Schon Minuten nach dem Messerangriff am Sonntagnachmittag in Marktredwitz verbreitet sich folgende Meldung einer privaten Nachrichtenplattform im Internet: "Es war die ganze Straße voll Blut. Man hat alles abgesperrt, auch bis zum KEC und zum Bahnhof. Selbst Anwohner mussten das ganze Gebiet und den Bereich um den Stadtpark verlassen. Laut Angaben soll eine Gruppe von Asylbewerbern zu den Hauptbeteiligten gehören." Auf wessen Angaben die Nachricht beruht? Fehlanzeige. Dass die Nationalität des Täters zu dem Zeitpunkt unbekannt war, dass lediglich der Platz am Diakonie-Haus gesperrt war und die Anwohner in ihren Häusern bleiben konnten? Offenbar egal.
Das Polizeipräsidium Bayreuth ist selbst seit zwei Jahren aktiv auf Facebook und Twitter. "Natürlich sichten wir daher auch die diversen Gruppen in der Region", sagt Alexander Czech, der als Pressesprecher auch für Social-Media zuständig ist. Er und seine Kollegen stellten mit Kopfschütteln fest, wie schnell Gerüchte entstehen und kursieren. "Wir lesen viel mit, immerhin können sich unter den Kommentaren auch wichtige Hinweise für unsere Ermittler befinden."
Wie Czech sagt, fällt ihm und seinen Kollegen auf, dass bestimmte Personen Berichte über x-beliebige Straftaten dazu nutzen, gegen Asylbewerber oder andere Minderheiten zu hetzen. So geschehen auch beim Messerangriff in Marktredwitz. Schnell ist in einigen Kommentaren von einem regelrechtes "Blutbad" die Rede gewesen.
Immer wieder wird Medien und Polizei angekreidet, sie würden absichtlich die Nationalität von Tätern verschweigen. Ein Vorwurf, der auch am Montag auf Facebook zu lesen war, nachdem die Polizei gemeldet hatte, einen Tatverdächtigen gefasst zu haben.
"Es hatte natürlich einen Grund, warum wir die Nationalität nicht veröffentlicht haben. Am Montag haben wir den Verdächtigen lediglich vorläufig festgenommen. Wir müssen da vorsichtig sein, damit niemand vorverurteilt wird." Erst als nach weiteren Vernehmungen ein Richter die Haft angeordnet hatte, gab die Polizei die Nationalität preis: Bei dem mutmaßlichen Messerstecher handelt es sich um einen Marktredwitzer, einen Deutschen.
Wie Czech sagt, gibt es für die Polizei drei Kriterien, die in einer Meldung über eine Straftat das Nennen der Nationalität gerechtfertigt:
- Wenn es zum Verständnis des Hintergrunds der Tat erforderlich ist. "Dies ist zum Beispiel bei einer Straftat in einer Asylbewerberunterkunft der Fall", sagt Czech.
- Wenn die Polizei über schwere Straftaten, etwa Vergewaltigungen oder Tötungsdelikte, berichte, bei denen das öffentliche Interesse besonders groß ist.
- Wenn es sich um spezielle Kriminalitäts-Phänomene handelt. Zum Beispiel Taten von organisierte Diebesbanden oder Fälle wie die Silvesterübergriffe in Köln.
Dass auch die Polizeiarbeit in Zeiten von Facebook und Twitter schwieriger wird, nimmt Czech eher als Herausforderung. "Wir wollen mit unserer Berichterstattung Spekulationen und üblen Gerüchten Fakten entgegensetzen."
Für einiges Aufsehen hat der Polizeieinsatz im Umfeld der Marktredwitzer Moschee in Zusammenhang mit der Fahndung nach dem Messerstecher gesorgt. Wie Polizeisprecher Alexander Czech sagt, wurden dabei Personen überprüft, die den vagen Personenbeschreibungen von Zeugen entsprachen. „Es war eine übliche Ermittlungs-Routine, auch wenn vielleicht zwei, drei Polizeiautos vor dem Gebäude standen.“ Im Jahr 2017 hat es im Landkreis Wunsiedel 2683 Straftaten gegeben. 26,6 Prozent der Tatverdächtigen waren „nichtdeutsch“, wie es im Behördenjargon heißt. Von Zuwanderern wurden 2017 null Vergewaltigungen, null Straftaten gegen das Leben, 53 Rohheitsdelikte (zum Beispiel Schlägereien) und 38 Diebstähle, davon 35 leichte, begangen.
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