Kirchenthumbach
18.02.2019 - 19:04 Uhr

Studierstube im Kirchhof

Seit rund 460 Jahren wird in Kirchenthumbach Schulunterricht erteilt. Aktuell wird das Thema "Schulgebäude" unter den Bürgern, vor allem unter der Elternschaft, heiß diskutiert.

Das Ehepaar Frieda und Johann Müller stand in Diensten der Gemeinde. Sein Auftrag: Beheizen des Schulgebäudes mit Holz und Eierbriketts sowie Reinigungsarbeiten. Repro: rfü
Das Ehepaar Frieda und Johann Müller stand in Diensten der Gemeinde. Sein Auftrag: Beheizen des Schulgebäudes mit Holz und Eierbriketts sowie Reinigungsarbeiten.

Seit die ursprünglichen, bis 2014 vorgenommenen Planungen verworfen wurden, weiß niemand so richtig, was Sache ist. Ende 2018 sollte eine Lösung in Form einer Machbarkeitsstudie präsentiert werden, am Mittwoch in der Sitzung des Marktgemeinderats ist es nun soweit. Gleich im Anschluss wird das Gremium über eine Sanierung oder einen Ersatzneubau entscheiden. Für manche ist das 1928 erbaute Schulhaus ein bedeutendes und ortsprägendes Gebäude. Aussagen des Landesamts für Denkmalpflege dazu sind aber nicht bekannt. Deshalb folgt hier ein Versuch, die Schulhausgeschichte aufzuarbeiten.

Laut Aufzeichnungen und Überlieferungen wurde um das Jahr 1580 im Kirchhof hinter mächtigen Mauern die erste Schulstube eingerichtet, auch Studierstube genannt. Lehrer waren die lutherischen und kalvinischen Pfarrer Johann Fleischmann und Sonnleitner. In den Genuss des Lernens kamen allerdings nur Knaben. Um 1680 ist von zwei Schulen mit Lehrerwohnung nahe dem Rathaus mitten am Marktplatz die Rede. 1770 wurde der Schulbesuch zur Pflicht. Bald entstand eine dreiklassige Landschule.

Im Jahr 1803 wurde protokolliert: "Der Marktschule Thumbach droht alle Tage der Einsturz." Der Magistrat reagierte, allerdings sehr spät. Erst in den Jahren 1814/1815 wurde ein neues Schulhaus, ein massiver Quaderbau, errichtet. Die Gemeinde war, wie jetzt auch, verschuldet. Die Lösung: Das Rathaus wurde abgerissen, die Dachziegel wurden für die neben der Pfarrkirche entstehende Schule verwendet.

"Feiertagsschule"

Doch bald war sie wieder zu klein. Am 1. Februar 1890 wurde das neue Knabenschulhaus, in dem jetzt die Sparkasse untergebracht ist, bezogen. Die alte Schule nebenan diente als Lehrerwohnung, nach dem Zweiten Weltkrieg befand sich darin die Gemeindeverwaltung. Mit dem Neubau der Pfarrkirche wurde das Haus um 1972 abgerissen, und die Gemeindeverwaltung zog in das Turnerhaus um, das alles andere als eines Rathauses würdig war.

Im Knabenschulhaus war auch die "Feiertagsschule" untergebracht, bei der der Unterricht an Samstagen und Sonntagen erfolgte. Befeuert wurden beide Schulgebäude mit Holz- und Kohleöfen aus Gusseisen. 1928 wurde ein modernes Mädchenschulhaus mit vier Klassenzimmern an das Elisabethenheim angebaut. Den Unterricht übernahmen Klosterschwestern aus Dillingen. 1955 folgte der Erweiterungsbau der Knabenschule mit weiteren vier Schulsälen, die im Herbst 1956 bezogen wurden. Das Material, überwiegend Reichsformat-Backsteine, wurde vom Gut Luisenhof geholt, das wegen der Vergrößerung des Truppenübungsplatzes abgerissen wurde. Die Burschen mussten im Schulhof mit einer alten kleinen Axt die restlichen Mörtelreste entfernen.

Unter freiem Himmel

Während der Bauphase kam es vor, dass wegen Platzmangels der Unterricht im kleinen Saal des Josefshauses oder im Pfarrhof unter freiem Himmel erfolgte. In das 1890 erbaute Schulhaus zog eine Näherei ein, in der von Frauen überwiegend Handschuhe gefertigt wurden. Das Hauptschulgebäude, das heute dem Autoteile-Versandhändler ATP gehört und dessen Verwaltung beherbergt, entstand 1971. 1984 wurde im Kellergeschoss der Knabenschule eine neue Schulküche eingerichtet.

1985 folgte der Umbau der Grundschule. Dabei bekam der Schulkomplex neben einem Mehrzweckraum, einem Handarbeitsraum und einem Förderlehrerzimmer ein Zwiebeltürmchen aufgesetzt, in dem die Sirene für Feuer- und Katastrophenalarm installiert wurde.

Mit der Realisierung der Gebietsreform ab 1972 wurden die Volksschulen Sassenreuth, Thurndorf, Neuzirkendorf und Heinersreuth nach und nach aufgelöst. Die Kinder von dort wurden in der Folgezeit in Kirchenthumbach unterrichtet. Es wurden eigens Schulbuslinien eingerichtet, die heute noch aktuell sind.

Dramatischer Rückgang und ein zusätzliches Problem:

Weniger Geburten, mehr Übertritte

Zurzeit besuchen rund 140 Kinder die Grund- und Mittelschule, die von Andrea Wolfram geleitet wird. 1982 zum Beispiel waren es noch 505 Mädchen und Buben.

Den dramatischen Rückgang erklärt der ehemalige Marktgemeinderat und Bürgermeister Fritz Fürk durch die Geburtenentwicklung und auch durch die Einführung der sechszügigen Realschule, beginnend im Schuljahr 1999/2000. Der Übertrittsboom an weiterführende Lehranstalten habe die Landschulen ebenfalls geschwächt. In Kirchenthumbach gingen zwischen 60 und 70 Prozent der eingeschulten Kinder an weiterführende Schulen, was aber auch für eine gute Ausbildung in der Grundschule spreche.

Eine Aufwertung des Schulstandorts erhoffte man sich durch eine intensive Zusammenarbeit mit der Grundschule Schlammersdorf/Oberbibrach, berichtet Fürk aus seiner Zeit als Kommunalpolitiker. Mehrfach habe es von seiten der Marktgemeinde Kirchenthumbach Anfragen und Angebote an die Partner in der Verwaltungsgemeinschaft gegeben. Die Versuche seien jedoch an der ablehnenden Haltung der Kommunalpolitiker und teilweise auch der Eltern aus den VG-Mitgliedsgemeinden Vorbach und Schlammersdorf gescheitert.

Ein weiteres Problem tue sich inzwischen auf, merkt Fürk an: An der Grund- und Mittelschule gebe es keine Räumlichkeiten für eine Ganztagsbetreuung. Der Probelauf dafür habe bereits im Schuljahr 2002/2003 in Zusammenarbeit mit dem Kinderhaus St. Elisabeth erfolgreich stattgefunden, wo seitdem eine Ganztagsbetreuung – damals die erste im Landkreis – angeboten werde. Initiatoren seien damals er selbst als Bürgermeister und Gerd Dettenhöfer als Rektor gewesen.

Doch mit Ende des Schuljahres 2018/2019 sei Schluss damit, betont Fürk. Das Kinderhaus brauche die Räume selbst für die Kindertagesstätte. Das wisse die Kommune schon seit einigen Jahren. Eine Ganztagsbetreuung müsse in der Grund- und Mittelschule jedoch gewährleistet sein, sonst könnten über ihr dunkle Wolken aufziehen. (exb)

Die Grund- und Mittelschule heute. Es ist ein ortsprägender Komplex. Repro: rfü
Die Grund- und Mittelschule heute. Es ist ein ortsprägender Komplex.
Im Jahre 1928 wurde das stattliche Mädchenschulhaus erbaut. Den Unterricht erteilten in den Anfangsjahren Klosterschwestern aus Dillingen. Repro: rfü
Im Jahre 1928 wurde das stattliche Mädchenschulhaus erbaut. Den Unterricht erteilten in den Anfangsjahren Klosterschwestern aus Dillingen.
Das neue Knabenschulhaus, erbaut 1890, hatte zwei Schulsäle. 1956 zog in das Gebäude eine Näherei ein, die vielen Frauen Arbeit bot. Später kaufte es die Sparkasse. Repro: rfü
Das neue Knabenschulhaus, erbaut 1890, hatte zwei Schulsäle. 1956 zog in das Gebäude eine Näherei ein, die vielen Frauen Arbeit bot. Später kaufte es die Sparkasse.
Ein massiver Quaderbau war das 1814/1815 erbaute Schulhaus neben der Kirche „in der Windt“. Später war darin die Gemeindeverwaltung untergebracht. 1972 musste das Gebäude dem Kirchenbau weichen. Repro: rfü
Ein massiver Quaderbau war das 1814/1815 erbaute Schulhaus neben der Kirche „in der Windt“. Später war darin die Gemeindeverwaltung untergebracht. 1972 musste das Gebäude dem Kirchenbau weichen.
Der Schulkomplex Elisabethenheim, Mädchenschulhaus und Knabenschulhaus-Erweiterung (von links): Die Luftaufnahme stammt aus dem Jahr 1968. Vier Jahrzehnte zuvor war das stattliche Mädchenschulhaus erbaut worden. Den Unterricht erteilten in den Anfangsjahren Klosterschwestern aus Dillingen. Repro: rfü
Der Schulkomplex Elisabethenheim, Mädchenschulhaus und Knabenschulhaus-Erweiterung (von links): Die Luftaufnahme stammt aus dem Jahr 1968. Vier Jahrzehnte zuvor war das stattliche Mädchenschulhaus erbaut worden. Den Unterricht erteilten in den Anfangsjahren Klosterschwestern aus Dillingen.
 
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