Dass die Kirche vor Ort lebendig bleibe, ist zwar eine Gesamtaufgabe der Gläubigen. Gleichzeitig gehöre es aber zur Verantwortung eines Seelsorgers, die Menschen zu Jesus hinzuführen, sagt Victor Usman Jamahh. Der Pfarrvikar ist der Nachfolger von Vikar Paul Ezenwa, der im September in die Pfarreiengemeinschaft Pullenreuth/Neusorg wechselte. Dass es dann auch „funkt“, bleibe der große Wunsch jeden Priesters, sagt Vikar Victor. Mit Oberpfalz-Medien spricht er über seine Heimat Nigeria und seine neue Aufgabe in Eschenbach.
ONETZ: Verglichen mit Deutschland, welche Entwicklung nimmt die Kirche in Nigeria?
Vikar Victor: In Deutschland und Europa werden trotz Wohlstands die Kirchen immer leerer. In Nigeria ist das Volk arm und die Kirchen voll. Da ist es üblich, dass am Sonntag zu vier Gottesdiensten 6000 Gläubige kommen und 2000 Hostien verteilt werden. Der Besuch der Eucharistiefeiern liegt bei 90 Prozent. Anders als in Deutschland. Der Glaube verkriecht sich hier in die Kirchenmauern.
ONETZ: Welche Unterschiede gibt es in der Liturgie?
Vikar Victor: Die Gottesdienste sind in Nigeria viel weniger strukturiert. Lange Predigen, Musik und Tanz bestimmen die Messe und auch die Gabenbereitung ist viel persönlicher. Was fehlt ist das Orgelspiel.
ONETZ: Viele Kirchenbesucher haben Sie schon wegen der exzellenten Rhetorik und der fundierten Predigten in ihr Herz geschlossen. Was ist ihr Geheimnis?
Vikar Victor: Naja. Das Evangelium zu verkünden und Jesu Botschaft mit der realen Situation der Menschen im Alltag zu verbinden, macht mir Spaß. Damit verbunden ist allerdings eine lange Vorbereitung, die manchmal schon Tage vorher beginnt. Basis ist jeweils das Sonntagsevangelium oder die Wegweisungen aus der Lesung.
ONETZ: Haben Sie sich schon im neuen Zuhause im Dammbauernhaus eingelebt und wie sieht ihr Tagesablauf aus?
Vikar Victor: Eschenbach ist ein Wohlfühlort. Die Pfarrei macht es mir leicht. Nach dem Aufstehen gegen 6 Uhr und dem Morgenlob ruft der liturgische Dienst. Einige Stunden am Tag widme ich einem Buch, das ich derzeit zum Thema des österlichen Festkreises in Englisch schreibe. Auch das Kochen gehört zum Tagesablauf. Die nigerianische Spezialität „Fou-Fou“ gehört ebenso dazu wie Reis- und Hühnchen-Gerichte und Spaghetti.
ONETZ: Und wie stet es mit deutschen Spezialitäten?
Victor Usman Jamahh: Schweinebraten mit Knödel und Sauerkraut mag ich gern. Schon während des Studiums in Innsbruck waren wir heiß darauf, wenn es donnerstags immer gegrillte Rippchen gab. Aber auch Tiroler Gröstl sind nicht zu verachten.
ONETZ: Tag und Nacht Seelsorger zu sein, ist vermutlich einseitig. Was machen Sie in Ihrer Freizeit?
Vikar Victor: Ich bin ein musikalischer und sportlicher Mensch. In der Heimat war Fußball meine Leidenschaft. Ich spielte in Amateurclubs im rechten Mittelfeld. Seit meiner Kindheit bin ich ein Fan des englischen Hauptstadtvereins Chelsea FC. Seitdem ich im deutschsprachigen Raum wohne, ist der FC Bayern mein Lieblingsverein. Darüber hinaus jogge ich gerne durch die schöne Landschaft rund um Eschenbach, zum Beispiel am Obersee und Rußweiher oder auf dem Drei-Städte-Radweg. Vorstellbar ist auch ein Gastsänger-Debüt bei der Liedertafel. Die Proben finden ja direkt unter meiner Wohnung statt.
ONETZ: In Nigeria mit seinen rund 200 Millionen Einwohnern herrscht politische und wirtschaftliche Krise. Woran liegt das?
Vikar Victor: Nigeria ist ein komplexes Gebilde mit 250 Stämmen und 500 Sprachgruppen. Diese Vielfalt ist eine große Herausforderung. Sie zu managen und das mit drei großen sich rivalisierenden Volksstämmen ist die größte Aufgabe. Leider geben die politischen Verhältnisse wenig Hoffnung auf Besserung. Reich an Bodenschätzen und doch arm. Die politische Führung bringt das Land auch wegen der allgegenwärtigen Korruption nicht voran. Deshalb kehren viele Eliten dem Staat den Rücken. Ein großes Problem ist auch der noch weit verbreitete Analphabetismus. Ungebildete Massen lassen sich besser beherrschen.
ONETZ: Die Terrorismusorganisation Boko Haram ist immer wieder in den Medien. Haben Sie dazu Erfahrungen?
Vikar Victor: Die islamistischen Rebellen schikanieren die Bevölkerung, besonders im Nordosten des Landes an der Grenze zum Nachbarland Tschad. In unserem Stammesgebiet dominiert zwar der muslimische Glaube, doch die Beziehungen zwischen Moslems und Christen sind problemlos. Allerdings sind die Versuche von Politikern und Stammesführern, die Religionsgemeinschaften für ihre Interessen zu instrumentalisieren, verwerflich.
ONETZ: Wie könnte eine Entwicklungshilfe für Nigeria ausschauen?
Vikar Victor: Für das Volk ist das Schulwesen enorm wichtig. Eine bessere Bildung fördert auch die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Als Seelsorger und Professor liegt mir natürlich die Priesterausbildung am Herzen. Sie zu fördern, ist auch eine Investition in das Christentum des Landes und in das Land selbst.
Aufgewachsen ist Victor Usman Jamahh in der Nähe von Minna im Norden Nigerias als eines von sieben Kindern. Seine Muttersprache ist eine von 37 Stammessprachen. Selbstverständlich spricht er aber auch Englisch, das in Nigeria als Amtssprache gilt. Nach dem Abitur und dem Priesterseminar und einigen Kaplan-Jahren in der Heimatregion führte ihn der Weg in den deutschsprachigen Raum. Er begann ein Studium an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität in Innsbruck und lernte dort auch Deutsch. In dieser Zeit lernte er auch die Diözesen Regensburg, Köln und Rottenburg-Stuttgart kennen. Den Abschluss bildete die Promotion im Oktober 2013. Wieder in der Heimat übernahm der er eine Professur für Liturgiewissenschaft und wirkte als Dekan der theologischen Fakultät in Kaduna. Nun folgte er dem Ruf von Bischof Rudolf Voderholzer und kam in die Pfarrei St. Laurentius nach Eschenbach. Von der herzlichen Aufnahme ist er begeistert: „Die Eschenbacher sind gläubiger als anderswo.“ Bis Juni 2020 ist er ohne feste Seelsorge für Sonderaufgaben eingesetzt.
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