Anlässlich seines 100-jährigen Bestehens hatte der Hirschauer SPD-Ortsvereins die Bundesfamilienministerin a. D. zu einer Sonntags-Matinee mit Lesung in den voll besetzten Schlosstreff der Kaolinstadt eingeladen. Begleitung wurde die 75-Jährige von ihrem Ehemann Hasso von Henninges, auf dessen persönliche Kontakte der Besuch zustande gekommen war.
Wie Zweiter Bürgermeister Josef Birner in seiner Begrüßung feststellte, sei das Leben von Renate Schmidt fast immer bunt und abwechslungsreich gewesen. Von der Betriebsrätin der Firma Quelle ins deutsche Parlament, Bundestagsvizepräsidentin, acht Jahre bayerischer Landtag, Vorsitzende der Bayern-SPD und schließlich Familienministerin im Kabinett von Gerhard Schröder, skizzierte Birner ihren Lebenslauf. Weil sie ihre Politik stets am Lebensgefühl moderner Familien orientiert hatte, gelte sie noch heute als Idealbesetzung.
„Den Bürgerinnen und Bürgern von Hirschau Wohlergehen und Erfolg und meiner SPD herzlichen Glückwunsch zum 100. Geburtstag“, mit diesem Satz trug sich Renate Schmidt ins Goldene Buch der Stadt Hirschau ein. „Warum schreibt Renate Schmidt überhaupt Bücher?“ - mit dieser Frage leitete SPD-Ortsvorsitzender Günther Amann zur Lesung über. „Weil mich immer die Frage bewegt hat: Was kann ich tun, damit unsere Gesellschaft die Welt ein kleines bisschen besser hinterlässt, als ich sie vorgefunden habe“, zitierte Amann die Autorin aus ihrem Buch „Lasst unsere Kinder wählen!“. Die Lesung daraus geriet zu er einem glühenden Plädoyer für mehr und gesicherte Kinderrechte.
„In einer Demokratie werden die ernst genommen, die ein Wahlrecht haben“, meinte Renate Schmidt. Kinder seien von Wahlen ausgeschlossen, ihre Interessen würden daher oft zu wenig beachtet. In den Parlamenten hätten die über 60-Jährigen die Mehrheit. Auch gesellschaftliche Interessensverbände vertreten kaum die Belange von Kindern. So habe der ADAC 20 Millionen Mitglieder, Vereine, die sich für Kinder einsetzten, nur 500 000. Renate Schmidt plädierte für ein Wahlrecht von Geburt an, das in den ersten zwölf Lebensjahren stellvertretend die Eltern ausüben sollten. "Grundrechte stehen jedem zu, unabhängig vom Alter", betonte sie. Ein Wahlrecht für alle hätte zahlreiche positive Effekte. So würde sich die Politik nicht mehr vorwiegend um die Stimmen von Erwachsenen bemühen, sondern gleichermaßen die Anliegen der Jüngeren berücksichtigen. Staatsbürgerlicher Unterricht würde für Schüler interessanter, politische Diskussionen in den Familien intensiviert. "Mehr Engagement für unsere Demokratie würde unserem Staatswesen gut tun", sagte sie.
„Wer heute den Kopf in den Sand steckt, der knirscht morgen mit den Zähnen“, eröffnete Renate Schmidt den zweiten Teil ihrer Lesung. Sie beschrieb mit drastischen Beispielen die Schicksale von Frauen, die durch Familienarbeit und Minijob in Altersarmut geraten seien. In ihrem Buch „Ein Mann ist keine Altersversorgung“, geschrieben mit Co-Autorin Helma Sick, rät sie zu Partnerschafts- und Eheverträgen - am besten, wenn die Liebe noch jung sei. „Später wird’s schwierig“, so Schmidt. Obwohl 40 Prozent aller Ehen geschieden würden, seien solche Verträge aber die Ausnahme. Minijobs zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf seien für Frauen im Alter desaströs. 15 Jahre Minijob ergäben 70 Euro Monatsrente. In deutschen Familien gebe es überwiegend noch immer die klassische Rollenverteilung und die Frauen fänden sich damit ab. So arbeiteten 69 Prozent der Frauen, aber nur 5 Prozent der Männer in Teilzeit. Scheitere die Ehe oder versterbe der Partner, seien die Folgen verheerend. Praktische Lösungen seien überschau- und machbar. „Er kann nicht sein, dass gemeinsame Lebensentscheidungen wie die Familienplanung ausschließlich zulasten der Frau gehen“, so Schmidt.
Eine lebhafte Diskussion unterstrich die Aktualtät der Texte. Karin Waldhauser betonte, dass nach ihren Erfahrungen als Familienrichterin eine Grundsicherung für Kinder viel zu wenig diskutiert werde. Der ehemalige Abgeordnete Reinhold Strobl verdeutlichte die Bedeutung von Pflege und Grundrente.
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