Mähring
19.10.2018 - 13:32 Uhr

Aus dem Dornröschenschlaf erweckt

120 Bürger packen an, um in Mähring aus einem Schandfleck ein "Gelebtes Museum" zu machen. Jetzt hat der Ort dafür den Denkmalpreis erhalten.

Jetzt erstrahlt das alte Rathaus mitten im Ortskern wieder im neuen Kleid. Bild: Ulla Britta Baumer
Jetzt erstrahlt das alte Rathaus mitten im Ortskern wieder im neuen Kleid.

(ubb) 5000 Euro für 7500 geleistete Arbeitsstunden? Das ist schlecht bezahlt. Wäre da nicht ein Grund dafür, der Gold wert ist. Der Markt Mähring hat am 4. Oktober 5000 Preisgeld für den Denkmalpreis des Bezirks Oberpfalz in Walbenbach bekommen. Gegenstand der Ehrung ist das ehemalige Schul- und Rathaus. Wo einst Kinder Rechnen und Schreiben lernten, Bürgermeister Entscheidungen fällten und Bürger ein- und ausgingen, legte sich ab 1978 Staub. Das schöne Gebäude stand leer und verfiel. Mähring hatte kein Geld und war damit zur Untätigkeit verdammt. Das einst stolze Rathaus wurde zum Schandfleck des Ortes. "Dabei war es unser größter Wunsch, das Schulhaus herzurichten", erzählt Josef Schmidkonz. Der Bürgermeister sitzt just mit seinem Stellvertreter, Franz Schöner (52), dessen Mutter Rosa Schöner (77) und Brigitte Hoffmann (49) im geräumigen Gemeindetreff des seit 2015 sanierten historischen Schulhauses. Durch die Sprossenfenster scheint die Herbstsonne und beleuchtet einen großen Kachelofen. An den Wänden hängen Fotos aus dem Gemeindegeschehen. Es ist warm, offene Türen lassen den "Böhmischen Wind" rein.

Letzteres hat Symbolcharakter: Offene Türen waren "schuld", dass das marode Haus zum "Gelebten Museum" mutierte. Alles begann mit der Dorferneuerung. "2009 bekamen wir die Nachricht, es sei Geld übrig", erzählt Schöner. Der dritte Bürgermeister und Zollbeamte ist auch Museumsleiter. 400 000 Euro gab es, die reichten gerade für die Außenfassade. "Frohen Mutes fuhren wir nach München, um weitere Fördermittel zu erbitten", erzählt Schöner weiter und zwinkert dem Bürgermeister wissend zu. "Wie Prügelknaben sind wir da wieder raus", ergänzt dieser.

Bis heute wissen beide nicht, warum ihnen weitere Fördermittel recht unfreundlich verweigert wurden. Geldlos und frustriert kehrten die Lokalpolitiker wieder heim. Aber "aufgeben", gehört nicht zum Wortschatz der Mähringer. Weitere Fördertöpfe wurden aufgetan, diesmal über "Leader plus" durch den Landkreis. Nur die Klausel, die hatte es in sich: Geld gegen Eigenleistung! Umgehend setzte ein ausgeprägtes Helfer-Syndrom ein. "Ich habe alle gefragt, ob sie mithelfen", schwärmt Rosa Schöner vom erfolgreichen "Klingelputzen". Die 77-jährige Mähringerin fand im 450-Seelen-Dorf 120 Helfer. Der jüngste sei sieben gewesen, der älteste über 80, erzählt sie. So kam es, dass 7500 Freizeitstunden im alten Schulhaus abgearbeitet wurden.

"Unbeschreiblich, wie es im Haus ausgeschaut hat", sieht Rosa Schöner noch dicke Staubwolken, containerweise Unrat und Berge an verblichenen Rathausdokumenten vor ihrem geistigen Auge. Aber das ist Vergangenheit. Gut 20 "Freunde des Museums" kümmern sich seit der Einweihung 2015 um die Belebung ihres neuen Dorfmittelpunkts, organisieren Veranstaltungen oder Ausstellungen, führen Gäste durch die drei Museumsräume, laden zu Sonderpräsentationen ein. Niemals mehr soll das jetzt wieder strahlende Gebäude in den Dornröschenschlaf verfallen.

Hintergrund:

Der etwas unübliche Name „Gelebtes Museum“ beruht auf dem Museumskonzept. Im Erdgeschoss konnten sich die Mähringer mit dem Fördergeld einen Gemeindetreff leisten. Im ersten Stock sind drei Museumsräume.

Hinter Glasvitrinen, mittels Wandtafeln und per Bildschirmtechnik werden die Mikro-Region Marienbad, der Heimatkreis der Vertriebenen von Plan-Weseritz und der Grenzraum vorgestellt. Viele der Exponate wecken persönliche Erinnerungen. Schöner erzählt vom „Nepomuk“, der aus dem Jahr 1642 stammt und eine Wandnische in der Abteilung „Plan-Weseritz“ bekommen hat.

Eines Tages habe ihn eine alte Frau gesehen und geweint. Sie war die Tochter des Lohhäuser Landwirts, der Nepomuk hat einmal ihrer Familie gehört.

Weniger schöne Erinnerungen wird die neue Ausstellung wecken, die im November beginnen soll. Die Museumsfreunde wollen diese dem Ende des 1. Weltkrieges vor 100 Jahren widmen. (ubb)

Stolz zeigen Brigitte Hoffmann (von links), Rosa Schöner, Bürgermeister Josef Schmidkonz und Franz Schöner wie die interaktiven Elemente des Museums bedient werden, um Videos oder Bildergalerien zu aktivieren. Bild: Ulla Britta Baumer
Stolz zeigen Brigitte Hoffmann (von links), Rosa Schöner, Bürgermeister Josef Schmidkonz und Franz Schöner wie die interaktiven Elemente des Museums bedient werden, um Videos oder Bildergalerien zu aktivieren.
Die Nepomuk-Statue weckt persönliche Erinnerungen. Eine Frau aus dem ehemaligen Ort Lohhäuser hat ihn als Familienheiligen erkannt, als sie das Museum besuchte. Bild: Ulla Britta Baumer
Die Nepomuk-Statue weckt persönliche Erinnerungen. Eine Frau aus dem ehemaligen Ort Lohhäuser hat ihn als Familienheiligen erkannt, als sie das Museum besuchte.
Museumsleiter Franz Schöner (rechts) und Bürgermeister Josef Schmidkonz suchen alte Exponate aus Mähring und Umgebung zur Sonderausstellung „100 Jahre Ende des 1. Weltkrieges“. Bild: Ulla Britta Baumer
Museumsleiter Franz Schöner (rechts) und Bürgermeister Josef Schmidkonz suchen alte Exponate aus Mähring und Umgebung zur Sonderausstellung „100 Jahre Ende des 1. Weltkrieges“.
 
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