Brand bei Marktredwitz
09.08.2022 - 13:58 Uhr

Festival "Sticky Fingers" startet mit 2500 Besuchern neu durch

Die Mischung macht's: Junge und Alte. Oberfranken, Oberpfälzer, Tschechen, Vogtländer. Regionales und Internationales. Regen und Sonne. Das "Sticky Fingers"-Festival 2022 auf dem Weidersberg in Brand wurde ein voller Erfolg.

Von Thoralf Lange und Marcel Kliemann

Leopold dürfte sich fast etwas ärgern, dass bereits Ferien sind. Wäre der Zehnjährige doch heute in seiner Schule der Star. Wer kann schon von sich behaupten, in diesem Alter den "Crowd Surfer" gegeben zu haben? Seine Eltern waren auch etwas beunruhigt, als am Festival-Freitag ZSK-Sänger Joshi den Bub auf die Bühne holte und ins Rennen zum Mischpult und zurück schickte. Selbstverständlich ging alles gut aus. Joshi und seine Kreuzberger Skatepunk-Band waren ohnehin in bester Spiellaune. Der Frontmann brachte es auf den Punkt: "Die Jungs vom ,Sticky Fingers' sind richtig gute Leute mit Herzblut für die Region. Wir stehen auf sowas!"

Aus New York und Kalifornien

Offenbar stehen darauf auch geschätzte knapp 2500 Leute aus dem Fichtelgebirge und der Umgebung: Die feierten, als ob es kein Morgen gäbe. Kein Wunder, spielten doch allein zwei der besten Hardcore-Bands der Welt auf dem Weidersberg. "Sick of it all" aus New York City am Freitag und "Ignite" aus Kalifornien am Samstag.

"Sick of it all" spielten erstmals seit Ewigkeiten ohne ihren Gitarristen Pete Koller, der sich just an diesem Tag, seinem Geburtstag, einer Operation unterziehen musste, wie sein Bruder und Sänger Lou Koller dem Publikum mitteilte. Pete wurde bravourös durch Craig Silverman ("Agnostic Front") ersetzt. Die Band, die Headliner am Freitag war, holte aus dem Publikum das Letzte an Reserven raus. Auch "Ignite" mit dem neuen Sänger Eli Santana kamen am Samstag hervorragend an. Unglaublich, welche Energie beide Hardcore-Combos auf der Bühne abstrahlen.

Große Bühne für regionale Bands

Das "Sticky Fingers"-Festival zeichnet nicht zuletzt seine Mischungen aus. Die Jungen toben vor der Bühne, die Alten sitzen weiter hinten gemütlich beim Band-Schauen mit Bier. Die Fans kamen nicht nur aus Oberfranken und der Oberpfalz, sondern teilweise von viel weiter her. Das Wetter von brütend heiß bis ganz schön kalt schloss sich dieser Mischung an. Die Bands wiederum stammten sowohl von "umme Ecke" wie auch aus den Vereinigten Staaten, Kanada, Tschechien oder der Ukraine. Und dies alles macht den Reiz des trotz Corona-Unterbrechung und Inflations-Ungemach hervorragend vom "Sticky Fingers"-Verein organisierten Festivals aus.

Am Einlass bildete am frühen Freitagabend, während gerade die Hamburger Ska-Punks von "Rantanplan" spielten, eine schier unendliche Schlange. Trotzdem blieb die Stimmung ganz entspannt. Vereinsvoritzender Tobias Berz: "Alles muss sich natürlich erst einmal wieder etwas einspielen - aber wir haben ein geiles Team!" Dass die Vereinsmitglieder ein solch professionell organisiertes Festival stemmen, ist aller Achtung wert.

Ein weiterer Pluspunkt: Nur selten wird den regionalen Bands eine solch große Bühne geboten wie auf dem Weidersberg. "Black Wasteland" sorgten für den Auftakt. Passend zum Wetter kredenzten die Bamberger staubtrockene Stoner-Riffs, während sich das Festivalgelände allmählich füllte. Gleich darauf wurde es zum ersten Mal heftig: "Cold Fury" bliesen zur Attacke mit kompetent gezocktem Hardcore. "Neurotic Machinery" aus Pilsen legten noch eine weitere Schippe Härte auf und befeuerten mit Technical Death Metal das zahlreicher werdende Publikum.

Lokalmatadore zum Frühschoppen

Auch der Beginn des Samstags stand ganz im Zeichen der Lokalmatadore: "Melodramatic Fools" aus Marktredwitz zum Frühschoppen, "Killing Capacity" mit Death Metal und die Deutsch-Punker "Bauschaum" aus Hof sorgten für beste Stimmung, bevor die Alternative Progger von "Pantsdown" aus Coburg das Gelände eroberten. Die Band "Bezlad" aus dem ukrainischen Charkiv unterbrach kurz den regionalen Reigen, überzeugte mit rohem Punksound und passender Attitüde. Aber auch "Chasing For Glory", "Pregnant Boys" oder "Virus 41" - es überrascht immer wieder, auf welch hohem Niveau regionale Bands spielen.

"Shitty Songs" aus Südböhmen

Erwähnt werden muss unbedingt noch die tschechische Grindcore-Band "Gutalax". Die Musiker sind optisch wie inhaltlich absolute Experten in Sachen menschlicher Verdauung und wurden dafür vom Publikum frenetisch gefeiert. Die Südböhmen, nicht zum ersten Mal auf dem Weidersberg, nehmen ihre "Shitty Songs" natürlich nicht ganz so ernst. Im Publikum wurden Fans mit - hoffentlich unbenutzten - Klobürsten und sogar mit Toilettenbrillen gesichtet.

Im Gegensatz zu den todernsten Kanadiern "Kataklysm": Die Death-Metal-Band aus Montreal sorgte mit rasend schnellen Schlagzeug-Parts, sogenannten Blast Beats, und einem perfekten Set für extrem düstere Stimmung. Ein würdiger Festival-Abschluss durch den Samstags-Headliner.

Hintergrund:

Geschichte des Festivals "Sticky Fingers"

  • Gelände: ehemaliger Basaltsteinbruch am Weidersberg östlich des Marktredwitzer Stadtteils Brand
  • Naherholungsgebiet: Ausbau zum Bürgerpark in den 1970er-Jahren
  • Festivals: Start mit "Hinterlandfestln", organisiert vom Jugendzentrum; 1988 begannen junge Leute die Reihe "Sticky Fingers Festival"
  • Musik: Zunächst Schwerpunkt auf Rock und Blues, seit den 2000er-Jahren verstärkt Punk und Hardcore
 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.