Mit dem Fall gehen Ärztlicher Direktor Dr. Thomas Egginger, Martin Neuhaus (Hauptabteilungsleiter Personalwesen), Pflegedirektor Thomas Baldauf und die Leiterin des Krankenhauses Kemnath, Carina Ascherl, am Mittwoch an die Öffentlichkeit. Am Dienstag ist der Aufsichtsrat in Kenntnis gesetzt worden. Wie Neuhaus berichtet, sei der 36-Jährige im März und April mit Assistenztätigkeiten betraut gewesen. Selbst operiert habe dieser nie. Seinen letzten Nachtdienst habe er am 21. April geleistet. Vier Tage später habe sich der Personalvermittler gemeldet.
Der Libyer ist bereits zu drei Jahren und zehn Monaten Gefängnis, unter anderem wegen schweren Sozialbetrugs und eben wegen Urkundenfälschung, dank derer er sich damit Anstellungen an den Krankenhäusern Kassel und Hildesheim erschlichen hatte, verurteilt worden. Die Ermittlungen der dortigen Kriminalpolizei dauern aber noch an. Sie richten sich besonders gegen das Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen.
Bei diesem liege die Sorgfaltspflicht bei der Prüfung der Dokumente, erklärt Neuhaus, der von einer "renommierten und zuverlässigen Firma" außerhalb der Region spricht, mit der man seit längerem kooperiere. Die Zusammenarbeit werde jedoch eingestellt. Die Kliniken AG sei in diesem Fall "selbst der Geschädigte" und werde als Zeuge vernommen. Um Ansprüche gegen den Mann und den Vermittler geltend zu machen, habe sie die Weidener Rechtsanwaltskanzlei Brünnig, Michler & Blay eingeschaltet.
Gleich nach Bekanntwerden des Falls ist laut Neuhaus damit begonnen worden, die in dem entsprechenden Zeitraum behandelten Patienten ("700 bis 800 kommen in Frage) und Akten zu überprüfen. "Nach einer ersten Sichtung hat sich offenbar kein Patientenschaden ergeben", betont der Personalchef. "Als Assistenzarzt hat er nie alleine entscheiden dürfen." Die Untersuchungen seien inzwischen ausgeweitet worden, "um eine vollständige Aufklärung zu ermöglichen" und zu klären, ob Fehler vorliegen. In diesem Fall sei das Krankenhaus aufgrund des Patientenrechtegesetzes verpflichtet, behandelte Personen zu informieren. "Dafür gab es bisher keine Notwendigkeit", hebt Egginger hervor.
Bis die letzte Akte gesichtet ist, werden noch bis zu zwei Monate vergehen, schätzt er. "Dafür muss jedes Krankenblatt aus dem Archiv geholt und genau überprüft werden", erläutert der Ärztliche Direktor, der hier auf "Gründlichkeit vor Schnelligkeit" setzt.
Als medizinisch Verantwortliche nehmen die beiden Chefärzte in Kemnath, Dr. Florian Höhler (Chirurgie) und Dr. Gerhard Jilge (Innere Medizin), die Überprüfung vor. Die Staatsanwaltschaft wird sich laut Neuhaus anschließen. Sowohl Höhler als auch Jilge hätten sich bei Bekanntwerden "höchst betroffen" gezeigt. Beiden hätten "zu keinem Zeitpunkt Zweifel an der Approbation" des 36-Jährigen gehabt. Dieser sei stets selbstbewusst aufgetreten und habe die ihm übertragenen Aufgaben umgesetzt, was für Neuhaus "einen medizinischen Background, ohne etwas Offizielles zu haben", nahelegt. Die Recherche von Oberpfalz-Medien hat ergeben, dass der Mann wohl in seinem Heimatland Medizin studiert, das Studium aber nicht abgeschlossen hat.
Dass Krankenhäuser über Personalvermittler die Dienste von Medizinern buchen, sei in der Praxis „leider die Regel“, erklärt Martin Neuhaus. Dies sei dem Ärztemangel geschuldet. Er, Thomas Egginger und Thomas Baldauf verwehren sich aber dagegen, nur aufgrund dieses Falles alle ausländischen Mediziner unter Generalverdacht zu stellen. Die an den Häusern der Kliniken Nordoberpfalz AG tätigen Kollegen leisteten hervorragende Arbeit.
„Schwarze Schafe“ gebe es aber überall, bedauern sie. Wenn jemand die nötige kriminelle Energie aufbringe, sei es schwer, dessen Reputationen zu überprüfen. Dass man nicht nur in Weiden auf den 36-Jährigen hereingefallen ist, belegen Zeugnisse aus anderen Krankenhäusern. Auch liegt Neuhaus ein Dokument des Landesverwaltungsamtes Thüringen vor, das dem Libyer damit die Berufserlaubnis zuspricht.
Zwar hat den Betrüger nicht die Kliniken AG direkt selbst angestellt, hier wäre die Überprüfung der Dokumente deren Aufgabe gewesen, jedoch „ist es blöd, wenn man in der zweiten Reihe steht“, bemerkt Egginger. Seine, Neuhaus’ und Baldaufs „Sinne sind nun noch mehr geschärft“, ob man aber bei einer Vermittlung von Ärzten über Dritte Auskunft über deren Unterlagen erhalte, werde die Frage sein. Hier spielten Datenschutz- und Persönlichkeitsrechte eine Rolle, gibt der Ärztliche Direktor zu bedenken. Es bleibe lediglich, nach bestem Wissen und Gewissen auszuwählen. Und sollte doch jemandem (Personal, Patient oder Angehörige) etwas auffallen, werden entweder der Chefarzt oder die Verwaltung in Weiden dann das weitere Vorgehen initiieren. (luk)
Haha, wenn es nicht so ernst wäre. Und dann allgemeine Beschwichtigung, dass ja kein Patientenschaden entstanden sei, und wir ja so krassen Ärztemangel haben. Da holen wir schon mal aus dem Ausland hochgebildete Mediziner, - oder solche, die es gerne wären. Fällt ja nicht auf - welche in ihren Heimatländern selbst gebraucht würden. Wir müssen uns nicht über Medizinermangel beschweren. Dieser ist hausgemacht. Wenn ich höre, dass ein Bewerber mit nicht so guten Noten für ein Medizinstudium 7 Jahre Wartezeit hat kann ich nur sagen: Kein Geld für Medizinstudienplätze in Deutschland. Für was ist denn eigentlich Geld da bei über zwei Billionen Euro Bundesschulden?
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Ein "falscher Arzt" behandelt in Kemnath zwei Monaten lang Patienten, dies geschah im April und fünf Monate später wird erst die Bevölkerung und der Aufsichtsrat informiert? Was sollte denn hier vertuscht werden?
Seit wann darf ein Assistentarzt nie alleine entscheiden? Meines Wissens nach berechtigt die Appobation zur uneingeschränkten Ausübung des ärztlichen Berufs, wie z.B. auch zum Verordnen von Medikamenten usw.
Über die Tatsache, dass die Oberpfalz-Medien neuerdings Recherchen in Lybien betreiben, kann man noch mehr den Kopf schütteln.
Aber jetzt höre ich lieber auf den Kopf zu schütteln, sonst muss ich noch wegen eines HWS-Syndroms in ein Haus der Kliniken Nordoberpfalz AG. Gott bewahre! Man kann wirklich nur hoffen, dass die Tatsache zutrifft, dass allen 800 behandelten Patienten wirklich kein Schaden entstanden ist. Mir fehlt allerdings ein bisschen der Glaube daran bei dieser Faktenlage...
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