Kirchenthumbach
23.04.2020 - 11:40 Uhr

Hamstern früher und heute

"Der Wahnsinn nimmt zu, die Vernunft bleibt schlank". Zu dieser Erkenntnis kam einst ein unbekannter Aphoristiker. Aktuell ist diese Erkenntnis ist immer noch – vor allem in der Coronakrise.

Ein Kochkurs fand in den 50er Jahren im Elisabethenheim und später in der Schulküche der Mädchenschule. Die Teilnehmerinnen, die diesen Lehrgang absolvierten, waren heiratsfähig. Sie lernten aber auch, Vorräte für schlechte Zeiten anzulegen. Repro: ü
Ein Kochkurs fand in den 50er Jahren im Elisabethenheim und später in der Schulküche der Mädchenschule. Die Teilnehmerinnen, die diesen Lehrgang absolvierten, waren heiratsfähig. Sie lernten aber auch, Vorräte für schlechte Zeiten anzulegen.

Das Wort "Hamsterkäufe" ist in aller Munde. Die Regale der Supermärkte werden leer gekauft. Vieles erinnert zurzeit an die Arche Noah. Noah erhielt von Gott den Auftrag, eine Arche zu bauen, damit er sich und seine Familie vor einer großen Flut retten kann. Soweit die biblische Erzählung nach den Buch Genesis zum Thema Rettungsgeschichte.

Heute, einige tausend Jahre später, werden Klopapier, Nudeln, Reis und Konserven in den häuslichen Archen bzw. Vorratskammern gebunkert. Unglaublich, welche Mengen Toilettenpapier nach Hause geschleppt werden.

Viele Frauen halfen mit beim Kartoffelklauben. Der Lohn waren Kartoffeln zum Einkellern. Das Essen wurde auf den Acker gebracht. Unser Bild zeigt die Erntehelfer beim Erdäpfelgrom auf dem Feld des Blechmüllers. Repro: ü
Viele Frauen halfen mit beim Kartoffelklauben. Der Lohn waren Kartoffeln zum Einkellern. Das Essen wurde auf den Acker gebracht. Unser Bild zeigt die Erntehelfer beim Erdäpfelgrom auf dem Feld des Blechmüllers.

Apropos Toilettenpapier: Klopapier in der jetzigen Rollenform gab es früher nicht. Glücklich war der, der sich eine Zeitung leisten konnte. Mangels Geld beschränkten sich die Abos auf die Samstag- und Mittwochausgaben. Hatte die ganze Familie die Zeitung gelesen, griffen Vater oder Mutter zu einem scharfen Messer und schnitten die Zeitung auf brauchbare Größe zu, ehe sie im "Heisl" an einem Nagel landeten. War das Papier verbraucht, besann man sich auf Wasser, einen Lappen und Seife – meist Kernseife und auch Schmierseife – zum Säubern des Hinterns. Parfümierte Pflegeseife konnten sich nur die Großkopferten leisten.

Vorrat angelegt, um über den Winter und durch schlechte Zeiten zu kommen, wurde das ganze Jahr über. Alles, was im eigenen Garten gewachsen ist, wurde verwertet und eingekocht. Gelbe Rüben beispielsweise wurden im Keller in Sand gebuddelt. Gemüse aller Art, ob Bohnen, Erbsen oder auch Beeren, wurden eingekocht. Eingeweckt wurden auch Obst, egal ob Äpfel, Birnen, Stachelbeeren, Zwetschen oder Kirschen. Die Herstellung von Marmelade beherrschte jede gute Hausfrau perfekt. Im Elisabethenheim fanden regelmäßig Kochkurse für angehende Hausfrauen statt. Die jungen Frauen lernten die Kunst des Kochens und Backens von Klosterschwestern. Wer erfolgreich daran teilgenommen hatte, war tauglich für die Ehe.

Ruhig war es im Bereich des Marktplatzes. Selten kam ein Auto. Gänse und Hühner beherrschten die Szene (unten links). Repro: ü
Ruhig war es im Bereich des Marktplatzes. Selten kam ein Auto. Gänse und Hühner beherrschten die Szene (unten links).

Die Bratkartoffeln, die Pommes des kleinen Mannes, standen oft auf der Speisenkarte. Im Keller wurden je nach der Anzahl der Familienmitglieder und des Kleinviehs im Herbst Erdäpfel eingelagert. Die Frauen halfen den Bauern beim "Erdäpfelgrom". Der Lohn dafür waren Kartoffel. Bezahlt wurde in Naturalien. Geld spielte eine untergeordnete Rolle. Die Männer gingen meist "Stempeln", sie waren arbeitslos – da kam die Beerenzeit gerade recht. Papa, Mama und Kinder durchstreiften die Wälder und sammelten Schwarzbeeren, Preiselbeeren und Pilze. In Kirchenthumbach gab es mehrere Händler, die die Waldfrüchte, die nicht selbst gebraucht wurden, aufkauften.

Doch die Nachkriegsgeneration ernährte sich nicht nur von Kartoffeln, Kraut und Brot. Wer einen Garten hatte, fütterte Stallhasen, Hühner und Enten. Hin und wieder hörte man auch Ziegen meckern und Schafe blöken. Die Ziegen wurden scherzhaft "Eisenbahnerkühe" genannt. Für die legefaule Zeit der Hühner wurde vorgesorgt. Rohe Eier wurden in Wasserglas gelegt. Bis zu sechs Monate lang konnte man auf frische Eier zurückgreifen. Einige Hausfrauen legten gekochte Eier auch in Kochsalzlösung ein. Diese Eier wurden Soleier genannt und waren sehr schmackhaft.

Eine Kirchenthumbacher Familie hält sich auf einer Wiese unterhalb der Bergkirche auf. Mit dabei ist auch auch eine Herde Gänse. Repro: ü
Eine Kirchenthumbacher Familie hält sich auf einer Wiese unterhalb der Bergkirche auf. Mit dabei ist auch auch eine Herde Gänse.

Mehr oder weniger Selbstversorger waren die kleinen Landwirte. Fast in jedem Haus im Ortskern standen Kühe im Stall und auch Schweine und Geflügel wurden gezüchtet. Die Kühe waren nicht nur Milch- und Fleischlieferanten, sie kamen auch als Zugtiere zum Einsatz. Mindestens einmal im Jahr wurde ein Schwein geschlachtet. Hausmetzger waren in den 50er Jahren Anton Kißler (Schmurgl Toni) und Johann Strauß, auch "der Dallmeier" (Doimoia) genannt. Die Fleischbeschau nahm August Bernhard (Biener August) vor. Bevorzugte Wurstprodukte waren Presssack, Blut- und Leberwürste, Bratwürste und Krautwürste. Dazu wurde eigens Kraut gehobelt. Schmunzelnd wurde damals erzählt: " Die Krautwürste kannst auch am Karfreitag essen, des brauchst net beichten". Es war ein Hinweis, dass Fleischteile im Wurstdarm kaum sichtbar waren.

Auch viele kleinen Leute, Gütler oder Häusler genannt, fütterten ein Schwein groß oder kauften sich ein solches von einem Bauern. Die Würste wurden geräuchert und auf den Dachboden gehängt.

Delikatessen waren Geräuchertes (as G'selchte) und die Dosen oder Gläser, in denen Fleisch und Bratwurstgehäck eingekocht wurden. War alles bevorratet, hörte man oft die Worte: "So jetzt homa alles, werme scho übern Winta kumma." Und so war es auch, zumindest meistens.

Selbstversorger waren die kleinen Bauern, die sich von ihrer kleinen Landwirtschaft ernährten. Das Foto stammt aus dem Jahr 1954 und zeigt Josef und Barbara Lindner (Pislhansn) mit ihrem Kuhgespann. Repro: ü
Selbstversorger waren die kleinen Bauern, die sich von ihrer kleinen Landwirtschaft ernährten. Das Foto stammt aus dem Jahr 1954 und zeigt Josef und Barbara Lindner (Pislhansn) mit ihrem Kuhgespann.
 
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