Als der schwarze BMW von Rita Hagl-Kehl an der Firmenzentrale von Elasto Form in Kempfenhof vorfährt, hängt eine drückende Schwüle in der Luft. Im Konferenzraum ist die Temperatur zwar angenehmer, aber die Stimmung ist ebenfalls gedrückt, als Elasto-Form-Geschäftsführer Marcus Sperber die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesjustiz- und Verbraucherschutzministerium zum Gespräch begrüßt. Die SPD-Politikerin ist mit ihrem Parteikollegen, dem Landtagsabgeordneten Reinhold Strobl, vor Ort, um sich über "Wettbewerbsverzerrungen aufgrund direkter Lieferungen an Endverbraucher aus China" zu informieren.
Man sei sehr froh, dass nun endlich "massive Probleme angesprochen" werden könnten "und dass Austausch möglich ist", sagt Sperber zur Begrüßung. Das Unternehmen sei einer der größten Werbemittelproduzenten in Europa, allein am Standort Sulzbach-Rosenberg würden rund 270 Mitarbeiter überwiegend Kunststoffartikel herstellen wie Brotzeitboxen, Flaschen oder Brillen.
Allerdings steht der Betrieb laut Geschäftsführer unter Druck: Vor allem Online-Plattformen wie Amazon und die Konkurrenz aus China würden Arbeitsplätze gefährden und seien darüber hinaus ein ernstes Gesundheitsrisiko für die Verbraucher: "Deutsche Unternehmen haben unzählige Auflagen zu beachten, Gesetze und EU-Vorschriften. Wir werden gegängelt nach allen Regeln der Kunst", klagt der Unternehmer.
Chinesische Hersteller hingegen hätten zwar bei einem Import nach Europa die gleichen Auflagen zu beachten, das jedoch würde dort "niemanden interessieren". Auch die Mitbewerber aus Osteuropa hielten sich kaum daran, monierte Sperber diese Form der Wettbewerbsverzerrung: "Es gibt hier viel zu viele schwarze Schafe."
Doch dies sei nicht alles, ergänzt Co-Geschäftsführer Frank Sperber. Während Produkte von Elasto-Form, welche in China streng nach EU-Vorgaben produziert und nach Deutschland importiert werden, häufig vom Zoll kontrolliert und dort über Wochen festgehalten würden, gingen die Amazon-Bestellungen chinesischer Konkurrenten sofort und unkontrolliert als Einzellieferung an den Kunden - und das, obwohl genau hier Kontrollen dringend nötig wären, so der einhellige Tenor der beiden Firmenchefs.
Weil Qualitätsstandards missachtet werden, könnten die Produkte aus China deutlich günstiger produziert werden als in Deutschland, zudem seien sie ein Risiko für die Gesundheit der Verbraucher, erklärte Susanne Regler. Die Mitarbeiterin ist bei Elasto-Form für Qualitätsmanagement zuständig und berichtete, dass die Firma dies selbst an Produkten getestet habe, die man über Amazon aus der Volksrepublik bestellt habe und die es nahezu identisch bei Elasto Form zu kaufen gibt – nur eben teurer: So wurde in einer chinesischen Frischhaltebox ein Steak in der Mikrowelle erhitzt. „Nach nur wenigen Minuten schmorte der Kunststoff, und es bildete sich Rauch. Giftstoffe gingen womöglich auf das Fleisch über“, sagte Regler.
Ähnliche Ergebnisse erzielten die Sulzbacher bei Tests an Sonnenbrillen oder Caps. Diese würden gegen die Produktsicherheit verstoßen und keine in der EU vorgeschriebene CE-Kennzeichnung aufweisen. Die Augen seien nicht vor schädlicher UV-Strahlung geschützt, klärte Regler auf. Die Kopfbedeckungen färbten ab, was eine Gefährdung durch unbekannte Stoffe für die Haut darstellen kann, und wurden auf der Amazon-Internetseite falsch beschrieben: Statt aus Baumwolle war das Cap tatsächlich zu „100 Prozent aus Polyester“, so die Qualitätsmanagerin.
"Sämtliche Vorschriften der EU werden hier quasi täglich von Amazon ausgehebelt", konstatiert Marcus Sperber. Sein Bruder Frank Sperber fügt ernüchtert an: "Amazon marschiert wie ein Elefant durch den Markt."
An Hagl-Kehl trugen die beiden Unternehmer die Forderung heran, dass Amazon zukünftig stärker auf Kontrolle und Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen Bestimmungen verpflichtet werden müsse: "Bekäme Amazon jedes Mal eine saftige Strafe, wenn es Produkte liefert, die nicht den Vorschriften entsprechen, würde sich die Sache ganz schnell ändern", zeigte sich Marcus Sperber überzeugt. Auch eine zentrale Anlaufstelle im Verbraucherministerium regte der Firmenchef an, um bei Fragen zukünftig einen direkten Ansprechpartner zu haben.
"Ich muss zu meiner eigenen Schande gestehen, dass ich davon ausgegangen bin, dass Produkte, die über Amazon bestellt werden, alle Anforderungen einhalten", zeigte sich die Staatssekretärin überrascht. Hagl-Kehl versprach, "am Thema dranzubleiben" und die Anregungen im Berliner Ministerium einfließen zu lassen. Sie gehöre nach eigener Aussage "zu den obersten Verbraucherschützern" und will dies auch ernst nehmen: "Das ist Aufgabe der Politik, sich darum zu kümmern und nicht die von Unternehmen."
Nach dem rund zweistündigen Termin war für alle Beteiligten ein Besuch auf dem Annabergfest angesetzt. Zumindest hier dürften chinesische Importwaren kaum eine Rolle gespielt haben - das kulinarische Angebot stammt ausschließlich von regionalen Herstellern.













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