"Du hast die Wahl" war der Titel der gesellschaftskritischen Eigenproduktion der Theatergruppe "Obstsalat", deren Mitglieder einmal im Jahr ihrer gemeinsamen Leidenschaft nachgehen. Schauplatz war dieses Mal der Club La Vida, ehemals Habana. Dort stand auch ein zweistöckiges Baugerüst, das die "politische Baustelle" der Wahlverdrossenheit eindrucksvoll in Szene setzte.
Zum Inhalt: 13 zufällig ausgeloste Personen - quer durch die Bevölkerungsschicht - haben die Aufgabe, in einer Art "Big Brother"-Situation diese Frage zu beantworten: "Wie können wir die Wahl für die Menschen wieder attraktiver gestalten?" Als der Leiter der illustren Runde, Michael (Johanna Mehringer) schon bei der Vorstellungsrunde auf starken Widerstand stößt, kann man erahnen, dass es noch zu manchen Kontroversen kommen wird. Da trifft zunächst die strickende Hannelore (originell, Lena Härteis), die schon seit 40 Jahren die CSU wählt, auf die junge und übermotivierte Annabelle (mitreißend: von Meike Pfeiffer), die sich für eine Herabsetzung des Wahlalters stark macht und auch gleich noch ein Wahlrecht für Kinder einfordert.
Damit kann sie zumindest bei der alleinerziehenden Tessa (Sarah Hepp) punkten. Greenpeace-Mitglied Lucy (Antonia Schmidt mit typischem Öko-Touch) geht noch einen Schritt weiter und fordert ein Wahlrecht für Hunde. Nicht nur dem smarten und selbstgefälligen Clemens (sehr spritzig wiedergegeben von David Pickel) ist das aber zu viel. Auch Lehrerin Gabriele Streit (sehr ausdrucksstark: Anna Liri-Shalsi) plädiert für eine härtere Gangart. Wer sich nicht an die Regeln hält und von seinem Wahlrecht keinen Gebrauch macht, sollte bestraft werden. "Oder sollte man lieber diejenigen belohnen, die wählen? Mit einem Kinogutschein etwa?", überlegt Ex-Knasti Jessica (herrlich abgebrüht, Alexandra Jehlicka). Dazu kann Bloggerin Freya alias Franziska Neuser nur abfällig die Nase rümpfen. Für sie ist klar: "Big Brother is watching you, immer und überall!" Zudem regt sie einen IQ-Test an, um zu verhindern, dass Idioten zur Wahl gehen dürfen.
Das ist Günther (fantastisch prollig gespielt von Constanze Gierl) zu hoch. Zielsicher bringt er das Publikum mit seinen flachen Sprüchen immer wieder zum Schmunzeln. Darin steht ihm der coole Murat, ausdrucksstark verkörpert von Barbara Winkler, in nichts nach. Im Kontrast dazu mischen sich Hausmütterchen Heidi (sympathisch, Martina Mikuta) und die stets vermittelnde und mit einem Rosenkranz ausgerüstete Gemeindereferentin Petra (Katharina Waal) ins Geschehen ein. Aber beten und meditieren ist auch keine Lösung: Ein Ergebnis musste her.
Sehr innovativ stellte die gesamte Truppe schließlich den Ideenfindungsprozess in Form einer Maschine dar, inklusive Geräuschen und Bewegungen. Doch als der leicht überforderte Coach am Ende das Resultat einholen will, ergießt sich eine wahre Flut von 13 unterschiedlichen Monologen über ihn. Chaos! Allein der bis dahin verschwiegene Richard bringt es fertig, sich Gehör zu verschaffen. Er schärft seinen Mitstreitern als oberstes Gebot der Demokratie ein, einander zuzuhören und andere Meinungen zu akzeptieren. Dadurch aufgerüttelt, schafft es schließlich dieser Mix von Menschen, sich auf gemeinsame Änderungsvorschläge für zukünftige Wahlen zu einigen.
Doch sie können damit in Berlin nicht punkten, ihre Impulse werden einfach abgeschmettert, das ganze Projekt wird abgeblasen. Das erregt nun endgültig den Unmut. Allen voran ergreift der scheinbar doch nicht so einfältige Günther lauthals die Initiative. So kommt die Idee auf, eine neue Partei zu gründen - und das mit 13 zufällig zusammengewürfelten, an Politik überwiegend nur am Rande interessierten Personen. Mit Erfolg, denn am Ende des Stücks ist zu erfahren, dass zwei der Forderungen tatsächlich in Berlin Gehör finden.












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