Marktredwitz
27.01.2023 - 14:38 Uhr

Marktredwitzer Theatergruppe „Unspielbar“ zeigt zwei Minidramen

Marktredwitzer Gymnasiasten entwickelten ein Dramolett des bedeutenden österreichischen Schriftstellers Thomas Bernhard weiter. Zu sehen ist die Aufführung am Dienstag.

Benedikt Zaus, Tamia Männer, Melissa Gräf, Emma Heinzl und Anthony Dehmel (von links) zeigen die Originalversion, Mitschüler danach die Adaption des Stücks. Bild: Brigitte Gschwendtner/fph
Benedikt Zaus, Tamia Männer, Melissa Gräf, Emma Heinzl und Anthony Dehmel (von links) zeigen die Originalversion, Mitschüler danach die Adaption des Stücks.

Von Brigitte Gschwendtner

Wie würde Thomas Bernhard sein Stück heute schreiben? Dies fragten sich Marktredwitzer Gymnasiasten und ihre Lehrerin Mary Möller-Hartung, als sie sich mit „Eis“ von Thomas Bernhard beschäftigten. Seit der Entstehung des Dramoletts über ewig Gestrige sind mehr als 40 Jahre vergangen – doch Fremden­hass, Intoleranz ­ und faschistoides Gedankengut gibt es nach wie vor. Um dies zu verdeutlichen, schrieben Elft- und Zwölftklässler eine aktuelle Version des Bernhardschen Stücks und nannten sie „Packeis“. Hauptfiguren sind die polarisierenden Politiker Marine Le Pen und Wladimir Putin samt Partnern in Urlaubs­laune auf der Halbinsel Krim am Stand.

Beide Minidramen – „Eis“ wie „Packeis“ – führt die Theatergruppe „Unspielbar“ am Dienstag, 31. Januar, um 19.30 Uhr, in der Aula des Otto-Hahn-Gymnasiums auf. Wie andere Stücke des bekannten österreichischen Dichters demonstriert auch „Eis“, dass nationalsozialistische Überzeugungen Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg immer noch fest in der Gesellschaft verankert waren. „Eis“ ist eines von sieben Kurzdramen, die Bernhard zwischen 1978 und 1981 schrieb und die – ungewöhnlich für sein Werk – nicht in Österreich, sondern in Deutschland spielen. Doch der Tenor bleibt identisch: Die Figuren geben sich als unbelehrbare, reuelose Täter von damals zu erkennen.

Kriegserinnerungen

In „Eis“ treffen sich zwei Ministerpräsidenten aus Norddeutschland mit ihren Frauen am Ostseestrand. Gemütlich sitzen die vier Protagonisten in zwei Strandkörben und unterhalten sich über die vergangene Kriegszeit. „Sie verherrlichen die Nazi-Zeit“, erklärt Benedikt Zaus aus der Q 11, der einen der beiden Ministerpräsi­denten spielt. Die Würdenträger schwelgten in heroischen Kriegserinnerungen, redeten über ihre Zeit an der Front in Kreta und überlegten, gemeinsam noch einmal hinzufahren, um einen Kranz niederzulegen.

Während sich die Männer ihrer militaristischen Vergangenheit rühmen, wetteifern die genusssüchtigen Damen verbal darum­, welche bessere Hälfte mehr zu bieten habe. Es erfüllt die Ehemänner mit Stolz, dass ihre Gattinnen von ihnen abhängig sind. Respekt? Fehlanzeige. „Wie es in den 70er und 80er Jahren üblich­ war, werden die Frauen niedrig gehalten“, erklärt Möller-Hartung. Dazu gehört auch, vor allen auf­zuwärmen, dass eine der Gattinnen sowohl als Kunstturnerin als auch im Bühnenfach ge­scheitert ist.

Es stört die bornierten Paare nicht im Geringsten, dass ein türkischer Eisverkäufer ihre vorurteilsbehafteten Ressentiments mithört, bevor er zum Schluss für eine äußerst überraschende Wende sorgt.

Im Otto-Hahn-Gymnasium ist am Dienstag nach der „Eis“-Original-Version Pause – Zeit für die Zuschauer, das Gesehene zu verdauen, bevor es in „Packeis“ nicht minder kritisch weitergeht.

Erschreckende Dialoge

Denn da sitzen zwei Politiker der Neuzeit – Wladimir Putin und Marine Le Pen – mit ihren heimlichen Liebschaften im Strandkorb: „Wir haben viel recherchiert“, erklärt Möller-Hartung. Putin steht in der Schüler-Fassung seine vermeintliche Geliebte Alina aus der Schweiz zur Seite, mit der der russische Präsident angeblich sogar gemeinsame Kinder habe. „Bei Le Pen haben wir getrickst und ihr einen erfundenen Migranten an die Seite gedichtet.“ Ebenso wie im Original finden sich auch in der Adaption erschreckende Dialoge, die Ressentiments und Fremdenhass verdeutlichen. Ebenfalls erhalten geblieben ist das Setting: Zwei Mächtige geben den Ton an und zwei finanziell von ihnen abhängige Partner müssen ihnen schmeicheln.

Umgeschrieben haben die Marktredwitzer Schüler den Schluss: In „Packeis“ taucht statt des Eisverkäufers ein Journalist auf – die vierte Gewalt. „Die Ibiza-Affäre lässt grüßen“, sagt Möller-Hartung. Mehr soll jetzt noch nicht verraten werden. Wer neugierig geworden ist, erfährt am Dienstag, 31. Januar, um 19.30 Uhr, im Otto-Hahn-Gymnasium Marktredwitz, wie die Stücke ausgehen. Der Eintritt ist frei, über eine Spende freut sich die Theatergruppe.

 
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