Von Brigitte Gschwendtner
Die Zahlen sprechen für sich: Im Jahr 2018 haben 23.000 Patienten in den Notaufnahmen des Klinikums Fichtelgebirge in Marktredwitz und Selb Hilfe gesucht, 2022 waren es schon 28.000 Patienten. Zu dieser Entwicklung trage auch der Hausarzt-Mangel bei, erklärt Philipp Koehl, Ärztlicher Direktor des Klinikums Fichtelgebirge. Dem Versorgungsatlas der Kassenärztlichen Vereinigung zufolge gebe es allein im südlichen Landkreis Wunsiedel 10,5 unbesetzte Hausarzt-Sitze. Die Folge sei eine Verlagerung des ambulanten auf den stationären Sektor.
Um gegenzusteuern, versuche das Klinikum Fichtelgebirge, zusätzliche Optionen zu schaffen, und beteilige sich inzwischen selbst über das Modell „Landarzt auf Probe“ an der Hausarzt-Suche. Soeben meldete sich der erste Interessent, der im MVZ als angestellter Hausarzt tätig sein wolle, freut sich Koehl. Der Ärztliche Leiter hofft, dass die Bewerbung zu einer Festanstellung führt.
Notaufnahme entlasten
Die Unionsfraktion hat im Bundestag eine Gebühr von 20 Euro gefordert, wenn Kranke wegen Lappalien in die Notaufnahme kommen. Demnach sollen Patienten, die nicht mit dem Rettungsdienst gebracht werden oder keine ärztliche Einweisung haben, verpflichtend den Notruf 112 oder den ärztlichen Bereitschaftsdienst unter 116117 anrufen. Dort bekämen sie gegebenenfalls einen Termin. Wer direkt in die Notaufnahme gehe, soll 20 Euro zahlen.
Kassenärzte-Chef Andreas Gassen erhob eine ähnliche Forderung, um die Notaufnahmen zu entlasten: „Denn wer noch selbst in eine Notaufnahme gehen kann, ist oft kein echter medizinischer Notfall.“ Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erteilte dem Vorstoß allerdings eine Absage, ebenso wie Gesundheitsexperten der FDP und der Grünen.
Könnte eine Strafgebühr von 20 Euro dabei helfen, die Notaufnahmen des Klinikums Fichtelgebirge zu entlasten? „Nein“ lautet klipp und klar Philipp Koehls Antwort: „Ich halte nichts von Strafzahlungen für die Inanspruchnahme einer medizinischen Leistung.“ Die Empfehlungen der Regierungskommission zur Reform der Akut- und Notfallversorgung nennen Koehl zufolge viele richtige und wichtige Vorschläge – wie die Integration der kassenärztlichen Bereitschaftspraxis in Notaufnahmen.
Keine Fördergelder für den Umbau
Dazu erklärt Koehl: „So lassen sich durch eine gemeinsame Steuerung der Notfallpatienten die Probleme bedarfsgerecht lösen. Meines Erachtens sollte der Fokus auf dem Abbau der Sektorengrenzen liegen. Eine sektorenverbindende medizinische Versorgung würde gerade beim Thema Notfallversorgung weiterhelfen. “
In Marktredwitz liegt die kassenärztliche Bereitschaftspraxis neben dem Eingang der Klinik, die Notaufnahme auf der Rückseite. Beides ist räumlich nicht weit voneinander getrennt. Sinnvoll wäre eine Zusammenlegung mit einem gemeinsamen Tresen, sagt der Ärztliche Direktor. Denn dann könnte gleich bei der Anmeldung darüber entschieden werden, ob ein Bereitschaftsarzt oder ein Notarzt sich eines Patienten annehme.
Da die Notaufnahme in Marktredwitz ohnehin umgebaut werden soll, könnte der Tresen gleich mit eingebaut werden. Doch dafür gebe es keine Fördergelder, weil die gesetzliche Grundlage fehle, bedauert Koehl.
Immer eine Ersteinschätzung
Aktuell würden in den Notaufnahmen des Klinikums rund 50 Prozent der Patienten ambulant versorgt, der Rest stationär. Zu wie viel Prozent eine Behandlung in der Notaufnahme tatsächlich nötig sei, werde nicht statistisch erfasst, sagt Koehl.
Jeder, der in der Notaufnahme Hilfe suche, durchlaufe ein Ersteinschätzungsverfahren. Eine Triage-Krankenschwester beurteile, wie dringend der Fall sei, und filtere diejenigen heraus, die ganz offensichtlich keine Notfälle seien. Dazu zählten Patienten, die einen Verbandwechsel oder ein Rezept brauchten oder die eine Zecke gebissen habe. Diese würden an die KVB-Bereitschaftspraxis verwiesen. „Natürlich sind diese Patienten nicht begeistert. Oft klagen sie auch darüber, dass sie in der Bereitschaftspraxis niemanden erreichten.“
Statt über eine Gebühr zu debattieren, sollte lieber die Reform der Notfallversorgung vorangetrieben werden, findet der Ärztliche Direktor. Zudem wäre der Aufwand zu hoch. „Deshalb hat die Kassenärztliche Vereinigung die Praxisgebühr in Höhe von zehn Euro abgeschafft. Wir brauchen nicht noch mehr Bürokratie“, macht Koehl deutlich und verweist auf ein Statement der Deutschen Krankenhaus-Gesellschaft. Der darin vertretenen Haltung schließe er sich für das Klinikum Fichtelgebirge an.
Großer Aufwand für Krankenhäuser
Die Krankenhaus-Gesellschaft spricht sich gegen eine Gebühr für die Nutzung der Notaufnahmen aus. Der Vorstandsvorsitzender Gerald Gaß meint: Zuerst müssten die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) die Voraussetzungen schaffen, um im Notfall ideal zu beraten und zu steuern. Eine medizinische Ersteinschätzung durch die Integrierten Leitstellen der Telefonnummern 112 und 116117, kurzfristige Terminvermittlung in umliegenden Arztpraxen und unmittelbare Hausbesuche durch den KV-Notdienst seien für die Patienten wichtige Bedingungen für eine gute ambulante Notfallversorgung jenseits der Krankenhaus-Notfallambulanzen. „Doch bisher gibt es weder eine flächendeckende Ersteinschätzung durch die Leitstellen noch werden den Patienten regelhaft kurzfristig Behandlungsangebote vermittelt“, so Gaß.
Eine drohende Strafgebühr könne Patienten in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen bei tatsächlichen Notfällen davon abhalten, die Notaufnahmen aufzusuchen. Für die Krankenhäuser würde zudem ein großer Aufwand entstehen, um die Gebühr zu erheben. Aus all diesen Gründen sei die Praxisgebühr im niedergelassenen Bereich wieder abgeschafft worden, so Gaß: „Wir sollten es vermeiden, Fehler der Vergangenheit zu wiederholen.“
Die Zentrale Notaufnahme
- Die Zentrale Notaufnahme (ZNA) bildet die "Nahtstelle" zwischen ambulanter und stationärer Versorgung im Klinikum.
- Um die Patienten kümmert sich hier ein interdisziplinäres Team aus Notfallmedizinern, Internisten und Chirurgen sowie speziell ausgebildete Pflegefachkräfte.
Quelle: www.klinikum-fichtelgebirge.de
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