Grafenwöhr
22.10.2019 - 08:49 Uhr

Jubiläumsfeier zum 100-jährigen Bestehen: Glühende Rede für Sozialdemokratie

Der SPD-Ortsverein Grafenwöhr besteht seit 100 Jahren. Dieses Jubiläum feiern die Mitglieder ausgiebig.

"Die SPD war immer eine Partei des Fortschritts, der Zukunft und des Mutes", betont Bundestagsabgeordneter Uli Grötsch bei der Jubiläumsfeier des SPD-Ortsvereins Grafenwöhr. Bild: myd
"Die SPD war immer eine Partei des Fortschritts, der Zukunft und des Mutes", betont Bundestagsabgeordneter Uli Grötsch bei der Jubiläumsfeier des SPD-Ortsvereins Grafenwöhr.

„Vergiss nie die Geschichte, denn nur mit der Geschichte kannst du die Zukunft gestalten“ , zitierte Natascha Kohnen, Landesvorsitzende der Bayern-SPD, ihren Parteikollegen Hans-Jochen Vogel. Mit Kohnen sowie Generalsekretär und Bundestagsabgeordneten Uli Grötsch waren bei der Jubiläumsfeier des SPD-Ortsvereins um Vorsitzenden Thomas Weiß zwei wichtige politische Persönlichkeiten zu Gast. Der Einladung folgten auch Bürgermeister Edgar Knobloch mit CSU-Parteikollegen, SPD-Bürgermeisterkandidat Michael Tiefel, Vertreter von Grafenwöhrer Vereinen und Institutionen sowie etlicher SPD-Ortsvereine aus der Umgebung.

„Die Gesellschaft hat es auseinander gezogen“, erklärte Kohnen. „Die Sozialwissenschaften sagen, dass wir in einer Zeit der Angst leben. Menschen haben Angst, dass sie sich das, was sie zum Leben brauchen, nicht mehr leisten können. Diese Angst macht sie offen für Populisten“, gibt die Rednerin zu bedenken. In ihrer glühenden Rede zeigte sie auf, welche Herausforderungen auf die regierenden Parteien warten.

Menschen mit sozialen und vielen anderen Berufen könnten es sich nicht mehr leisten, in der Innenstadt von Großstädten zu wohnen. Der Staat, also alle demokratischen Parteien, müsste es schaffen, Probleme rund um Wohnen, Pflege und Mobilität zu lösen. Dabei sei Kohnen bewusst, dass es im ländlichen Raum bereits daran scheitert, dass es zu wenig Verbindungen im Öffentlichen Personennahverkehrs gibt.

„Wie können wir auf die Idee kommen, dass Krankenhäuser Profit machen sollen? Hartz 4 ist ein Angstbegriff geworden – das muss korrigiert werden. Wenn jemand 35 Jahre gearbeitet hat, dann muss er von seiner Rente leben können. Da braucht es keine Bedürftigkeitsprüfung, diese kommt über die Einkommensteuer“, stellt sie die Politik der letzten Jahre in Frage.

Sie führt den Soziologen und Philosophen Jürgen Habermas an: „Der besorgte Bürger ist der Saatboden des Faschismus.“ Hier sieht sie die Aufgabe, Menschen die Angst zu nehmen. „Wir müssen diesen Staat wieder zu einem Sozialstaat machen.“ Wenn Menschen sich sicher sein können, dass der Staat für sie da ist, reduziere sich die Anfälligkeit für Populisten, ist sie sich sicher.

Verlängerter Arm der Rechtsextremen

„Was passiert jetzt in der Welt?“, fragte Kohnen. „Trump missachtet Frauen, missachtet die Pressefreiheit und hat mit seiner rigiden Politik an der mexikanischen Grenze Familien auseinander gerissen.“ Auch innerhalb Europas gebe es besorgniserregende Entwicklungen. Politiker aus Ländern wie Ungarn, Italien und Polen geben menschenverachtende Äußerungen von sich. In Deutschland, aktuell das fremdenfeindlich motivierte Attentat in Halle, rüttelt auf. „Der verlängerte Arm der Rechtsextremen ist die AFD", zeigt sie klar auf. „Unter demokratischen Parteien ist es wichtig, Respekt voreinander zu haben.“

„Welchen Mut hatten die Sozialdemokraten 1933?“, fragte sie. Schließlich seien viele der Genossen, nachdem die SPD gegen das Ermächtigungsgesetz gestimmt hatte, unter anderem in Flossenbürg ums Leben gekommen. die SPD habe sich immer für die Rechte der Arbeiter eingesetzt, für Gleichberechtigung und Gleichheit. Die SPD sei immer von unten, aus den Ortsvereinen entstanden. „In die Sozialdemokratie geht man aus Überzeugung.“ Während ihrer Schulzeit machte Kohnens Klasse eine Fahrt zur WAA nach Wackersdorf; sie musste zusehen, wie die Bevölkerung mit Tränengas traktiert wurde und wie die Exekutive mit der Bevölkerung umging. Das war ihre Motivation, sich in der SPD zu engagieren.

Kohnen beglückwünschte die Grafenwöhrer SPD abschließend zum 100-jährigen Bestehen und wünschte den Mut, weiter voranzugehen und gute Politik für die Menschen zu machen.

Info:

Uli Grötsch: Lernen, wie Demokratie geht

Auch Generalsekretär und Bundestagsabgeordneter Uli Grötsch trat bei der Feier zum 100-jährigem Bestehen des SPD-Ortsvereins ans Rednerpult. „Die SPD war immer eine Partei des Fortschritts, der Zukunft und des Mutes", bekräftigte er, führte die Abstimmung zum Ermächtigungsgesetz aus und erklärte die Stimmung in der Gesellschaft um 1933. „Wir sind zwar noch nicht ganz so weit, aber wir leben, bezogen auf die Stimmung in der Gesellschaft, in einer absolut vergleichbaren Zeit wie damals“, mahnte er .

In Deutschland sei es wieder salonfähig geworden, braun zu sein. Nur seien die Braunen jetzt blau angestrichen, stellte er fest.

Bei Vorträgen an Schulen fordert er die Heranwachsenden auf: „Engagiert euch. Am liebsten natürlich in der SPD, oder aber auch bei der Feuerwehr oder im Schützenverein, meinetwegen auch bei den ,Schwoazn'. Hauptsache, ihr engagiert euch“, setzte er mit einem Augenzwinkern in Richtung der CSU-Abordnung hinzu, und ergänzte: „2019 ist es in der Schule wichtig, zu lernen, wie Demokratie geht.“

Über seine Parteikollegin Natascha Kohnen sagt er, sie sei „keine, die gebückt und mit zwiederner Lätschn, sondern eine, die frohen Mutes nach vorn geht". Daran könne man sich ein Beispiel nehmen. Die SPD im Landkreis Neustadt/WN ist gut aufgestellt, nach München ist es der Unterbezirk mit der zweitgrößten Mitgliedszahl, erklärte Grötsch. Zur Parteiarbeit gehöre, dass man bei den Menschen ist und nicht darauf wartet, dass diese kommen. Für die Kommunalwahl im März 2020 wünschte er dem Grafenwöhrer Ortsverein mit Bürgermeisterkandidaten Michael Tiefel viel Erfolg. Ortsvereinsvorsitzender Thomas Weiß Bedankte sich mit Geschenken bei den Rednern, bevor es zur Ehrung von langjährigen Mitgliedern ging (Bericht folgt). (myd)

Zahlreiche Gäste nehmen an der Jubiläumsfeier des SPD-Ortsvereins teil. Bild: myd
Zahlreiche Gäste nehmen an der Jubiläumsfeier des SPD-Ortsvereins teil.
Natascha Kohnen, Landesvorsitzende der Bayern-SPD, hält eine glühende Rede. Bild: myd
Natascha Kohnen, Landesvorsitzende der Bayern-SPD, hält eine glühende Rede.
Generalsekretär und Bundestagsabgeordneter Uli Grötsch Bild: myd
Generalsekretär und Bundestagsabgeordneter Uli Grötsch
 
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