Ein unsichtbarer Wall zieht sich künftig um das Marktredwitzer Zentrum. Während diesseits der Straße Waren verkauft werden dürfen, ist es jenseits nicht mehr erlaubt. Die Gewerkschaft Verdi hat sich durchgesetzt und dem Handel einen Riegel vorgeschoben. Schon ab dem nächsten verkaufsoffenen Sonntag am 24. November gibt es getrennte Welten in Marktredwitz. Die Einzelhändler sind stinksauer. "Dadurch wird die Attraktivität der Einkaufsstadt kaputtgemacht", sagt Helmut Hagner, Unternehmensleiter der Frey-Handelsgruppe. Denn nur noch im Umkreis des Jahrmarkts dürfen die Läden öffnen.
Während Euronics Plischke noch im Dunstkreis des Marktes liegt und am Marktsonntag öffnen darf, ist es dem Media-Markt wenige Meter weiter untersagt. Außen vor bleibt auch Edeka Schraml gleich mit beiden Läden in Oberredwitz und in der Wölsauer Straße. Während im KEC weiterhin Bücher verkauft werden dürfen, muss Budow am Kreisverkehr seine Ladentür künftig geschlossen halten. "Wir in Deutschland machen uns zum Affen in ganz Europa, wo zum Teil rund um die Uhr geöffnet sein darf", schimpft Martin Gramsch (Freie Wähler) in der jüngsten Stadtratssitzung, wo die Räte sich dem Diktat von Verdi beugen mussten. "Seit 2015, als das Bundesverwaltungsgericht ein Urteil gesprochen hat, geht Verdi gegen verkaufsoffene Sonntage vor", wettert Sebastian Macht von den Freien Wählern, der zugleich Vorsitzender des Stadtmarketingvereins "MAKnetisch" ist. Vor allem in Zeiten eines regen Online-Handels rund um die Uhr stößt Händlern und Stadträten diese Einschränkung sauer auf.
Viermal im Jahr
"Wir können nicht mal viermal im Jahr einen vernünftigen offenen Sonntag bieten, während heutzutage 365 Tage im Internet gehandelt wird", ärgert sich Helmut Hagner von der Frey-Gruppe im Gespräch mit der Frankenpost. Und ihn ärgern auch Politiker und Landtagsabgeordnete, die nicht in der Lage seien, eine pragmatische Lösung zu finden. Denn laut Sebastian Macht ist Bayern das einzige Bundesland ohne Ladenschlussgesetz. "Deshalb gilt bei uns nach wie vor das bundesdeutsche Gesetz aus dem Jahr 1957", fügt Birgit Schelter, Leiterin des Marktredwitzer Ordnungsamts, hinzu.
"Wir wollen unsere Einkaufsstadt weiterentwickeln, und der Handel muss viele Herausforderungen bestehen", so Macht. Dass Verdi den Einzelhändlern Knüppel zwischen die Beine werfe, sei völlig unverständlich. "Wir wollen die vier verkaufsoffenen Sonntage beibehalten - und dafür endlich Rechtssicherheit." Es werde Zeit, im Heute anzukommen. Macht bittet Oberbürgermeister Oliver Weigel darum, auch im Städtetag deswegen Druck zu machen.
Gute Tradition
"Hier wird die gute Tradition unserer Märkte beschnitten", beklagt Martin Gramsch. Dadurch entstehe ein Ungleichgewicht zwischen denen, die verkaufen und nicht verkaufen dürfen. "Jeder Umsatz wirkt sich auf die Zahl der Mitarbeiter aus." Daher könne er nicht verstehen, dass sich die Gewerkschaft hier nicht auf die Seite der Arbeitnehmer stellt.
Auch für die Grüne Brigitte Artmann ist es schwer verständlich, dass Geschäfte auf einer Straßenseite öffnen dürfen, auf der anderen nicht. "Es ist schlicht und einfach lächerlich, den Marktsonntag auf dieses kleine Gebiet zu begrenzen." Gisela Wuttke-Gilch (SPD) fordert die "obere Politik" zum Handeln auf, Nägel mit Köpfen zu machen.
Helmut Hagner gibt zu bedenken, dass Marktredwitz immer mehr dem Wettbewerb mit dem Selber Outlet, "wo es solche Verbote nicht gibt", ausgesetzt sei. "Daher brauchen wir den Umsatz und die Menschen, die aus der gesamten Region an den verkaufsoffenen Sonntagen nach Marktredwitz kommen. Wir reden hier von 20 Stunden im Jahr. Und die werden unseren Mitarbeitern doppelt vergütet. Da fällt mir nichts mehr ein", so Hagner. Das Gesetz stamme aus dem letzten Jahrhundert und sei nicht mehr zeitgemäß.
Verärgerte Kunden
Umsatzverlust bedeutet das auch für den Hagebau, wie Marktleiter Alexander Spörl beklagt. Hier würden ebenfalls Sonntagszuschläge bezahlt. Etwa die Hälfte der 61 Beschäftigten arbeite an den Marktsonntagen - "und das bestimmt nicht ungern". Spörl sieht jetzt schon verärgerte Kunden vor verschlossener Tür stehen. "Und gewettert wird dann gegen den Einzelhandel." Patrick Schraml, Geschäftsführer der Edeka-Märkte in Marktredwitz, fällt auch aus der Verkaufszone. "Gerade im November haben wir immer den umsatzstärksten Marktsonntag", rechnet er vor. Das könne man nicht kompensieren. Auch hier bekämen die Mitarbeiter, die sich freiwillig zum Arbeiten eintragen könnten, die doppelte Vergütung. "Wenn etliche Läden nicht mehr öffnen dürfen, wird der Marktsonntag an Attraktivität verlieren", prophezeit Schraml. "Das strahlt ins Umland aus", meint Sebastian Macht von "MAKnetisch", der mit vielen Aktionen um Kunden in der Einkaufsstadt buhlt. Der Bayerische Landtag sei gefragt, hier endlich eine Regelung zu finden, die dem heutigen Standard entspricht, so Macht. "Es will ja keiner mehr als die vier verkaufsoffenen Sonntage!" Verdi sollte sich um wichtigere Dinge kümmern. "Wir in Bayern sind nicht in der Moderne angekommen und leben noch in der alten Zeit", beklagt Macht.
Verdi-Gewerkschaftssekretär Paul Lehmann betont auf Nachfrage: "Die Umsatzinteressen der Händler sind nachrangig, denn der Sonntag ist besonders schützenswert." Verdi sei der falsche Ansprechpartner, denn das Arbeitsministerium in Bayern habe klar signalisiert, dass es mit der CSU hier keine Änderung gebe, so Lehmann. "Wir haben Marktredwitz schon vor eineinhalb Jahren erstmals angeschrieben wegen der Jahrmärkte und haben anfangs nicht einmal eine Antwort bekommen", sagt der Gewerkschaftssekretär, der "nach und nach alle Kommunen anschreibt". Durchgesetzt habe man die eingeschränkten Verkaufszonen rund um Jahrmärkte oder andere Veranstaltungen, die Hauptanziehungspunkt sind, bereits in Bayreuth, Hof, Bamberg, Forchheim und aktuell in Coburg. Konfrontiert mit den Rund-um-die-Uhr-Einkaufsmöglichkeiten im Internet, verweist Lehmann darauf, "dass die Menschen die Ware nicht sonntags geliefert bekommen".
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.