Lückenrieth bei Leuchtenberg
12.04.2019 - 12:37 Uhr

Das Kreuz mit dem Netz

Der Handyempfang in Lückenrieth bei Leuchtenberg ist schlecht. Heribert Lindner hat deshalb einen ausgedienten Strommasten vom Bayernwerk vor der Demontage gerettet. Er hofft, ein Mobilfunkanbieter bringt einen Verstärker darauf an.

Der Lückenriether Heribert Lindner möchte einen Mobilfunkanbieter dafür gewinnen, auf dem stillgelegten Strommasten einen Verstärker fürs Handynetz zu platzieren. Im Hintergrund die Burg Leuchtenberg. Bild: fz
Der Lückenriether Heribert Lindner möchte einen Mobilfunkanbieter dafür gewinnen, auf dem stillgelegten Strommasten einen Verstärker fürs Handynetz zu platzieren. Im Hintergrund die Burg Leuchtenberg.
Der Lückenriether Heribert Lindner möchte einen Mobilfunkanbieter dafür gewinnen, auf dem stillgelegten Strommasten einen Verstärker fürs Handynetz zu platzieren. Im Hintergrund die Burg Leuchtenberg. Bild: fz
Der Lückenriether Heribert Lindner möchte einen Mobilfunkanbieter dafür gewinnen, auf dem stillgelegten Strommasten einen Verstärker fürs Handynetz zu platzieren. Im Hintergrund die Burg Leuchtenberg.

Die Bayerische Staatsregierung möchte alle "weißen Flecken" beim Mobilfunkempfang beseitigen. Lückenrieth ist nicht Teil des Förderprogramms. Die Gründe kann Heribert Lindner nicht nachvollziehen. "Irgendwo in Lückenrieth gibt es Empfang", spekuliert er. "Ich weiß nicht, wo das sein soll. Da müsste ich die Nadel im Heuhaufen suchen." Mit der Umstellung seines Festnetzanschlusses auf Internet-Telefonie (IP-Telefonie) vor rund drei Jahren häuften sich die Probleme für den 66-Jährigen. Denn inzwischen hat er nicht nur keinen Handy-Empfang, auch das Festnetztelefon fällt gelegentlich aus. "Ich kann ja keinen Notruf absetzen. Da muss ich zwei Kilometer fahren, bis ich ein Netz erwische." Der Mühlenbäcker sagt, seine Frau habe eine Herzschwäche, jemand habe in seinem Haus schon einen Schlaganfall gehabt, und es hat auch schon gebrannt. "Wenn da eine Kleinigkeit ist, wie soll ich telefonieren? Der Staatsanwalt fragt mich nur, ob ich mich gekümmert habe und nicht nach dem Telefon. Wenn ich nichts mache, ist es unterlassene Hilfeleistung."

In seiner Not ist er bei einem Festnetzausfall auch schon zur Polizei Vohenstrauß gegangen. Die konsternierten Beamten wussten auch keine bessere Lösung, als selbst bei der Telekom anzurufen. Lindner bekommt die Zusage auf ein Satellitentelefon, falls sich nichts tut. "Dann komme ich nach Hause, plötzlich ging das Telefon. Da war in Michldorf bei der Verteilstation ein Chip kaputt. Das Wechseln hat vier Tage gedauert."

Es gibt keine Verpflichtung für einen Anbieter, da was zu installieren. Das interessiert die nicht die Bohne, und so haben sie es auch wörtlich gesagt.

Bürgermeister Anton Kappl

Nie richtig Empfang

In Lückenrieth hat das Handynetz noch nie richtig funktioniert. Das betrifft alle 53 Einwohner. Für die Anbieter lohnt sich der Lückenschluss nicht. "Wir sind in einer Mulde", sagt Andreas Gruber per Festnetztelefon. "Wo ich sitze, wäre ich auf dem Handy nicht erreichbar", erklärt er. "Wenn der Nachbar Onlineüberweisungen macht, fährt er auf den Berg, bekommt seine TAN, dann fährt er heim und gibt sie in den Computer ein." Jeder habe so seinen Fleck, an dem er es mit dem Telefonieren probiere. "Einer geht auf den Balkon, manche auf den Dachboden." An kaum einem Ort im Landkreis dürften sich die Einwohner so über trübes Wetter freuen: Dann ist der Empfang besser, bei schönem Wetter dagegen sehr schlecht. "Du gehst über den Hof, und wenn du Empfang gefunden hast, darfst du dich nicht mehr bewegen", erklärt der 45-Jährige. Das Festnetz sei schon öfter ausgefallen. "Und was machst du dann? Dann fährst du auf den Berg zum Telefonieren, hängst ein bis zwei Stunden in der Servicenummer, dann sagen sie, sie brauchen Daten, die du nicht hast. Dann musst du wieder heim und dann wieder auf den Berg. Da sind Tage vergangen, bis du überhaupt eine Meldung absetzt."

Vor allem um seine Biogasanlage macht sich der Landwirt Sorgen. "Wenn eine Störung ist, bekomme ich eine Meldung ans Telefon oder Handy. Das funktioniert natürlich auch nur, wenn ich Empfang habe oder das Telefon funktioniert. Wenn eine richtige Störung ist, kann's die Anlage zerreißen. Das ist wirklich ein Problem, und das ist nicht jedem bewusst." Bisher musste der Lückenriether nur finanzielle Verluste hinnehmen. Normalerweise würde das System weniger Strom einspeisen, wenn sich der Marktpreis verschlechtert. Aber wenn der Empfang ausfällt, weiß er davon nichts. "So produziere ich Strom, der eigentlich nicht gebraucht wird." Das komme 10 bis 20 mal im Jahr vor.

Der Staatsanwalt fragt mich nur, ob ich mich gekümmert habe, und nicht nach dem Telefon. Wenn ich nichts mache, ist es unterlassene Hilfeleistung.

Heribert Lindner

Strommast soll's richten

Mühlenbäcker Lindner hatte nun eine Idee: Das Bayernwerk verlegte eine Mittelspannungsleitung von Lückenrieth nach Leuchtenberg unter die Erde. Einen der Stahlmasten hat sich Lindner gesichert. Er steht auf seinem Grundstück, und darauf möchte er einen Verstärker fürs Handynetz anbringen lassen. "Ich habe einen Bekannten aus Georgenberg, der ist Diplomingenieur und war früher bei der Telekom. Ich habe ihm die Lage geschildert. Der hat gesagt, das könnte gehen."

Bürgermeister Anton Kappl, an seinem freien Vormittag in Wieselrieth wegen schlechten Empfangs zunächst auf dem Handy nicht erreichbar, informiert per Festnetz: Die Anbieter könnten sich ja nicht mit jedem einzelnen Bürger herumschlagen, wo ein Mast gebaut werden soll. Das hätten sie ihm beim Empfang der Regierung der Oberpfalz zum Mobilfunkförderprogramm gesagt. "Das wollen sie den Gemeinden überlassen." Leuchtenberg sei allerdings nicht im Förderprogramm. "Es gibt keine Verpflichtung für einen Anbieter, da was zu installieren. Und da hat auch keiner ein Interesse daran. Das interessiert die nicht die Bohne, und so haben sie es auch wörtlich gesagt: 'Das ist für uns wirtschaftlich nicht umsetzbar.'" Kappl hat bisher noch keinen Kontakt zu den Anbietern aufgenommen, um die Frage zu klären, ob sie bereit wären, auf Lindners Mast einen Verstärker zu installieren. Die Gemeinde sei dabei auf Verhandlungen angewiesen. Einen rechtlichen Anspruch gebe es nicht.

Wenn der Nachbar Onlineüberweisungen macht, fährt er auf den Berg, bekommt seine TAN, dann fährt er heim und gibt sie in den Computer ein.

Andreas Gruber

Glosse:

Digitale Beschwörungsrituale

Es ist etwa 20 Jahre her, dass die Handys ihren ersten großen Boom hatten. Seither hat sich nach den Worten der Lückenriether für die 53 Einwohner nichts an der Empfangssituation geändert. Die besondere geographische Lage hat die Entwicklung digitaler Beschwörungsrituale begünstigt, die sonst eher an das Mittelalter erinnern. Da pilgert der eine für sein Online-Banking auf den Berg zum Marterl, der andere geht wie ein Wünschelrutengänger über den Hof, auf der Suche nach Empfang. Steht das Telefonat mit der Freundin an, lohnt es sich, ein paar Bauernregeln für trübes Wetter zu kennen. Neueste Pilgerstätte könnte der kreuzförmige Strommast von Heribert Lindner werden. Der Mühlenbäcker versucht in der Not, eine kreative Lösung zu finden und geht einen Schritt auf die Anbieter zu. Es sollte jetzt doch nach so vielen Jahren Beinahe-Funkstille etwas passieren, bevor Lückenrieth in die Geschichte eingeht als erster Ort, in dem wegen eines schlechten Handynetzes eine Biogasanlage explodiert ist. (dko)

 
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