Eschenbach
23.12.2018 - 11:54 Uhr

Mehr als "Stille Nacht" zu Weihnachten

"Weihnachten ist oft ein lautes Fest", beklagt Papst Franziskus. "Es tut uns aber gut, ein wenig still zu werden, um die Stimme der Liebe zu hören." Und den Sängern zu lauschen, die sich seit Wochen auf diese Tage vorbereiten.

Chorleiterin Riita Michelson sorgt mit der Liedertafel Eschenbach bei der Auswahl des Weihnachtsliedgutes für Abwechslung. Der Männerchor singt am zweiten Weihnachtsfeiertag in der Stadtpfarrkirche und im BRK-Seniorenheim. Bild: do
Chorleiterin Riita Michelson sorgt mit der Liedertafel Eschenbach bei der Auswahl des Weihnachtsliedgutes für Abwechslung. Der Männerchor singt am zweiten Weihnachtsfeiertag in der Stadtpfarrkirche und im BRK-Seniorenheim.

Besonders in der Weihnachtszeit, wenn Chöre in Oratorien und an Kantatenabenden nach langem Einstudieren ihre adventlichen Lieder und Chorsätze vorstellen, zeigt sich die Vielfalt des weihnachtlichen Liedgutes. Als wohl bekanntestes Weihnachtslied gilt „Stille Nacht“. Doch auch weniger berühmte Lieder oder gar Unbekanntes aus fernen musikalischen Welten können zur Weihnachtszeit die Herzen erfreuen.

Schon immer hat der weitgespannte weihnachtliche Festkreis zu neuen Liedern angeregt. In ihrer Schlichtheit erzählen sie von der Herbergssuche und besingen die Geburt Christi als Geheimnis der Weihnacht. Schließlich beschäftigen sich auch unzählige Texte mit den Hirten auf dem Felde und den Engeln, die ihnen erschienen. Zu den berührendsten Beispielen gehören die unzähligen Wiegenlieder und die nahezu unerschöpflichen weihnachtlichen Volkslieder, deren Ursprünglichkeit sich besonders im alpenländischen Liedgut widerspiegelt.

Dieses Kulturgut wieder in Erinnerung zu rufen und wiederzubeleben, davon berichten Chorleiter und Sänger, Organisten, Pfarrer und Kirchgänger. Still, leise und mit einer nachdenklichen Hinführung auf das Weihnachtsfest mit einfühlsamer Textausdeutung erklingen wiederentdeckte alte Adventsweisen. Entstanden in tiefer Volksfrömmigkeit erinnern sie in ihrer Unbekümmertheit an eine Welt, in der immer wieder die Aussöhnung des Himmels mit der Erde geschieht.

Breiteres Repertoire

Diese etwas andere, nachdenkliche Weihnachtsbotschaft wünscht sich auch Günther Hösl. Als Chorleiter des Pressather Kirchenchores und Organist schätzt er zwar das "Stille Nacht". „Das Lied hat was und ist immer noch der Schluss- und Höhepunkt einer jeden Christmette“. Und: „ wenn das Volk in der Heiligen Nacht singt, ist das einfach erhebend“. Das Weihnachtslieder-Repertoire des Chorleiters und Musikers ist allerdings viel weiter gespannt. Das beweist er mit seinem regelmäßigen Singen und Musizieren im Pressather Seniorenheim. Seit 45 Jahren sorgt der ehemalige Förderschulrektor einmal wöchentlich mit seiner Quetschn für gute Stimmung. Die Generalprobe vor der Heilig-Abend-Messe in der Hauskapelle klang schon verheißungsvoll und stand ganz unter dem Motto „Mit den Hirten lasst uns eilen, beugen Herz und Knie. Denn das Wunder dieser Nacht, hat auch uns das Licht gebracht“. Auch der Wunsch der langjährigen Heimleiterin Martha Ermer ging in Erfüllung. Nach dem erhebenden „Stille Nacht“, ihrem Lieblingslied, erklang „Es ist ein Ros entsprungen“.

Lieblingslieder im Kloster

Freude an weniger bekannten Weihnachtsliedern äußert auch Pfarrer Adrian Kugler. Der Chorherr der Prämonstratenser-Abtei Speinshart schätzt besonders Text und Melodie von „Nun freut euch ihr Christen, singet Jubellieder“. Der Satz ist in der lateinischen Fassung als „Adeste fideles“ bekannt. Sein Mitbruder Pater Andreas Hamberger lässt sich vom „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ begeistern. Hochstimmung herrscht derzeit in der Speinsharter Kindertagesstätte. In froher Erwartung des Christkindes ist das Kinderlied „Meine kleine Kerze ist heute aufgewacht“, der Hit der Adventszeit, verrät Kita-Leiterin Waltraud Wagner.

Abwechslung belebt, sagt Riita Michelson. Die ausgebildete Chorleiterin und Dirigentin der Liedertafel Eschenbach probt deshalb mit ihren Sängern eher unbekanntes weihnachtliches Liedgut aus dem Fränkischen, aus Schlesien und Böhmen. Auch ein Satz von Richard Waldmann des französischen Weihnachtsliedes „Engel auf den Feldern singen“ ist dabei. Das altbekannte „Stille Nacht“ überlasse der Chor bei zwei Gottesdienst-Gestaltungen zu Weihnachten dem Volk. Auch in ihrer Heimat sei das Stille-Nacht-Lied sehr beliebt, erzählt die Chorleiterin. Auf Estnisch heiße es „PÜHA ÖÖ“. Im Unterschied zu Deutschland liege in der estnischen Heimat der Schwerpunkt des weihnachtlichen Singens im großen Familienkreis. Besonders die Kinderlieder seien hoch im Kurs.

"Wunderbar romantisch"

Als leidenschaftlicher Sänger erweist sich Paul Ezenwa. Der Eschenbacher Pfarrvikar ist ständiger Gast bei der Liedertafel. Die Weihnachtslieder, die der Männerchor derzeit einübt, sind ihm zwar fremd. „Aber sie klingen wunderbar romantisch“, findet der Geistliche. In seiner Heimat im Südosten Nigerias gehe es in der „heiligen Zeit“ schon temperamentvoller zu. Sprachlich bedingt seien zwar Christmas-Lieder wie auch das „Stille Nacht“ in Englisch allgegenwärtig. Doch besonders beliebt seien Traditionals. Der Pfarrvikar träumt zudem von einem leidenschaftlichen Song, der in seinem Volk der Igbo weit verbreitet ist: „Amura Nuoa Ohuru Jesu Kristi" (Ein neues Kind ist geboren – Jesus Christus).

Jugend singt Modernes

Seit zehn Jahren gibt es den Jugendchor Sin Falta in Grafenwöhr. Eine Gemeinschaft mit 37 Mitgliedern, davon 29 begeisterte Mädchen. Mitgestaltung von Hochzeiten, Jubiläen, Konzerten und auch die Umrahmung von Weihnachtsfeiern ist ihr Metier. „Mit dem historischen Weihnachtsliedgut hat der Chor eher nichts im Sinn, schon gar nicht mit dem Stille Nacht“, sagt die neue Chorleiterin Veronika Bräutigam. Die Chormitglieder lieben eher moderne Stücke. Dazu zählt Veronika Bräutigam englische Weihnachtshits wie zum Beispiel „Mistletoe and Wine“. Auch in Cliff Richards Songtext ist das Kind der König und die Weihnachtszeit bedeutet Zeit für Leben, Zeit für Glauben, Zeit für Vertrauen und keine Zeit fürs Betrügen. Die Geschichte vom Magier aus dem Morgenland verarbeitet der Chor zum Beispiel im deutschen Kinderlied „Wir haben seinen Stern gesehen“. Zu genießen sind die etwas anderen Songs von Sin Falta am zweiten Weihnachtsfeiertag im Jugendgottesdienst in der Friedenskirche.

200 Jahre "Stille Nacht":

Vor 200 Jahren wurde erstmals „Stille Nacht, Heilige Nacht“ gesungen. Eines der berühmtesten Weihnachtslieder der Welt war geboren. Es stammt nicht von einem großen Komponisten, sondern von einem Hilfspfarrer und einem damals noch unbekannten Organisten. Am Heiligen Abend vor 200 Jahren führten sie das Lied zum ersten Mal auf. Vor der Oberndorfer St. Nikola-Kapelle an der Salzach feierte am 24. Dezember 1818 ein Lied Premiere, das zum Welthit wurde. Heute zählt das Lied zum Unesco-Kulturerbe und wird von geschätzt 2 Milliarden Menschen in mehr als 30 Sprachen und Dialekten gesungen. „Stille Nacht“ löst als Lied des Friedens mit seiner Leuchtkraft noch heute, 200 Jahre nach dem ersten Erklingen, bemerkenswerte Emotionen aus. Es ist die Macht der Gefühlskräfte, die trotz der inzwischen massiv gewachsenen Oberflächlichkeit weiter vorhanden ist. Ein Weihnachten ohne die Innigkeit dieses Kirchenliedes möchten die meisten nicht missen. Weihnachtslieder – das ist dennoch viel mehr als eben "Stille Nacht", "O du fröhliche", "O Tannenbaum" oder "Leise rieselt der Schnee".

Pfarrvikar Paul Ezenwa träumt von den temperamentvollen Christmas-Songs seines Igbo-Volkes im Südosten Nigerias. Bild: do
Pfarrvikar Paul Ezenwa träumt von den temperamentvollen Christmas-Songs seines Igbo-Volkes im Südosten Nigerias.
Eifrig probten zirka 30 Seniorinnen und Senioren des Caritas-Altenheimes St. Josef in Pressath mit „Animateur“ Günther Hösl (links) die Wiegenlieder ein, die am Heiligen Abend in der Hauskapelle gesungen werden. Bild: do
Eifrig probten zirka 30 Seniorinnen und Senioren des Caritas-Altenheimes St. Josef in Pressath mit „Animateur“ Günther Hösl (links) die Wiegenlieder ein, die am Heiligen Abend in der Hauskapelle gesungen werden.
Eifrig probten zirka 30 Seniorinnen und Senioren des Caritas-Altenheimes St. Josef in Pressath mit „Animateur“ Günther Hösl (links) die Wiegenlieder ein, die am Heiligen Abend in der Hauskapelle gesungen werden. Bild: do
Eifrig probten zirka 30 Seniorinnen und Senioren des Caritas-Altenheimes St. Josef in Pressath mit „Animateur“ Günther Hösl (links) die Wiegenlieder ein, die am Heiligen Abend in der Hauskapelle gesungen werden.
Eifrig probten zirka 30 Seniorinnen und Senioren des Caritas-Altenheimes St. Josef in Pressath mit „Animateur“ Günther Hösl (links) die Wiegenlieder ein, die am Heiligen Abend in der Hauskapelle gesungen werden. Bild: do
Eifrig probten zirka 30 Seniorinnen und Senioren des Caritas-Altenheimes St. Josef in Pressath mit „Animateur“ Günther Hösl (links) die Wiegenlieder ein, die am Heiligen Abend in der Hauskapelle gesungen werden.
 
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