Marktredwitz
31.07.2018 - 12:30 Uhr

Ein Macher im Stillen verabschiedet sich

Norbert Leeb ist unendlich dankbar für ein erfülltes Berufsleben. Nach insgesamt 54 Jahren am Otto-Hahn-Gymnasium geht der stellvertretende Schulleiter in Pension.

Norbert Leeb fppp
Norbert Leeb

(fppp) Norbert Leeb war nie der "Trompeter" an seiner Schule, er ist ein Mann der leiseren Töne. Beim Sommerkonzert des Otto-Hahn-Gymnasiums bezeichnete er sich selbst als "Zweiten Geiger". Mit 54 Jahren am OHG - Norbert Leeb war hier Schüler, Referendar, Lehrer und stellvertretender Schulleiter - erlebte er mehr als die Hälfte der Geschichte des Gymnasiums mit, das im kommenden Jahr 100. Gründungsjubiläum feiert. Ab jetzt hat er mehr Zeit für seine Frau Elisabeth und seine beiden erwachsenen Kinder, so wie er sich das wünscht.

ONETZ: Herr Leeb, was war das Schönste für Sie in 54 Jahren am OHG?

Norbert Leeb: Das war eine Erkenntnis, die sich erst im Lauf vieler Jahre herausgebildet hat. Ich spreche von der „Menschwerdung“ junger Menschen am Gymnasium. Wir übernehmen in der fünften Jahrgangsstufe Kinder und entlassen nach dem Abitur junge Erwachsene. In den Jahren dazwischen vollzieht sich der spannende Prozess einer individuellen Persönlichkeitsentwicklung. Diesen Prozess bewusst und aktiv zu begleiten, gehört zu den schönsten Seiten des Lehrerberufs am Gymnasium.

ONETZ: Und auf was hätten Sie gerne verzichtet?

Norbert Leeb: Das sind in erster Linie Einzelschicksale, die mich emotional sehr berührt haben. Ein Kind, dem in meinem Büro vom Jugendamt eröffnet wird, dass es am Ende des Schultags nicht mehr zu Mama heim darf, sondern ab sofort in einer Pflegefamilie unterkommt. Ein Schüler, den ich aus dem Unterricht holen muss, um ihm mitzuteilen, dass soeben ein Elternteil verstorben ist. Ein Abiturient, der privat bei mir zu Hause aufschlägt und Rotz und Wasser heult, weil er sein Leben als gescheitert ansieht.

ONETZ: Wenn Sie die neun Jahre, die Sie als Schüler am OHG waren, vergleichen mit späteren Schülergenerationen: Was ist geblieben? Was hat sich grundlegend verändert?

Norbert Leeb: Meine Schulzeit atmete den Geist der 68er Jahre. Nach meinem Empfinden waren wir engagierter, politischer, diskussionsfreudiger. Geblieben ist die Suche nach Orientierung und Sinnhaftigkeit, die Sehnsucht nach Glück und Geborgenheit.

ONETZ: Können Sie sich an das Gefühl erinnern, als Sie als Referendar ans OHG zurückkehrten?

Norbert Leeb: Das war schon ein komisches Gefühl, wenn man auf einmal vor der Klasse steht; wenn man vormalige Autoritäten plötzlich als Kollegen zur Seite hat. Im Referendariat hatten wir so das Gefühl, die Folgeklasse des Abiturjahrgangs zu sein, aber noch keine Lehrkräfte im eigentlichen Sinn.

ONETZ: Und dann sind Sie Lehrer geworden am OHG. Wollten Sie das?

Norbert Leeb: Mein Dienstantritt am OHG war weder Zufall noch Fügung. Er war bewusst angestrebt und ist mit wohlwollender Unterstützung auch Wirklichkeit geworden.

ONETZ: Wie war Ihr Verhältnis zu den Lehrern, von denen Sie Jahre vorher selbst unterrichtet wurden?

Norbert Leeb: Ich wurde zuvorkommend und vorurteilsfrei aufgenommen, wir kannten uns ja. Das erleichterte den Start ins Berufsleben.

ONETZ: Sie haben Französisch und Katholische Religionslehre unterrichtet. Was war Ihnen wichtiger?

Norbert Leeb: Die Kombination eines harten Faches mit einem weichen Fach eröffnet dem Lehrer ganz unterschiedliche Zugänge zu den Schülern. Beide Fächer unterrichtete ich auch im Leistungskurs. Von einem ganzheitlichen Bildungsansatz her verbietet sich die Unterscheidung in wichtige Fächer und weniger wichtige.

ONETZ: Welche Themen haben Sie in Ihren Fächern besonders gerne unterrichtet?

Norbert Leeb: Oh je, schwierig zu beantworten. Ich lege mich jetzt einfach mal auf je drei fest.
Für Französisch: La chanson française, L`Avare (Der Geizhals): Komödie von Molière und deren Verfilmung mit Louis de Funès in der Hauptrolle und La Révolution française (als Opéra Rock).
Für Katholische Religionslehre: Religion in der offenen Gesellschaft, Das Buch der Bücher: Die Heilige Schrift und Das christliche Menschenbild.

ONETZ: Welche Themen waren Ihnen für die Entwicklung der Schüler wichtig?

Norbert Leeb: Für deren Entwicklung scheint mir zunächst etwas anderes wichtiger zu sein. Wie gelingt es mir als Lehrer, eine persönliche Beziehung und ein Vertrauensverhältnis zum Schüler aufzubauen? Darin liegt der Schlüssel für den Zugang zu den Köpfen und Herzen der Schüler. Wenn die Themen dann noch altersgerecht aufbereitet sind, können Inhalte nicht nur vermittelt, sondern in gelebte Grundhaltungen übergeführt werden.

ONETZ: Wie charakterisieren Sie Ihren Unterrichtsstil und Ihren Stil als stellvertretender Schulleiter?

Norbert Leeb: Ich werde mich hüten, mich selbst zu charakterisieren. Sie dürfen aber gerne aus den zahlreichen Zuschriften zitieren, die mich in diesen Tagen erreichen: „Du hast die Schule maßgeblich mit Kompetenz, Menschlichkeit und Humor geprägt.“ – „Du hast menschliche und fachliche Maßstäbe gesetzt.“ - „Studiendirektor Leeb stand in seiner Lehrtätigkeit für die gelungene Symbiose von fides und ratio, von Verstand und Glaube.“ – „… ein Ausnahmepädagoge des Otto-Hahn-Gymnasiums, ein liebenswürdiger Kollege und ein feiner Mensch.“

ONETZ: Welche Entscheidungen des Kultusministeriums konnten Sie mittragen, bei welchen war es schwierig?

Norbert Leeb: Es ist nicht die Aufgabe der Schulleitung, Entscheidungen des Kultusministeriums zu bewerten, sondern sie umzusetzen. Auch wenn man dabei Bauchschmerzen hat, wie z.B. bei den untauglichen Versuchen der Lernzeitverlängerung mit dem Flexibilisierungsjahr oder der Mittelstufe Plus. Neun Jahre Ausbildungszeit sind für das Gymnasium richtig und gut.

ONETZ: Was waren die größten Herausforderungen in ihrem Berufsleben?

Norbert Leeb: Ich war in ganz verschiedenen Aufgabenfeldern tätig: Vertrauenslehrer, Personalrats-vorsitzender, Fachbetreuer, Stundenplanmacher, überregionale Fortbildungstätigkeit, stellvertretender Schulleiter. Jede Funktion hat ihr spezifisches Anforderungsprofil. Diesem immer gerecht zu werden, ist schon Herausforderung genug.

ONETZ: Gab es für Sie auch Situationen, in denen Sie unzufrieden waren?

Norbert Leeb: Persönliche Empfindsamkeiten sollten hintanstehen, wenn man Führungsverantwortung übernimmt. Sorgen freilich macht mir der zunehmende Ausfall der Familie als Ort der sozialen Grundausbildung. Ganz skeptisch stehe ich Bestrebungen gegenüber, Mechanismen der Wirtschaft auf den Schulbereich zu übertragen. Wir haben es nicht mit Stückzahlen, Umsatzsteigerungen und Gewinnmargen zu tun, sondern mit Menschen.

ONETZ: Sie gehen jetzt in Pension. Welche Wünsche haben Sie für die Schule?

Norbert Leeb: Das OHG verfügt mit den Naturwissenschaften, den Sprachen und der Musik über ein ausgeprägtes Profil. Die Schule hat ein engagiertes Kollegium und eine Schülerschaft, um die uns viele beneiden. Im Jahr 2019 begeht die Schule ihr 100-jähriges Jubiläum. Hier sollte die ganze Schulgemeinschaft – Schüler, Eltern, Lehrkräfte – ein starkes Signal für eine starke Zukunft der Schule aussenden im Sinne ihrer Leitvorstellung „OHG: offen, harmonisch, gemeinsam“.

ONETZ: Wie werden Sie Ihre Zeit künftig verbringen? Welche privaten Pläne haben Sie?

Norbert Leeb: Eins vorneweg: Ich habe kein weinendes Auge und ich falle in kein tiefes Loch. Mein Anker-zentrum ist meine Familie. Darüber hinaus habe ich vielfältige Interessen in Literatur, Musik und Kunst. In aller Demut und Bescheidenheit: Wenn der Herbst meines Lebens noch einige sonnige Jahre bereithält, bin ich rundum glücklich und zufrieden. Und eines bin ich jetzt schon: unendlich dankbar für ein erfülltes Berufsleben.

 
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