Vorsicht, Autofahrer: Derzeit hohes Risiko für Wildunfälle

Eslarn
02.05.2022 - 16:52 Uhr
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Ein trächtiges Reh und ihre ungeborenen Kitze verenden, als sie bei Eslarn ein Auto erfasst. Kein Einzelfall. Wild kreuzt momentan verstärkt die Straße. Ein Förster gibt Tipps zum richtigen Verhalten – auch nach einem Unfall.

Revierleiter Michael Förster beseitigt das tote Reh. Nur wenige Meter neben der Geiß lagen ihre beiden ungesetzten Kitze.

Schon in einer bis zwei Wochen hätte die Rehgeiß wohl Nachwuchs bekommen. Sie war trächtig, zwei Kitze in der Gebärmutter waren fast vollständig entwickelt. Doch ihr Leben endete, noch ehe es beginnen konnte. In einer langgezogenen Kurve auf der Kreisstraße 34, kurz nach Eslarn vor dem Ortsteil Gmeinsrieth, erfasste ein Auto die Rehgeiß frontal. Das Tier wurde zur Seite geschleudert, durch den Aufprall die ungesetzten Kitze aus dem Bauch herausgepresst. Ein schreckliches Bild. "Einen derartigen Unfall hatte ich noch nicht, und das geht einem schon ans Herz", bekennt Revierförster Michael Forster. Dem Forstbeamten blieb nur die Pflicht, die Tierkadaver der Rehfamilie zu beseitigen. "Die Wildsau oder der Fuchs darf sich auf das tote Reh freuen."

Der April und Mai sind neben dem Oktober die Monate im Jahr, in dem die meisten Wildunfälle passieren, viele in den frühen Morgen- oder Abendstunden. Laut Deutschem Jagdverband fallen allein in Bayern jährlich rund 50.000 Rehe, 3000 Stück Schwarzwild und 700 Stück Rotwild dem Straßenverkehr zum Opfer – Füchse, Hasen, Wildschweine, Dachse und Marder, aber auch Vögel aller Art. Fischotter werden zudem immer öfter überfahren. Laut Statistik des Polizeipräsidiums in Regensburg erhöhten sich die Wildunfälle in der Oberpfalz gegenüber dem Vorjahr um 8,2 Prozent auf deutlich über 11.000. Jeder dritte erfasste Verkehrsunfall war ein Wildunfall.

Im Zuständigkeitsbereich der Polizeiinspektion Vohenstrauß kam es laut Verkehrssachbearbeiter Wolfgang Piehler 2020 zu 412, 2021 zu 403 und 2022 zu bisher 90 Wildunfällen. Im Revier "Eslarn A" von Förster Forster sind es jährlich nur ein bis zwei Rehe, ansonsten auch Füchse und Hasen, die ihr Leben auf der Straße lassen. Nicht nur beim Rotwild beobachtet Forster derzeit verstärkte Aktivität: Das Jungwild, das im vergangenen Jahr von der Mutter abgestoßen wurde, sucht im Moment neuen Lebensraum. "Die Rehböcke beginnen ihr Revier abzustecken und vertreiben Nebenbuhler. Und überall lockt neben dem Wald das frische Grün." Dabei komme es zwangsläufig auch zu einem Wechsel über die Straßen – und immer wieder zu Wildunfällen.

Den Autofahrern empfiehlt der seit 2002 eingesetzte Förster:

  • Umsichtig fahren, da nicht nur im Wald, sondern auch auf freier Fläche mit Wildwechsel zu rechnen sei. Dabei kommt ein Reh selten alleine, so dass nach einem Wechsel noch ein zweites oder drittes folgen kann. Der Forstbeamte rät, in der Dämmerung und Nachts immer die Straßenränder mit zu beobachten, mit angepasster Geschwindigkeit zu fahren und bei Sichtkontakt das Fernlicht auszuschalten und die Hupe zu betätigen. "Die Augen des Wildes reflektieren das Scheinwerferlicht und sind oftmals früh zu erkennen."
  • Ist der Zusammenstoß unvermeidbar, sollte nach dem Bremsen keinesfalls ein Ausweichmanöver versucht werden. Der Jäger rät davon ab, einem verletzten Tier zu helfen. "Wildtiere sind nicht an Menschen gewöhnt und können auf unvorhersehbare Art und Weise reagieren, wenn sie verängstigt und verletzt sind."
  • Bei der Nichtmeldung eines Wildunfalls liegt zwar keine Unfallflucht vor, aber falls das verletzte Tier unnötig Qualen erleiden muss, kann der Unfall eine Strafe nach dem Tierschutzgesetz beziehungsweise Bayerischen Jagdgesetz nach sich ziehen. Bei einem Wildunfall kommt Fahrerflucht nur zum Tragen, wenn es zu einem Sach- oder Personenschäden bei weiteren Beteiligten und Geschädigten gekommen ist. In dem Fall darf der Unfallort nicht unerlaubt verlassen werden, sonst drohen wegen Unfallflucht eine Freiheits- oder Geldstrafe sowie Führerscheinentzug.
  • Nehmen Autofahrer das tote oder verletzte Tier mit nach Hause, folgt eine Strafanzeige wegen Jagdwilderei. Grundsätzlich gelten Tiere zwar vor dem Gesetz als Sache, aber Wildtiere sind herrenlos, so dass hier eine Sachbeschädigung ausscheidet. Mit der Frage, inwieweit der Jagdpächter der Eigentümer eines Wildes sein kann oder nicht, beschäftigten sich bereits die Gerichte.
  • Bei einem Wildunfall sollte unverzüglich die Polizei, die den zuständigen Förster oder Jagdpächter verständigt, informiert werden. "Auch dann, wenn das verletzte Tier weiter gelaufen ist und nicht mehr auffindbar ist", so Forster. Der Jäger macht sich in der Regel auf die Suche nach dem Wild.
  • Das Überfahren von Tieren wie Igel, Katzen und Nutztieren wie Hühner und Schafe ist kein Wildunfall. Bricht also zum Beispiel ein Nutztier aus einem landwirtschaftlichen Betrieb aus und verursacht einen Schaden, obwohl der Landwirt seine Tiere durch ein sicheres Gehege mit einem stabilen Zaun oder anderweitig ausreichend gesichert hat, so haftet der Halter nicht automatisch.
  • Bei einem Unfall rät die Polizei die Warnblinkanlage einzuschalten, die Unfallstelle zu sichern, bei verletzten Personen 112 zu wählen und Erste Hilfe zu leisten. Dagegen sollte ohne Verletzte über den Notruf 110 die Polizei verständigt werden.
  • Nur wenn der Wildunfall gemeldet und eine Wildunfallbescheinigung von der Polizei oder vom Förster ausgestellt wurde, kann die Schadensleistung bei der Versicherung beansprucht werden.
Hintergrund:

Immer mehr Wildunfälle in der Oberpfalz

  • Deutlich mehr als 11.000 Wildunfälle 2021 in der Oberpfalz – zusammen mit 2019 der höchste Wert im Zehnjahresvergleich
  • Anstieg um 8,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr
  • 67 Menschen verletzt, kein Toter
  • Wildunfälle am Gesamtverkehrsunfallaufkommen 2021: 34,0 Prozent
  • 403 Wildunfälle im Jahr 2021 im Altlandkreis Vohenstrauß

Quellen: Polizeipräsidium Oberpfalz, Polizeiinspektion Vohenstrauß

 
 

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