Sieben Jahre, so sagt man, dauert es im Schnitt, bis eine Entwicklung in Deutschland auch in Österreich übernommen wird. Im neuen Jahr hingegen wird der Nachbar zum politischen Vorreiter mit der Bildung einer konservativ-grünen Regierung - eine Konstellation, mit der hierzulande auch Fans der Umwelt-Bewegung liebäugeln. Als fortschrittlich wird der Pakt zwischen ÖVP-Chef Sebastian Kurz und dem Grünen-Urgestein Werner Kogler in den hiesigen Kommentarspalten gefeiert. Aus Sicht der Alpenrepublik ist das türkis-grüne-Farbenspiel aber nicht mehr als ein Zweckbündnis - der Alternativlosigkeit geschuldet.
Die Euphorie ist in Österreich entsprechend zurückhaltender, auch wenn sich viele nach dem Wirbel um das Ibiza-Video wieder mehr Ruhe wünschen. Eine große Ösi-Öko-Revolution zeichnet sich ohnehin nicht ab: Die ÖVP-Spitze wird freilich nicht plötzlich zu radlfahrende Jutebeutel-Apologeten. Im Gegenteil: Kurz als versierter Machtpolitiker wird dafür sorgen, dass der stramme Mitte-Rechts-Kurs seiner Volkspartei durch den grünen Beifahrer keinen Linksdrall bekommt. Das zeigt sich auch im knapp 300 Seiten umfassenden Regierungsprogramm, das viele Vorhaben der rechtskonservativen Vorgängerregierung aufgreift, ergänzt um grüne Fußnoten. Dafür bestimmen wieder Themen statt Skandale die Schlagzeilen.
Das freut auch Berlin: Kurz und Kogler sind als eingefleischte Europäer verlässlichere Partner als zuvor die FPÖ mit ihren Avancen in Richtung Putin-Russland.
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