Wie fühlt sich das an, wenn man als Mensch, der nicht so aussieht, wie die Mehrheitsgesellschaft, immer wieder ohne Anlass von der Polizei kontrolliert wird? Wie ist das, wenn die Beamten sogar den Darm untersuchen, weil sie darin Drogen vermuten? Was löst es aus, wenn man bei Behörden ungerecht behandelt wird? Oder wenn man sich im Bus diskriminierende Kommentare anhören muss?
Video-Produzent Tazeze Fetene „Speedy“ hat bei zwei Veranstaltungen zur Woche gegen Rassismus sein integratives Filmprojekt „Spektrum“ in Marktredwitz vorgestellt: vor Schülern im Otto-Hahn-Gymnasium und vor einem kleinen Kreis Interessierter, die zu einer Veranstaltung der Volkshochschule (VHS) Fichtelgebirge ins Egerland-Kulturhaus gekommen waren. Bei beiden Veranstaltungen lösten die Video-Beiträge zum Thema „Rassismus“ rege Diskussionen aus.
Spezielles Video-Projekt
Tazeze Fetene „Speedy“ ist ein junger Mann aus Äthiopien, der vor fünf Jahren nach Deutschland geflüchtet ist. Zweieinhalb Jahre lebte er in einer der Gemeinschaftsunterkünfte in Arzberg. Mittlerweile spricht er hervorragend Deutsch und macht eine Ausbildung zum Krankenpfleger in Nürnberg. Hier wie dort hat er Rassismus erfahren, und zwar offensichtlich alleine deswegen, weil seine Haut dunkel ist.
„In Arzberg hat zum Beispiel jemand aus einem Auto heraus eine Bierflasche auf mich geworfen“, berichtete Fetene. In Wunsiedel sei ein Autofahrer absichtlich und sehr bedrohlich auf ihn zugefahren. In der Klinik in Nürnberg habe eine Patientin, zu der er ans Bett gerufen worden sei, gesagt: „Ach, da kommt der schwarze Mann.“
„Diese Erfahrungen sind immer in meinem Kopf“, sagte der Geflüchtete. Auch die Protagonisten in den beiden Video-Filmen wissen, was es bedeutet, rassistischem Verhalten ausgesetzt zu sein. Das Video-Projekt zeigt die Reaktionen von verschiedenen Personen auf Fragen zu diesem Thema. „Spektrum“, ein integratives Projekt der Evangelischen Jugend Nürnberg, soll Leute zum Nachdenken bringen über Themen wie Rassismus, Migration, Menschenwürde, Gleichberechtigung und Diskriminierung. Alle 14 Tage wird eine neue Einheit zu einem neuen Themenschwerpunkt veröffentlicht.
Sprache als Schlüssel
Die Idee dazu hatte „Speedy“, der als Projektmanager angestellt ist. An jeder Einheit nehmen sechs junge Erwachsene teil, die zu einem Themenschwerpunkt sechs bis acht Fragen gestellt bekommen oder mit Thesen und Aussagen konfrontiert werden. Anschließend positionieren sich die jungen Leute und nehmen Stellung.
Bei der Diskussion im Egerland-Kulturhaus, die Myonnie Bada-Albrecht und Andrea Herold von der VHS leiteten, kristallisierte sich heraus, dass die Sprache für Migrantinnen und Migranten der Schlüssel dazu ist, Barrieren und Ressentiments zu durchbrechen. Daneben waren sich die Diskussionsteilnehmer einig, dass nur durch das Kennenlernen anderer Kulturen und vermeintlich fremder Menschen Ängste abgebaut werden könnten. Und das ist bitter nötig. Denn die Angst vor Unbekanntem ist oftmals die Ursache für Rassismus.
Auch im Otto-Hahn-Gymnasium gab es im Anschluss an den Vortrag eine Diskussionsrunde. Dabei stellte sich heraus, dass es an der Schule ebenfalls „Mobbing aufgrund von anderem Aussehen gibt“, wie ein Schüler berichtete. Und das, obwohl die Bildungseinrichtung die Auszeichnung „Schule ohne Rassismus“ trägt.
Gegen Rassismus einsetzen
Schülerin Tracy Agostinho erzählte: „Als ich in der sechsten Klasse nach Marktredwitz kam, machten viele von meinen Klassenkameraden oft rassistische Bemerkungen. Zum Beispiel ‚Nigger‘ oder ‚Die Schwarze mit den glatten Haaren‘.“ So schlimm wie damals ist es laut Tracy heute nicht mehr. Eine andere dunkelhäutige Schülerin erzählt ebenfalls von einer unschönen Erfahrung: „Klassenkameraden haben mich ‚Schokolade‘ genannt.“
Schulleiter Stefan Niedermeier erklärte: „Mich überrascht es überhaupt nicht, dass es auch an unserer Schule Rassismus gibt.“ Vorträge wie der von Tazeze Fetene sollen laut Niedermeier aber rassistisches Verhalten vermindern. Deswegen findet der Schulleiter: „Wir haben die Auszeichnung ‚Schule gegen Rassismus‘ weiterhin verdient – weil wir uns eben gegen Rassismus einsetzen.“ Das Ziel des Vortrags, auf Rassismus aufmerksam zu machen, hatte an dem Gymnasium Erfolg. Speedys Geschichte hat einige Schülerinnen und Schüler sogar zum Nachdenken angeregt.
Ein Mädchen teilte ihren Gedankengang: „Oft fallen rassistische Bemerkungen aus Spaß – ohne, dass derjenige, der das sagt, überhaupt weiß, welche Wirkung solche Wörter auf andere Menschen haben.“ Sie will in Zukunft mit einigen Begriffen vorsichtiger umgehen. Ein anderer Schüler sagte: „Ich finde es schlimm, dass sich andere Menschen in solche Situationen nicht einmischen.“ Wenn er rassistische Äußerungen hört, will er fortan darauf eingehen und andere Menschen aufklären.
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.