Wachsender Groll richtet sich gegen die Politik und die Eckpunkte der Krankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach und der Bundesregierung. Brandaktuell waren die Informationen, die Klaus Emmerich, Klinikvorstand i.R. und Mitgründer des Bündnisses Klinikrettung sowie der Aktionsgruppe „Schluss mit dem Kliniksterben in Bayern“ mitbrachte. Der Kem-Verband hatte zum Info-Abend im gut gefüllten Foyer der Mehrzweckhalle eingeladen.
Die von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit Bundesgesundheitsminister Lauterbach vereinbarten Eckpunkte einer Krankenhausreform werden laut Emmerich dramatische Auswirkungen auf die Krankenhäuser in Bayern haben, wenn sie so kommen. Gesundheitseinrichtungen der Leistungsgruppe Level 1i (ohne Notfallversorgung unter pflegerischer statt ärztlicher Leitung mit nur gelegentlicher ambulant-ärztlicher Anwesenheit) sollen viele Krankenhäuser ersetzen.
Über 30 Minuten Fahrzeit
„Wir müssen nach aktuellem Kenntnisstand von einem organisierten Kliniksterben in Bayern ausgehen. Der Bund lässt unsere Krankenhäuser besonders im ländlichen Raum im Stich“, verdeutlichte Emmerich. So könnte auch dem Krankenhaus Kemnath eine Herabstufung auf Level 1i drohen, weil es Anforderungen für ein Level-2-Haus (unter anderem Anzahl der Intensivbetten, Anm. d. Red.) nicht erfüllt. Es würde den Status eines Allgemein- und Sicherstellungskrankenhauses verlieren. „Gut 33 000 Einwohner bräuchten dann in klinischen Notfällen mehr als 30 Minuten Fahrzeit zu einem Allgemeinkrankenhaus mit stationärer Notfallversorgung. Das wäre absolut gefährlich und verletzt aktuelle medizinische Standards“, betonte Emmerich.
Käme die Reform, müssten von 351 bayerischen Krankenhäusern 143 schließen und wären nur mehr eine bessere Kurzzeitpflege. Von den 153 Geburtshilfestationen würden nur noch 52 an Großkliniken mit einer Fahrzeit von bis zu 40 Minuten verbleiben.
Werde ein Allgemeinkrankenhaus wie in Kemnath mit seinen 100 Betten und vier Intensivbetten in ein ambulantes Gesundheitszentrum umgewandelt, sinke auch die wirtschaftliche Nachfrage in den Kommunen, wo es oft in ländlichen Regionen der größte Arbeitgeber sei, verdeutlichte der Referent. Inwieweit die Stellung als überregional anerkannter Standort für Spitzenmedizin im Bereich künstlicher Hüft- und Kniegelenke gehalten werden könne, sei fraglich. Ebenso, ob ein Überleben als Spezialversorger, Fachklinik oder Reha-Zentrum gelinge.
Emmerich forderte den Freistaat auf, sein Recht auf eigene Krankenhausplanung einzufordern und die Investitionsrate für Krankenhäuser zu erhöhen. Das aktuelle Defizit aller bayerischen Krankenhäuser betrage 1,3 Milliarden Euro. Durch die Fallpauschalen und Dokumentationen sei viel Personal für Verwaltungsarbeit gebunden, das nicht zur Behandlung und Pflege der Patienten zur Verfügung stehe. Emmerichs Vorschlag ist, die Krankenhausfinanzierung wieder auf Selbstkostendeckung umzustellen
Laut ihm sieht die Reform keine Einnahmenkonsolidierung und -mehrung für Krankenhäuser, sondern nur eine Zentralisierung und Umverteilung vor. Grund dafür ist die Budgetkürzung der Gesundheitssparte von 25 auf 16 Milliarden Euro. Er bedankte sich ausdrücklich für die zahlreichen Petitionsunterschriften, die vor und während der Veranstaltung gesammelt wurden.
In der Diskussion wurde bemängelt, dass kein Abgeordneter zugegen war. Zur Frage einer kommunalen Übernahme des Krankenhauses erklärte Emmerich, dass dies an kommunalrechtliche Rahmenbedingungen insbesondere bei zu erwartenden Verlusten gebunden sei. Der Gesundheitsbereich zähle für Kommunen und Städte nicht zur Pflichtaufgabe.
Ein Waldsassener plädierte für die Entlastung des Pflege- und Behandlungspersonals bei der Patientendokumentation. Zur Frage der Ausbildungsplätze erklärte der Referent, dass in 2022/2023 diese von 58 000 auf 52 000 zurückgingen: „Wer nimmt schon eine Ausbildung auf, von der er nicht weiß, ob er später den Beruf ausüben kann.“
Insgesamt weniger Patienten
Zur Erhöhung der Klinikkosten erklärte der Referent, dass diese im Rahmen der normalen Preisanstiegs von ein bis drei Prozent lagen. Dies gelte auch für die Pandemiezeit. Jetzt sänken die Patientenzahlen, trotzdem müsse das Personal vorgehalten werden. Dies sei ein Grund für die Defizite. 2019 wurden 19,6 Millionen Patienten, 2020 nur mehr 16,2 Millionen behandelt.
Zweiter Bürgermeister Hermann Schraml betonte, dass die Stadt Kemnath und die umliegenden Kommunen zum Krankenhauses stehen: „Wo Krankenhaus drauf steht, muss auch Krankenhaus drin sein.“ Ein Kenner des Rettungsdienstes wies darauf hin, dass im Einzugsbereich des Kemnather Krankenhauses der Rettungsdienst ausgebaut wurde und binnen 12 Minuten beim Patienten ist. Es wäre ein gewaltiger Rückschritt für das Überleben von speziell Herzinfarkt- und Schlaganfallpatienten, wenn Kemnath nicht mehr eine Erstversorgung übernehmen könnte.
Ein Betroffener berichtete, dass bei einem Notfall binnen fünf bis sieben Minuten der Notarzt samt Krankenwagen beim Patienten war, es aber 10 Minuten an Telefonanrufen bedurfte, bis ein Krankenhausbett gefunden wurde. Ein Arzt, der seit 30 Jahren als Notarzt und Gemeinderat tätig ist, hoffte das die Unterstützungszusage des bayerischen Gesundheitsministers für die bayerischen Krankenhäuser nicht dem Wahlkampf geschuldet ist. Er wies darauf hin, dass in den vergangenen Jahren 9 000 Studienplätze für Ärzte abgebaut wurden.
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