Deutschland und die Welt
07.01.2020 - 18:29 Uhr

Französisches Rentenmodell: Verlockend, aber unfair

Seit 34 Tagen Streik in Frankreich, weil etliche Berufsgruppen auf ihre Rentenprivilegien nicht verzichten wollen. Präsident Emmanuel Macron darf auf keinen Fall einknicken, kommentiert Elisabeth Saller.

Kommentar von Elisabeth Saller
Seit mehr als einem Monat haben die Streiks und Massenproteste Frankreich und vor allem die Hauptstadt fest im Griff. Bild: Laurent Cipriani/dpa
Seit mehr als einem Monat haben die Streiks und Massenproteste Frankreich und vor allem die Hauptstadt fest im Griff.

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Die Losung gilt für viele Franzosen nicht, wenn es um ihre Rente geht. Da genießen etliche Berufsgruppen Privilegien, die ihnen Präsident Emmanuel Macron wegnehmen will mit dem Ziel, das mit 42 Rentenkassen komplizierte System zu vereinheitlichen. Seit 34 Tagen wird gestreikt. Doch Macron darf auf keinen Fall einknicken.

Wer etwa bei den Pariser Verkehrsbetrieben arbeitet, kann mit 52 in Rente, auch Juristen, Beamte, Bedienstete der Pariser Staatsoper nutzen Vorteile. Die allgemeine Regelaltersgrenze liegt bei 62. Das Durchschnittseinkommen von über 65-Jährigen ist höher als das der Gesamtbevölkerung. In Deutschland sind es 88,6 Prozent. Das französische Modell klingt verlockend, ist aber unfair.

Zudem gibt es ein Demografie-Problem: 2070 sollen im Schnitt 1,7 Beitragszahler auf einen Rentner kommen. Und weil die Menschen immer älter werden, erhalten sie die Rente im Schnitt 22 Jahre lang.

Wer soll das künftig bezahlen? Macrons Vorschlag, erst mit 64 Jahren das Arbeiten zu beenden, ist keine Option für Gewerkschaften. Doch die Privilegien erinnern an vergangene Zeiten. Die Betroffenen sitzen wie kleine Könige auf hohen Rössern. In Zukunft werden sie zu hoch sein, die Gäule durchgehen, das System zusammenbrechen. Das sollten die Gewerkschaften einsehen, sind sie doch in erster Linie Vertreter für die arbeitende Bevölkerung.

Einige Präsidenten sind an dem Projekt schon gescheitert. Es ist Macron zu wünschen, dass er sein Wahlversprechen umsetzen kann, und in Frankreich wieder gilt: Liberté, Egalité, Fraternité.

 
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A. Schmigoner

Das französische Rentensystem muss reformiert werden, soviel steht fest. Jedoch ist Deutschland in dieser Hinsicht ein schlechtes Vorbild. Viele Franzosen halten das deutsche Rentensystem für unfair, treibt es doch viele künftige Rentner in die Altersarmut. Über die Finanzierbarkeit eines Rentensystems sollte erst geurteilt werden, wenn alle Gesellschaftsschichten ihren Beitrag dafür leisten. Deutschland gönnt sich den Luxus, viele, vor allem besser und sehr hoch verdienende Gesellschaftsschichten bei der Finanzierung dieser zentralen Zukunftsfrage nicht heranzuziehen. Da sind die Schweizer, Österreicher und Niederländer schon weiter. Die Franzosen streiten noch über einen gesellschaftlich gerechten Weg, oder den deutschen Weg...

10.01.2020
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