Christa Olbrich, 1945 im Sudetenland geboren, lebt in der Nähe von Neumarkt in der Oberpfalz. „Mein Leben war reich. Es hatte aber auch Höhen und Tiefen“, beschrieb Olbrich den Weg vom Flüchtlingskind zur Doktorin und Professorin, den sie auf 290 Seiten - sie entstanden innerhalb weniger Monate - aufgeschrieben hat. Nun war sie zu Gast im Literarischen Café in Marktredwitz.
Vorlesen werde sie erst später, kündigte sie an und blieb stehen. Was folgte, war eine für das Literarische Café außergewöhnliche Buchvorstellung, in die auch die Gäste einbezogen wurden. Der für die Autorin reservierte Platz im Saal des Egerland-Kulturhauses blieb auch nach 90 Minuten ungenutzt.
Ohne fließendes Wasser
In den Mittelpunkt der Einleitung rückte die Vertreibung aus dem Sudetenland, die, wie Olbrich schilderte, mit dem Befehl begann, dass man sich innerhalb kürzester Zeit am Bahnhof einzufinden habe. „Als Mutter das Schild 'Bahnhof Nürnberg' sah, dankte sie Gott, dass man – in einem Viehwaggon - in den Westen transportiert wurde.“ In großer Armut, weil die Eltern ihr Leben nicht mehr in die Hand nehmen konnten, wuchs das Flüchtlingskind in einem fränkischen Dorf, "in einem Haus ohne fließendes Wasser und Toilette", auf. Die Versorgung der Familie nahm das Mädchen in die Hand. Im Kindesalter arbeitete Christa Olbrich als Magd auf einem benachbarten Bauernhof. Entlohnt wurde sie mit Milch und Kartoffeln.
Olbrich erzählte im Literarischen Café, beantwortete und stellte Fragen; manchmal nahm sie auch das Buch zur Hand, um daraus vorzulesen. Großformatige Fotos wanderten von Tisch zu Tisch. Die Zuhörer ergänzten Olbrichs Erinnerungen mit eigenen Erlebnissen. Längst war aus der Buchvorstellung eine (von Olbrich empfohlene) Gesprächsrunde geworden. Die Bitte: „Lesen Sie uns noch ein Kapitel vor, eine lustige Geschichte“ wurde von der Autorin erfüllt. Sie entführte ihr Publikum in ein Hopfendorf, wo sie als 13-jähriges Kind bei der Ernte half. „Vom Geld, das ich fürs Hopfenzupfen bekam, kaufte ich mir ein Fahrrad.“
Kritik statt Lob
Per Telekolleg, dazu musste sie ihren Ehemann um Erlaubnis bitten und den Haushalt wie gewohnt weiterführen, meisterte Olbrich die Mittlere Reife. „Wenn ich das schaffe“, so dachte sie damals, „kann ich auch das Abitur machen.“ Statt Lob folgte Kritik vom Vater. Olbrich studierte Medizin. Nach nur drei Semestern wechselte sie zur Diplompädagogik. „Ja, ich trage den Doktor- und Professorentitel“, erklärte sie einer Zuhörerin, die nachgehakt hatte.
Christa Olbrich empfahl, in sich hineinzuschauen, um zu erkennen, was wichtig sei. „Ich entwickelte eine Kraft, die es mir möglich machte, mich zu entwickeln." Wenn es nach der Mutter gegangen wäre, dann hätte Christa Magd werden sollen. Der mütterliche Berufswunsch blieb unerfüllt. „Das verdanke ich meinem Mut, meiner Entschlossenheit und dem Bewusstsein, dass das Leben wertvoll ist“, erklärte Olbrich den Zuhörern.
Die "außergewöhnliche Biografie“, so die Leiterin des Literarischen Cafés, Roswitha Budow, ist im Novum-Verlag Berlin erschienen und kostet 22,90 Euro. Auf Anfrage teilte Budow mit, dass die Veranstaltungsreihe Literarisches Café im kommenden Jahr fortgesetzt wird.
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