Eschenbach
19.02.2019 - 11:43 Uhr

"Zweimal Schule am Tag geht nicht"

Des einen Freud, des Anderen Leid: Die offenen Ganztagsschulen lassen die Musikschule im Vierstädtedreieck schrumpfen.

"Die schulische Ganztagsbereuung zwingt zu einer Neuausrichtung der Musikschule im Vierstädtedreieck", macht Schulleiter Joachim Steppert in der Jahreshauptversammlung des Fördervereins deutlich. Bild: do
"Die schulische Ganztagsbereuung zwingt zu einer Neuausrichtung der Musikschule im Vierstädtedreieck", macht Schulleiter Joachim Steppert in der Jahreshauptversammlung des Fördervereins deutlich.

Es ist schon ein Kreuz. Einerseits sind die offenen Ganztagsschulen ein Segen für Kinder und Eltern. Andererseits wirkt sich die lange Unterrichts- und Betreuungszeit oft negativ auf die Musikschule aus. Davon singt Schulleiter Joachim Steppert ein Lied.

Das Konzept der Musikschule sei auf Qualität ausgerichtet, erläuterte er in der Jahreshauptversammlung des Fördervereins: „Wer sie wünscht oder gar einfordert, braucht intensive Proben.“ An denen hapere es jedoch manchmal ohne Verschulden der Kinder, berichtete Steppert. Als Handicap nannte er die sich in Bewegung befindende Schullandschaft mit Ganztagsbetreuung und -schule. Für die Musikschule sei diese Entwicklung ein Stressfaktor für die Kinder und für das musikpädagogische Personal: „Zweimal Schule am Tag geht nicht.“

Noch finde die Musikschule den richtigen Ton, merkte deren Leiter an. Das solle auch so bleiben. Sein Situationsbericht über die musikalische Einrichtung, die das gesamte Vierstädtedreieck abdeckt, war zunächst geprägt von logistischen Herausforderungen. Auf 17 Räumlichkeiten an 6 Unterrichtsorten seien Üben und Proben verteilt, bedauerte der Schulchef. Das erfordere einen großen Organisationsbedarf. Hinzu komme eine schwierige Vorausplanung: „Die Mittagsbetreuung lässt oft keinen Stundenplan zu.“ Auch in Eschenbach sei die räumliche Situation eine Herausforderung. Einen Hoffnungsschimmer sah Steppert im baldigen Umbau des ehemaligen Vermessungsamts. Dort soll die Musikschule eine endgültige räumliche Heimat finden.

Anschließend blickte der Schulleiter auf zwei sehr unterschiedliche Jahre zurück. Er berichtete von einem starken Jahrgang an Schulabgängern zum Ende des Schuljahres 2017/2018. Musikalisch analysierte er dieses als sehr erfolgreich mit Teilnehmern bei „Jugend musiziert“ und einem guten Abschneiden beim Regional- und beim Landeswettbewerb. Zudem verwies Steppert auf vier Großveranstaltungen in Eschenbach, Grafenwöhr und Pressath. Gleichzeitig beobachtete er zu Beginn des neuen Schuljahres 2018/2019 einen Schrumpfungsprozess von 412 auf 388 Kinder und Jugendliche.

Der Musikpädagoge warnte deshalb vor erheblichen Problemen bei der Neuaufstellung von Ensembles. Die sinkende Schülerzahl zwinge zu einer Neuausrichtung, erklärte er. Als existenzbedrohend sah er die Ganztagsschule mit Bindung der Kinder am Nachmittag bis teilweise 16 Uhr an. Gleichzeitig würden Grundfächer im Schulbetrieb als Wahlunterricht abgedeckt. Hinzu komme die Erwartungshaltung mancher Eltern, die Musikschule als Dienstleister zu betrachten.

Um dieser Entwicklung zu begegnen, setzt Steppert auf ein Unterrichtsangebot in Großgruppen in den Schulen, und zwar in der Zeit nach dem Unterricht dort. Er verwies in diesem Zusammenhang auf eine gelungene Verzahnung von Mittagsbetreuung und Musikschule in der Volksschule Eschenbach. Zudem sprach er sich für bessere Übungsmöglichkeiten in den weiterführenden Schulen aus.

Als weiteres Problem der Musikschule nannte deren Leiter das Konkurrenzdenken von Vereinen. Örtliche Musikvereine könnten durch ihre räumliche Nähe eine größere Bindung aufbauen, während die Musikschule ein breit gefächertes und oft weit entferntes Probenszenario anbieten müsse. Bei Vereinen entfalle auch das strenge staatliche Vorgabenkonzept, das die Musikschule zu erfüllen habe.

Der Schulleiter forderte aus genannten Gründen eine klare Trennung der Begriffe "Musikverein" und "Musikschule" sowie ein Ende kommunaler Förderung bei Konkurrenz zur öffentlichen Musikschule. Als Fazit warnte Steppert vor einem Niedergang musikalischer Bildung: „Weniger Kinder lernen intensiv ein Instrument.“ Gefordert seien deshalb auch die Eltern: „Offenbar stufen viele Eltern den Musikunterricht als zweitrangig und wenig wichtig ein.“ Um dieser Entwicklung zu begegnen empfahl er, den Kindern Zugang zu Basisangeboten in Zusammenarbeit zwischen Musikschule und Musikvereinen zu eröffnen.

Der Schulleiter analysierte schließlich die Entwicklung der einzelnen Unterrichtsbereiche, bescheinigte den Bläsern und dem Streichorchester eine stabile Basis und wünschte sich als kulturelle Einrichtung für alle Altersgruppen ein stärkeres Interesse der Erwachsenen. Besonders der Gesangsbereich könne Nachwuchs gebrauchen.

An den Förderverein richtete Joachim Steppert die Bitte, die Schule bei der Aufstockung des Leihinstrumentariums, beim Sponsoring des Unterrichts an Mangelinstrumenten und bei der künftigen Ausstattung neuer Räume zu unterstützen. Er bat zudem um Verstärkung bei der Organisation und Gestaltung des Jubiläumsabends am 6. April in der Aula des Gymnasiums.

Der Bericht des Schulleiters endete mit der Bekanntgabe weiterer Veranstaltungen im Vierstädtedreieck und einer Vergleichsstatistik. Danach kommt mit 114 Kindern und Jugendlichen das mit Abstand stärkste Schülerkontingent aus Eschenbach. Es folgen Pressath mit 91 und Grafenwöhr mit 56 Schülern. „Mit neuem Schwung den Umbruch schaffen“, diese Jahreslosung verband der Schulleiter mit der Feststellung: „ In unserem ländlichen Raum ist eine Musikschule keine Selbstverständlichkeit, sondern ein Glücksfall.“

 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.