Für 7500 geleistete Arbeitsstunden für 5000 Euro? Das ist eindeutig ein schlecht bezahlter Job. Wäre da nicht die Symbolik, die dahinter steckt. Der Markt Mähring bekommt diese Summe in Verbindung mit dem Denkmalpreis des Bezirks Oberpfalz. Am Donnerstag, 4. Oktober wurde der Preis in Walbenbach im Bayerischen Wald verliehen. Er steht symbolisch für einen Kraftakt des Ortes und ist deshalb für die Mähringer „Gold“ wert.
Gegenstand dieser Ehrung ist das historische Schul- und Rathaus. Wo einst Kinder Rechnen und Schreiben lernten, Bürgermeister Entscheidungen fällten und täglich Bürger ein- und ausgingen, legte sich plötzlich ab 1978 Staub über eine eingekehrte Stille. Das schöne Gebäude stand leer und verfiel immer mehr. Damals war Mähring aus Geldmangel zur Untätigkeit verdammt. Die Bürger mussten zuschauen, wie ihr schöner Ortskern zum Schandfleck wurde. „Dabei war es unser größter Wunsch, das Schulhaus hergerichtet“, erzählt Josef Schmidkonz.
Offene Türen
Der Bürgermeister sitzt mit seinem Stellvertreter, Franz Schöner (52), dessen Mutter Rosa Schöner (77) und Brigitte Hoffmann (49) im geräumigen Gemeindetreff des seit 2015 sanierten historischen Schulhauses. Durch die Sprossenfenster scheint die Herbstsonne und beleuchtet einen großen Kachelofen. An den Wänden hängen Fotos aus dem Gemeindegeschehen. Es ist warm, alle Türen stehen offen. Mähring hat es geschafft: Offene Türen haben seither dort eine große Bedeutung, denn das marode Haus ist zum „Gelebten Museum“ mutiert.
Dahinter steckt eine schöne Geschichte, die mit Mährings Dorferneuerung kurz vor Abschluss beginnt. „2009 bekamen wir die Nachricht, es sei Geld übrig“, erzählt Franz Schöner. Der dritte Bürgermeister und Zollbeamte ist in nahezu allen Mähringer Vereinen tätig. Jetzt gehört er auch zu den „Museumsfreunden“, die das neue Schmuckstück betreuen. Schnell war man sich einig, mit dem Geld das Schulhaus zu sanieren. Nur reichten die 400 000 Euro lediglich für die Außenfassade. „Frohen Mutes fuhren wir nach München, um weitere Fördermittel zu erbitten“, erzählt Schöner und zwinkert dem Bürgermeister wissend zu. „Wie Prügelknaben sind wir da wieder raus“, ergänzt dieser. Bis heute wissen beide nicht, warum ihnen dort weitere Fördermittel recht unfreundlich verweigert wurden. Geldlos und frustriert kehrten die beiden Lokalpolitiker wieder heim.
Fördertöpfe gesucht
Aber „aufgeben“, gehört nicht zu Mährings Wortschatz. Umgehend wurden weitere Fördertöpfe gesucht, diesmal bei Florian Rüth in der Wirtschaftsförderung. „Da sind wir aufs Förderprogramm ’Leader’ gestoßen“, erzählt Schöner. 440 000 Euro gibt es, allerdings verbunden mit einer Klausel: Geld gegen Eigenleistung! Womit niemand gerechnet hat in Mähring: Umgehend setzt ein ausgeprägtes Helfer-Syndrom ein. „Ich habe einfach alle gefragt, ob sie mithelfen“, schwärmt Rosa Schöner, die auch zu den Museumsfreunden gehört, vom erfolgreichen „Klingelputzen“. Die 77-Jährige findet im 450-Seelen-Dorf sage und schreibe 120 Helfer. Der jüngste ist 7gewesen, der älteste über 80. So kommt es, dass 120 Leute 7500 Freizeitstunden im alten Schulhaus abarbeiten. „Das ging von 6 Uhr bis Mitternacht. Und morgens gleich weiter“, erinnert sich Schöner. „Unbeschreiblich, wie es im Haus ausgeschaut hat“, sieht Rosa Schöner immer noch dicke Staubwolken, containerweise Unrat bis zu alten Schuhen und Bergen von verblichenen Rathausdokumenten vor sich.
Aber das ist Vergangenheit und soll es auch bleiben. Seither ist das Museum beliebter Treffpunkt der Marktbewohner, es werden auch Feste gefeiert. Gut 20 „Freunde des Museums“ kümmern sich um die Belebung ihres neuen Dorfmittelpunkt und organisieren regelmäßige Veranstaltungen. Damit das „Gelebte Museum“ niemals in den Dornröschenschlaf verfällt.
Bis 2015 dauerte die Sanierung, dann war das „Gelebte Museum“ eingeweiht. Der etwas unübliche Name beruht auf dem Museumskonzept. Im Erdgeschoss wurde ein Gemeindetreff für Veranstaltungen im Dorf eingerichtet. Im ersten Stock sind drei Museumsräume. In diesem Räumen ergänzt sich wunderbar moderne Museumspädagogik mit der Historie des Ortes: In Glasvitrinen, mittels Wandtafeln und per Bildschirmtechnik wird die Mikroregion Marienbad, der Heimatkreis Plan-Weseritz und der Grenzraum vorgestellt. Viele der Exponate haben persönlichen Hintergrund. Schöner erzählt von der Statue des „Nepomuk“, (der aus dem Jahr 1642 stammt und eine Wandnische in der Abteilung „Plan-Weseritz“ bekommen hat), wie eines Tages eine alte Frau beim Betrachten dieser Figur geweint habe. „Als wir sie deshalb ansprachen, outete sie sich als die Tochter des Lohhäuser Landwirts, dem der Familien-Heilige einst gehört habe. Erinnerungen an Verwandte im Krieg weckt sicherlich auch die neue Ausstellung mit Thema „Ende des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren“, die ab November gezeigt werden soll. Dafür suchen die Museumsfreunde derzeit noch in der Bevölkerung zeitgeschichtlichen Überlieferungen.
Im zentral gelegenen ehemaligen Schul- und Rathaus (nahe der Kirche) zeigt das „Gelebte Museum“ die vielfältige Geschichte und das Leben in der Grenzregion rund um Mähring. Hierbei wird die Vertreibung der Plan/Weseritzer aus dem Sudetendeutschen Gebieten sowie die vielen „verschwundenen Dörfer“ entlang der Grenze am Beispiel Lohhäuser thematisiert. Das museale Angebot wird zusätzlich mit Wechselausstellungen (25 Jahre Grenzöffnung am Grenzübergang Mähring, Kriegsende im Grenzgebiet, Unsere schöne Region) abgerundet. Das „Gelebte Museum“ kann nach telefonischer Vereinbarung besichtigt werden. Kontakt: Museumsleiter Franz Schöner (Telefon 0151/11671654 oder per E-Mail franz.schoener[at]t-online[dot]de) oder der Markt Mähring (Telefon 09639/914010).
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