Doch illustrierte gerade dieser Archivfund, wie wichtig sowohl Kaiser Wilhelm II. als auch seine Entourage das junge Medium der bewegten Bilder nahmen.
Wahrscheinlich lag es an der gleichzeitig im Fernsehen übertragenen Veitshöchheimer Faschings-Prunksitzung, dass am Freitagabend nur etwa 20 Besucher der Einladung des Heimatkundlichen Arbeits- und Förderkreises (HAK) gefolgt waren, der im Raum der Musikautomatenausstellung "Musikeum" Schamonis biographische Filmcollage über den - so Heimatmuseumsleiter Anton Heindl - "letzten deutschen Kaiser und ersten deutschen Medienstar" zeigte. Die Wurzeln für Wilhelms Freude an Aktionismus und Selbstdarstellung lägen in seiner Kindheit: Von einem ärztlichen Kunstfehler bei seiner Geburt habe er einen verkrüppelten Arm zurückbehalten. Seine aus diesem Handicap resultierende Überempfindlichkeit habe er mit demonstrativem Selbstbewusstsein auszugleichen versucht.
Wilhelms Vorbild sei Friedrich der Große gewesen, was so weit gegangen sei, dass er selbst für eine Friedrich-Statue, die an der Berliner Siegesallee aufgestellt werden sollte, Modell gestanden habe. In seinem legendären Verwandten habe der Kaiser auch einen "König der Armen und Bedrückten" gesehen, dem er in dieser Hinsicht beispielsweise durch die Gründung des "Kaiser-Wilhelm-Ferienheims" im Ostseebad Ahlbeck für arme Stadtkinder nachgeeifert habe: "Als Volkskaiser wollte er in die Geschichte eingehen, vom allgemeinen Aufschwung sollte keiner ausgeschlossen sein", heißt es im Film.
Die Festigung der gesamtdeutschen Identität im frisch geeinten Kaiserreich habe Wilhelm am Herzen gelegen, weshalb er den Ausbau Berlins zu einem repräsentativen "Mittelpunkt einer jungen Weltmacht" und den Denkmalsbau gefördert habe. In jeder größeren Stadt seien Reiterstandbilder seines Großvaters Wilhelm I. enthüllt worden, unter dem sich die "historische Sendung der Hohenzollern, die deutsche Einheit", erfüllt habe. In der Kunst habe Wilhelm II. ebenfalls ein Mittel im Dienst der nationalen Identitätsbildung gesehen und zu manchem Historiengemälde Entwurfsskizzen als Vorlagen für Künstler gefertigt.
Auch um seine Person habe sich alsbald eine "kulthafte Verehrung" entfaltet, die durch weit verbreitete Portraitpostkarten, unzählige In- und Auslandsreisen und zahllose Foto- und Filmaufnahmen befeuert worden sei. Dies habe zur technischen Vervollkommnung der anfangs wegen ihrer Primitivität "nicht hoffähigen" Filmtechnik beigetragen: 1913 sei bei der Hochzeit von Kaisertochter Viktoria Luise sogar ein erster "Farbfilm" durch das Übereinanderkopieren dreier simultan mit Rot-, Grün- und Blaufilter angefertigter Filmaufnahmen entstanden.
Doch nur bei sonnigem "Kaiserwetter" habe sich der Monarch filmen lassen, um buchstäblich "ins richtige Licht gesetzt" werden zu können: "Majestät brauchen Sonne." "Wäre er 1913 gestorben oder hätte abgedankt, gäbe es keinen Zweifel, dass seine Epoche, die wilhelminische, zu Recht seinen Namen trug, denn damals konnte sich die Bilanz seiner Herrschaft in vieler Hinsicht sehen lassen." Im Blickpunkt
Zuletzt nur „Schattenkaiser“
Kemnath. (bjp) Die Kriegsbegeisterung von 1914 habe auch Kaiser Wilhelms Beliebtheit nochmals Vorschub geleistet, zumal der Monarch öffentlich versprochen habe, die deutschen Soldaten würden bis Weihnachten wieder daheim sein, heißt es in Peter Schamonis vom Heimatkundlichen Arbeitskreis vorgeführtem Dokumentarfilm „Majestät brauchen Sonne“: „Doch im dritten Kriegsjahr, nach Millionen Toten und Verwundeten und einer Hungersnot in der Heimat, sank seine Popularität auf Null.“
Vergebens habe eine neu gegründete „Reichsstelle für Propaganda“ gegenzusteuern versucht. Zudem sei Wilhelm II. „den nervlichen Belastungen des Krieges auf Dauer nicht gewachsen“ gewesen und in Depressionen verfallen. Ab 1916 habe die Oberste Heeresleitung alle militärischen Entscheidungen an sich gezogen, der Umsturz von 1918 habe die Entmachtung des „Schattenkaisers“ vollendet. Doch auch im niederländischen Exil habe sich der gestürzte Herrscher gern filmen und fotografieren lassen.
Bernhard Weigl beschwört Geister
Kemnath. (bjp) Für Freitag, 15. März, ab 19 Uhr lädt der Heimatkundliche Arbeitskreis zu einem Vortrag mit Bernhard Weigl über „Geisterbeschwörung in Kemnath“ ins „Musikeum“ ein. Der Manteler Heimatforscher lässt unter anderem den „Geist des Culimetto“ umgehen, einen „großen Mann mit roter Jacke und abstehenden Eselsohren, der nach seinem Erscheinen einen unnatürlichen Gestank hinterließ“, wie selbst der Kemnather Nachtwächter vor gut zweieinhalb Jahrhunderten in Vernehmungen beteuerte.
Weitere „Leckerbissen“ aus Protokollen des Hauptstaatsarchivs München führen in Geheimnisse der verbotenen Hexerei und der damit verbundenen Schatzsuche sowie in das „zauberhafte“ Geschehen um Freifrau Maria Magdalene Junker auf Schloss Rupprechtsreuth, deren Förster Franz Peter alias „Hexenpeter“, den Bayreuther Michel Braun und den Kemnather Glaser Lenz um das Jahr 1746 ein. Der Eintritt ist frei.
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