Viele Jahre stand es auf dem Benker-Areal in Marktredwitz einfach nur da und bröckelte langsam vor sich hin. Die „Überschaubar“ mit Blick auf den Auenpark war der einzige Grund, warum man das Gebäude beziehungsweise dessen Dach betreten wollte. Doch die Energieversorgung Selb-Marktredwitz (ESM) hat dem alten, denkmalgeschützten Turbinenhaus neues Leben eingehaucht – hier befindet sich jetzt eine neue Energiezentrale mit einem Pelletkessel als Herzstück. Der Nutzen des Turbinenhauses der früheren Benker-Fabrik bleibt im Vergleich zu früher also gleich, nur dass die Art der Energiegewinnung selbstverständlich sehr viel moderner ist. Das Quartier, das sich aktuell im Bau befindet und dem man buchstäblich beim Wachsen zusehen kann, wird mit regenerativer Energie versorgt. Und sogar der stillgelegte Kamin raucht wieder.
Ein Blickfang
„Man brauchte damals schon viel Fantasie, um sich vorstellen zu können, wie das Turbinenhaus einmal aussehen soll“, erinnerte sich Klaus Burkhardt, Geschäftsführer der ESM, bei der offiziellen Einweihung vor wenigen Tagen. Drei wichtige Punkte hatte es laut Burkhardt zu beachten gegeben: „Das Gelände schreit geradezu nach einer zentralen Energieversorgung. Diese sollte in dem alten Turbinenhaus entstehen, und der Kamin sollte wieder rauchen.“ Die Anforderungen hat die ESM also erfüllt, und die neue Energiezentrale kann sich sehen lassen. „Ich würde sogar sagen, es ist die schönste weit und breit. Ich kenne jedenfalls keine, die sich in einem Denkmal befindet“, betonte Burkhardt.
Besonders an die Kaminsanierung kann sich der ESM-Geschäftsführer noch gut erinnern. Industriekletterer mussten dazu in schwindelerregender Höhe an dem über 40 Meter hohen Schlot arbeiten, um den Kamin wieder einsatzfähig zu machen. „Die Abgasrohre in den Kamin einzufädeln, das war Millimeterarbeit“, sagte Burkhardt.
Entscheidung mit Weitsicht
„In der Planungsphase war das Thema Energiekrise noch nicht in aller Munde. Doch schon damals hatten wir den Klimaschutz im Blick und konzentrierten uns auf Nahwärmeversorgung mit Holz. Eine gute Entscheidung, wie sich heute zeigt“, erläuterte der Marktredwitzer Oberbürgermeister Oliver Weigel. Nachdem bereits zu Zeiten der Benker-Fabrik Energie erzeugt worden sei, würden mit der neuen Energiezentrale der ESM nun Historie und Moderne eine perfekte Verbindung finden. Auch Weigel hatte die spektakulären Bilder der Kaminsanierung noch gut vor Augen.
Tatsächlich ist vor allem der Innenraum des Turbinenhauses kaum wiederzuerkennen. Die Gäste der Einweihung konnten sich nach der feierlichen Eröffnung selbst ein Bild davon machen. Wer sich an die Zeit vor der Sanierung erinnern konnte, traute seinen Augen kaum.
Zwei Pufferspeicher
Und wie funktioniert die neue Energiezentrale nun? „Die Energie für die angeschlossenen Gebäude generieren wir zu etwa 80 Prozent aus Holzpellets. Der Brennstoff Holz macht das Nahwärmenetz besonders umweltschonend“, erklärt Klaus Burkhardt dazu in einer Pressemitteilung der ESM. In zwei Pufferspeichern à 16.000 Litern wird die Wärmeenergie aus dem Holzpelletkessel zwischengespeichert. Im Bedarfsfall steht außerdem ein Gasbrennwertkessel zur Verfügung, der zu einem späteren Zeitpunkt auf den umweltfreundlichen Energieträger Wasserstoff umgerüstet werden soll.
Ergänzt werden diese Wärmeerzeuger durch ein Blockheizkraftwerk (BHKW), welches die erzeugte Wärme ebenfalls den Pufferspeichern zuführt. „Mit dem erzeugten Strom aus dem BHKW haben wir eine nahezu autarke Stromversorgung der Energiezentrale“, erklärt Silvio Schedewy, Projektleiter und Betriebsingenieur bei der ESM.
In der Pressemitteilung gehen Schedewy und sein Kollege Dominic Blechschmidt bei der Kaminsanierung auch ins Detail. Eine technische Meisterleistung der Kaminbauer und des Herstellers der verbauten Anlage sei diese nämlich gewesen. Gleich zwei Hubkräne habe es gebraucht, um die 44 Meter langen und fünf Tonnen schweren Abgasrohre von oben in den Kamin einzulassen.
Zu 90 Prozent in Betrieb
Und wie geht es auf dem Benker-Areal weiter, was die Energieversorgung angeht? Laut der Pressemitteilung ist das Nahwärmenetz aktuell zu 90 Prozent in Betrieb. „Das Interesse ist sehr groß; wir bekommen immer mehr Anfragen und führen bereits Gespräche mit weiteren Anschlussnehmern“, sagt Silvio Schedewy. Das 600 Meter lange Wärmenetz versorgt momentan rund 70 Wohneinheiten sowie das Kinderhaus „Neue Welt“. Auch das Bürogebäude der Arbeitsagentur wird die ESM im Herbst an das Netz anschließen. Weitere Anschlüsse werden für ein Bürogebäude, ein Arztgebäude und ein Gastronomiegebäude vorbereitet.
Für interessierte Besucher ist die Technik des Turbinenhauses übrigens jederzeit sichtbar. Und ein kleines Schmankerl kommt im Herbst noch obendrauf, wie Klaus Burkhardt bei der Einweihung verkündete: „Wir wollen die Technik noch stylisch beleuchten.“
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