Scherdel-Gruppe Marktredwitz setzt verstärkt auf Klimaschutz

Marktredwitz
07.03.2022 - 15:06 Uhr
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Bis in drei Jahren will die Scherdel-Gruppe Marktredwitz 25 Prozent der Emissionen einsparen. Eine Projektgruppe arbeitet Pläne aus, wie sich Energie auf nachhaltige Art sogar selbst produzieren lässt.

Auf immer mehr Scherdel-Werken, wie hier auf dem Bild in Röslau, entstehen Photovoltaikanlagen, die dem Unternehmen nachhaltige Energie liefern.

Wer mit Robert Sroka spricht, der wähnt sich einige Kilometer weiter in Wunsiedel. Sroka ist Projektleiter für Photovoltaik-Anlagen bei Scherdel in Marktredwitz. Und wenn er über Energie referiert, kommt er ziemlich schnell auf die Themen Elektrolyse, Batteriespeicher und Freiflächen-Photovoltaik. Ähnlich wie die Experten des Wunsiedler Energieversorgers SWW "brennt" er regelrecht für erneuerbare Energien. Für die SWW naheliegend, ist es bei einem international agierenden Industrieunternehmen nicht selbstverständlich, tief in diese Thematik einzusteigen. "Wir wollen nicht nur über Klimaschutz reden, sondern handeln", sagt Robert Sroka.

Scherdel hat deshalb im vergangenen Jahr ein Projektteam aufgestellt, das den CO2-Ausstoß im Unternehmen drastisch reduzieren soll: Genau genommen ist es das Ziel, über alle weltweiten Scherdel-Werke hinweg bis zum Jahr 2025 ein Viertel der Emissionen einzusparen. "Nachhaltigkeit hat sich Scherdel schon immer auf die Fahne geschrieben. Unser Energiemanagement ist längst zertifiziert. Wir wollen das Thema jetzt aber weiter forcieren", sagt Projektleiterin Tanja Gebhardt. Allerdings, und das schickt sie voraus, könne das Unternehmen nur etwa 30 Prozent des CO2-Fußabdrucks seiner Produkte selbst beeinflussen. Die restlichen 70 Prozent hingen von den Lieferanten ab. "Diese beziehen wir selbstverständlich in unsere Strategie mit ein. Auch bei den Lieferanten wollen wir bis 2025 ein Viertel der Emissionen einsparen."

36 Millionen Kilowattstunden

Um den Überblick zu behalten, setze Scherdel auf volle Transparenz. "Wie bei den Kosten wollen wir wissen, wie viel CO2 wir überhaupt erzeugen", erläutert Tanja Gebhardt. Bärbel Bach, die als Fachexpertin für Energiefragen im Projektteam ist, hat errechnet, dass die Scherdel-Werke im Raum Marktredwitz, Waldershof und Röslau pro Jahr einen Gesamtstromverbrauch in Höhe von 36 Millionen Kilowattstunden haben. "Es dürfte klar sein, dass produzierende Werke viel Energie benötigen."

Einen Teil davon - geschätzt fünf bis zehn Prozent - will das Unternehmen absehbar selbst nachhaltig erzeugen. Auf den Werken Röslau und Brand-Friedau sind bereits eigene Photovoltaikanlagen installiert. "Wir haben verschiedene Dachflächen überprüft, ob sie statisch für Photovoltaikanlagen geeignet sind. Bei einem lange existierenden Unternehmen wie Scherdel ist das nicht selbstverständlich. Letztlich gibt es aber viele Dächer, auf die wir PV-Anlagen bauen", erläutert Sroka. So etwa auf das Werk in Erlangen, auf die ehemaligen Bauamt-Hallen gegenüber der Zentrale oder auf das Gebäude der Scherdel-Oberflächentechnik. Auch weitere Dachflächen sind geeignet und so sollen in den nächsten Jahren etwa zwei Megawattpeak pro Jahr, auch weltweit, installiert werden. Insgesamt investiert das Marktredwitzer Unternehmen für den Bau neuer PV-Anlagen auf den Dächern der Werke im In- und Ausland mehrere Millionen Euro. Diese Investitionen werden sich laut Tanja Gebhardt auch wirtschaftlich rechnen, ist selbst produzierter Ökostrom doch wesentlich günstiger als zugekaufter. "Scherdel hat für den immer wichtiger werdenden Energiebereich schon frühzeitig eine eigene Tochterfirma gegründet, die Scherdel-Energietechnik."

Elektrolysetechnik

Denkverbote gebe es in der Projektgruppe nicht. Und so kann sich Sroka durchaus vorstellen, dass das Unternehmen überschüssigen Solarstrom in einem eigenen "Batteriespeicher parkt" oder mit Hilfe der Elektrolysetechnik Wasserstoff produziert. "Denkbar sind auch Freiflächen-PV-Anlagen auf geeigneten Werksgeländen." Sogar Biomasse spielt eine Rolle. "Wir sind mit einem Landwirt im Gespräch, um Biogas in einem eigenen Blockheizkraftwerk zu nutzen." Dass der sogenannte Wunsiedler Weg auch für ein gewerbliches Unternehmen inspirierend sei, will er nicht verhehlen.

Eigenproduzierte regenerative Energie ist nicht alles. Wie Ulrike Wagner, unter anderem für das Umwelt- und Energiemanagement im Unternehmen zuständig, sagt, ist jede Kilowattstunde Strom am besten, die nicht verbraucht wird. Dazu tragen bestenfalls alle 6000 Mitarbeiter bei. "Tatsächlich betrifft unsere Klimaagenda jedes Werk. Weltweit." In China werde das Thema anders kommuniziert als in Brasilien oder den USA - immer jeweils dem gesellschaftlichen Stand der Klimadiskussion angemessen. "Letztlich muss aber überall die CO2-Emission reduziert werden." Die Kampagne stößt laut den Mitgliedern des Projektteams überall auf offene Ohren. "Wir erhalten unheimlich viele Anregungen für Einsparungsmöglichkeiten aus der Belegschaft", sagt Ulrike Wagner.

Vermehrt Ökostrom

Trotz aller Anstrengungen bleibt immer ein Teil Energie, den Scherdel zukaufen muss. "Künftig wird es sich dabei vermehrt um Ökostrom handeln", sagt Projektleiterin Tanja Gebhardt.

Ob die CO2-Einsparungen auch bei den Lieferanten gelingen werden? Da es sich hierbei unter anderem um Stahlhersteller handelt, dürfte das Unterfangen bei diesen Unternehmen schwierig werden. Wenngleich zum Beispiel deutsche Werke mittelfristig für die energieaufwendige Produktion auf grünen Wasserstoff umsteigen wollen.

Auch Scherdel ist Lieferant - vorwiegend für die Automobilindustrie. "Diese ist verpflichtet, ihre Energieeffizienz zu steigern und die Emissionen einzudämmen", erläutert Ulrike Wagner. Und diese Verpflichtung gäben sie weiter, so dass am Ende bestenfalls die gesamte Lieferkette weitgehend klimaneutral wird.

Seit Jahren setzt das Marktredwitzer Unternehmen im Firmenverkehr auch auf die E-Mobilität. Eine Flotte E-Autos "tankt" etwa stets an den Ladesäulen am Hauptsitz. "Das ist bei uns mittlerweile völlig normal. Als nächsten Schritt nehmen wir uns wahrscheinlich unsere Lkw-Flotte vor. Wir denken hier auch in Richtung Wasserstoff", sagt Robert Sroka. "Wir hören auf jeden Fall 2025 nicht auf mit unserem Ziel, weitgehend klimaneutral zu werden."

Für den Klimaschutz müssen früher oder später alle produzierenden Unternehmen in Deutschland Emissionen reduzieren. Grundsätzlich bestehe hier die Gefahr des sogenanntem Green-Washings. Ulrike Wagner: "Uns ist hier ein ehrlicher und nachvollziehbarer Weg extrem wichtig." Wenn Scherdel bis 2025 ein Viertel des jetzt noch produzierten Kohlenstoffdioxids einspart, sei dies in etwa vergleichbar des CO2-Senkungspotenzials von 1200 Hektar Wald.

Info:

Die Scherdel-Gruppe

  • Gründung 1889 in Marktredwitz durch Kommerzienrat Sigmund Scherdel. Start als Drahtzieherei für Klaviersaitenherstellung. Schon bald schließt sich die Weiterverarbeitung der Federstahldrähte zu Speichen, biegsamen Wellen, Zug-, Druck- und Drehfedern an.
  • 1988 übernahm Scherdel die Firma Meco in Waldershof und baute hier einen Werkzeugbau für die Stanz- und Biegetechnik auf.
  • Rund 6500 Mitarbeiter in 45 produzierenden Werken in 12 Ländern.
  • Weltweit gehören 34 Standorte zur Firmengruppe, die nach Unternehmensangaben von der Umformtechnik über die Montage- und Fügetechnik bis hin zur Oberflächentechnik und dem Maschinen‑, Werkzeug- und Anlagenbau ein breites Spektrum abdecken.

"Scherdel hat für den immer wichtiger werdenden Energiebereich schon frühzeitig eine eigene Tochterfirma gegründet, die Scherdel-Energietechnik."

Projektleiterin Tanja Gebhardt

 
 

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