Kemnath
08.08.2019 - 16:29 Uhr

Fleisch-Steuer falscher Ansatz

In der Politik wird derzeit über eine höhere Mehrwertsteuer auf Fleisch diskutiert. Zwei lokale Experten melden sich dazu zu Wort.

Die geforderte Fleisch-Steuer sehen Profis aus der Region kritisch. Bild: dpa/Hendrik Schmidt/zb
Die geforderte Fleisch-Steuer sehen Profis aus der Region kritisch.

Herbert Thiem, Obermeister der Metzgerinnung im Bezirk Tirschenreuth, sieht den Vorschlag einer Steuererhöhung problematisch. "Das Fleisch-Dumping, wie es in Deutschland betrieben wird, wird dadurch sicherlich nicht einzudämmen sein", sagt er. Fleisch im Angebot sei bei Discountern und Verbrauchermärkten das "Lockmittel Nummer eins".

Um den höheren Steuersatz dann wieder auszugleichen, würden Großanbieter den Preis weiter drücken. Damit nicht genug. Das Fleisch-Dumping, wie es Thiem nennt, gehe jetzt schon häufig soweit, dass der Verkauf der Ware für die Supermärkte ein Draufzahlgeschäft sei. "Wenn ich das Kilo Hackfleisch für 2,99 Euro kaufen kann, dann ist das ein Preis, zu dem ich das Produkt gar nicht herstellen kann."

Es ist schier lächerlich, dass es das in Deutschland noch gibt, dass schon halb verendete Tiere in Schlachthöfe transportiert werden, nur um ein möglichst billiges Produkt zu bekommen.

Herbert Thiem

Herbert Thiem

"Gang und gäbe"

Kleine Metzgereibetriebe im Landkreis würden die Tiere zu den Preisen kaufen, die der lokale Landwirt von ihnen verlangt. "Für uns ist das gang und gäbe", sagt Thiem. Große Konzerne hingegen hätten aufgrund ihrer Stellung die Möglichkeit, den Landwirten einen Preis vorzuschreiben.

Thiem ist davon überzeugt: Wenn es um die Verbesserung des Tierwohls gehen soll, dann sei eine Steuererhöhung der verkehrte Weg. "Es wird sich nichts ändern, wenn die Mehreinnahmen nicht sinnvoll auf Investitionen in der Landwirtschaft umgelegt werden." Sicher gebe es einige Nutznießer, die große Mehrheit kleiner landwirtschaftlicher Betriebe werde aber nicht davon profitieren.

Das Problem sieht der Metzgerinnungs-Obermeister außerdem an einer völlig anderen Stelle. "In kleinen Familienbetrieben ist der Landwirt mit seinen Tieren quasi per Du. Er kennt jedes einzelne und schaut, dass keines krank wird." In den Fleisch-Großbetrieben hingegen passiere die "Sauerei". Er sei geschockt von den Praktiken mancher Betriebe. "Es ist schier lächerlich, dass es das in Deutschland noch gibt, dass schon halb verendete Tiere in Schlachthöfe transportiert werden, nur um ein möglichst billiges Produkt zu bekommen. Das ist der eigentliche Knackpunkt." Laut ihm ist nur eine Maßnahme sinnvoll: gezielte Kontrollen in Großbetrieben. "Die Konzerne müssten sich denselben Kontrollen unterziehen, die auch bei uns Kleinbetrieben gemacht werden." Es sei enorm wichtig, dass sich Verbraucher darüber bewusst würden, "was ein Stück Fleisch eigentlich wert ist".

BBV sieht Steuer kritisch

Auch der Bayerische Bauernverband zweifelt (BBV) am Erfolg einer Mehrwertsteuererhöhung. Kreisobmann für den Landkreis Tirschenreuth, Ely Eibisch, sagt: "Dem Tierwohl wird das nichts nützen." Im Gegenteil würde auf diese Weise Druck nach zwei Seiten hin erzeugt. "Entweder trifft es den Verbraucher, der mehr Zahlen muss, oder der Druck auf die regionalen Betriebe wächst."

Ihm zufolge müssten regionale Produkte aufgewertet werden. "Das kann mit einer Regionalitätsmarke funktionieren", sagt er. Diese sei wichtiger als das Bio-Gütesiegel. "Wenn ich Bio haben will, dann weiß ich immer noch nicht, woher das Produkt kommt. Weite Transportwege erzeugen zudem CO2." Das Bewusstsein der Menschen in der Region müsse sich ändern: "Was wir brauchen, ist eine Anerkennung der Regionalität. Der Verbraucher muss verstehen, dass das Fleisch, das von hier kommt, hochwertig ist."

Während importiertes Fleisch aus Südamerika oft von Tieren stamme, die genmanipulierte Futtermittel gefressen hätten, sei das bei den Betrieben in der Region nicht der Fall. 30 bis 40 Kühe hätten die Betriebe in der nördlichen Oberpfalz im Schnitt. Eibisch: "Bei uns steht das Tierwohl mit an oberster Stelle. Die Leute müssen sich mehr mit den regionalen Landwirten identifizieren. Sie sind es nämlich, die für dem hohen Standard in unserer Lebensmittelproduktion verantwortlich sind."

Von einer höheren Mehrwertsteuer profitierten letztlich nur die größeren, Fleisch produzierenden Konzerne. Eibisch: "Das ist doch genau das, was wir nicht haben wollen."

Was wir brauchen, ist eine Anerkennung der Regionalität. Der Verbraucher muss verstehen, dass das Fleisch, das von hier kommt, hochwertig ist.

Ely Eibisch

Ely Eibisch

Info:

Hintergrund

Unlängst hat der Tierschutzbund eine neue Debatte angestoßen. Eine höhere Steuer auf Fleisch soll eine Lenkungswirkung haben und so das Verhalten der Konsumenten ändern. Konkret lautet ein möglicher Vorschlag, die Mehrwertsteuer auf Fleisch- und Wurstwaren von 7 auf 19 Prozent zu erhöhen.Die zusätzlichen Einnahmen könnten zur Förderung des Tierschutzes in Ställen fließen. Umstritten ist, wer tatsächlich von der Steuererhöhung profitieren würde.

Kommentar:

Nicht weit genug gedacht

Eigentlich ist eine Regulierung, die eine nachhaltigere Tierhaltung und weniger Fleischkonsum zum Ziel hat, eine gute Sache. Allerdings ist es wohl tatsächlich nicht weit genug gedacht, das über die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleisch umsetzen zu wollen. Denn einen Faktor scheint die Politik dabei außer Acht zu lassen: Supermarkt-Ketten wollen sich ständig mit noch niedrigeren Preisangeboten gegenseitig übertrumpfen.
Vermutlich werden die Discounter die Steuererhöhung wohl kaum ganz auf den Verbraucher abwälzen. Das würde potenzielle Kunden abschrecken. Sollten Verbrauchermärkte aber ihre Gewinnspanne verkleinern, um die Produkte weiter so billig zu verkaufen, wäre der Sinn der Steuererhöhung schon verfehlt. Was bleibt ist die dritte Option: Supermarkt-Ketten werden versuchen, den Preis für die Fleischherstellung weiter zu drücken. Aus rein ökonomischen Gesichtspunkten ist das für die Großanbieter sicherlich sinnvoll. Zuträglich für nachhaltigere Tierhaltung wäre das aber sicherlich nicht.

Wolfgang Ruppert

 
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