derzeit in Arbeit. Das Obergeschoss wird die Dauerausstellung aufnehmen, unter dem Dach werden die Büroräume und das Depot Platz finden. „Für das Erdgeschoss wurde bereits die Ausstattung der Räume für die museumspädagogischen Aktivitäten geplant“, erklärte Reger.

Gefördert wird das Projekt aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), Ziel ETZ Freistaat Bayern – Tschechische Republik 2014-2020 mit 85 Prozent bei Gesamtkosten von rund 640 000 Euro. Das Erbendorfer Museum wird laut Reger in Zusammenarbeit mit der tschechischen Stadt Plesna errichtet, die ihrerseits ebenfalls ein Museum umsetzt.

Eröffnung noch unklar

„Inhaltlich wird das Museumsthema eine interessante Geschichte“, sagte der Bürgermeister. „Die Museumsbesucher werden nach der Inbetriebnahme überrascht sein.“ Wann das Museum „Flucht-Vertreibung-Ankommen“ allerdings eröffnet wird, ist nach den Worten Regers noch nicht sicher. „Das hängt sehr mit der Entwicklung der Energiekrise zusammen.“ Ursprünglich war die Eröffnung des Museums für 2021 vorgesehen gewesen.

Erst im September hatten sich die Gremien der beiden Städte in Erbendorf getroffen und über den aktuellen Stand der beiden Museen berichtet. Plesnas Bürgermeister Petr Schaller schilderte damals die aktuelle Situation in seinem Ort: Die ehemalige Tosco-Fabrik sei teilabgebrochen und generalsaniert worden. "Wir sind gerade dabei, ein interaktives Museum zum Projektthema einzurichten", hatte Schaller bei dem Treffen im September informiert. Bis November sollten die Arbeiten abgeschlossen sein. Die Kosten hatte der Plesnaer Rathauschef für die Baumaßnahme selbst und den Aufbau des Museums auf rund 2,3 Millionen Euro beziffert, die zu 75 Prozent über die EU gefördert werden.

Museumsinhalte

Das Museum greift die Thematik Flucht-Vertreibung-Ankommen mit der Zu- und Abwanderung in der nördlichen Oberpfalz im 19. Jahrhundert auf und spannt den Bogen über das Zusammenleben und das spätere Gegeneinander des 20. Jahrhunderts, die Phase der Vertreibung während und nach dem Zweiten Weltkrieg bis hin zu freiwilligen und erzwungenen Migrationen in jüngerer und jüngster Zeit.

An einigen Stellen im ersten Obergeschoss ist das bloße Mauerwerk zu erkennen. Für die Inszenierung des Bereichs, der sich mit den Schicksalen von Menschen fern ihrer Heimat beschäftigt, werden Räumlichkeiten nachgestellt, wie sie die Bevölkerung nach dem Krieg oftmals vorfand. Von diesen schwierigen Wohnsituationen zeugen Dokumente im Erbendorfer Stadtarchiv, die auch im Museum ihren Platz finden werden.

Ein besonderes Stück für den Bereich der „Erinnerung an die alte Heimat“ ist die lederne Aktentasche eines Vertriebenen aus dem Ort Gfell, dem heutigen Kfely in der Nähe von Karlsbad. Zusammen mit Dokumenten und Bildern nahm jener auch die Tasche mit, als er mit seiner Familie seinen Heimatort verlassen musste. Größere Exponate sind ein Klavier und ein Büroschreibtisch, die bis 1939 einer jüdischen Erbendorfer Familie gehörten.

Was das Museum aber auch zukünftig ausmachen wird, sind vor allem die kleinen Exponate, wie ein Kästchen aus Stroh, das ein Kriegsgefangener in der Oberpfalz mit Fingerfertigkeit hergestellt hat. Unter anderem sind Zeitzeugenvideos zu sehen, in denen das Leben in der alten Heimat, die Flucht- und Vertreibung sowie das Ankommen in der neuen Heimat erzählt werden. Auch die jüngsten Geschehnisse wie der Ukraine-Krieg wurden bereits mit Zeitzeugen vor der Kamera eingefangen.

Info:

Die "Alte Schmiede"

  • seit 1745 ist ein Schmied auf dem Anwesen Bräugasse 18 nachgewiesen
  • Anwesen wird nach dem letzten Erbendorfer Stadtbrand 1832 neu errichtet
  • Schmiedekunst ist mit dem Namen Herold verbunden, letzter Nagelschmied mit diesem Namen ist Simon Herold, Übergabe des Handwerks 1914 an Schwiegersohn Ferdinand Banrucker, Sohn Hans Banrucker, gelernter Huf- und Wagenschmied, betreibt die Schmiede noch bis zu seinem Tod 1989
  • für Schmiedewerkstatt bürgert sich schon früh der Name „Noglschmied“ ein
  • Stadt erwirbt Anwesen zu Beginn des 21. Jahrhundert, längerer Leerstand
  • Gebäude bekommt mit dem Museum "Flucht-Vertreibung-Ankommen" neue Bestimmung
 
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