Mehlmeisel
30.12.2020 - 12:06 Uhr

Neujahrsanspielen in Mehlmeisel fällt aus

Eine gefühlte Ewigkeit wird in Mehlmeisel und dem Umland das neue Jahr musikalisch begrüßt. Nur einmal ist es zum Teil ausgefallen. Es hat einst einen Tag lang wie aus Kübeln gegossen. Jetzt ist Corona dazwischengekommen.

Ein schönes Foto aus dem Jahre 2001. Die prächtige Kulisse passte ganz besonders gut zum Schneewalzer. Bild: gis
Ein schönes Foto aus dem Jahre 2001. Die prächtige Kulisse passte ganz besonders gut zum Schneewalzer.

Eigentlich wäre es heuer ein halbrundes Jubiläum gewesen: Denn vor 65 Jahren hat die Blaskapelle Edelweiß, aus der später die jetzigen Original Fichtelgebirgsmusikanten hervorgingen, den alten Brauch des Neujahranspielens übernommen. Gegeben hat es diese Tradition aber schon früher. Hat doch der verstorbene Altbürgermeister Hans Lehnert in seiner „Mundartchronik Band I“ bereits ein Foto aus dem Jahr 1952 vom „Naiajauaümmischbühln“ veröffentlicht. Offenbar waren damals junge Burschen aus dem Umfeld der Blaskapellen Gottsmann und La Paloma unterwegs.

Heuer hat dem Ganzen Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nur ein einziges Mal in all den Jahrzehnten – und zwar in den 60-er Jahren - musste das „Anspielen“, das meist über zwei Tage ging, einen Tag lang unterbrochen werden, "weil es in Strömen regnete und Musikanten und Instrumente triefend nass wurden“, weiß Franz-Josef Pscherer, heutiger Leiter der Original Fichtelgebirgsmusikanten aus früheren Erzählungen und seit langem mit dabei.

Immer brachten die Musikanten zur Freude der Bewohner musikalische Glück- und Segenswünsche ins Haus. Früher zogen sie in Mehlmeisel zu Fuß von Haus zu Haus durchs Dorf, mussten oftmals durch meterhohen Schnee stapfen oder waren – wie im vorigen Jahr - im Grünen bei strahlendem Sonnenschein unterwegs.

Im Laufe der Zeit besuchten die Musikanten aber nur noch jene Häuser in Mehlmeisel, wo sie wussten, dass sie schon erwartet wurden und herzlich willkommen waren. Dazu gehörte selbstverständlich auch das Anstoßen auf das neue Jahr, eine Spende für die Getränkekasse und manchmal auch eine deftige Brotzeit. Dies ist bis heute so geblieben. Immer wieder melden sich aber auch neue Interessierte, die diesen Brauch aktiv mit unterstützen wollen, bei den Musikanten, und bitten sie auch, bei ihnen vorbeizukommen.

Anfang der 70-er Jahre weiteten sie das Überbringen der Glück- und Segenswünsche – mittlerweile mit dem Bus unterwegs - in die Nachbargemeinden Fichtelberg, Brand, Nagel und vor allem Warmensteinach aus, worum der frühere Bürgermeister Josef Prechtl extra gebeten hatte. „Prechtl war ein großer Gönner der Musikanten und begleitete sie - vor allem in die touristischen Einrichtungen und weiteren Häuser, um die besten Wünsche für das neue Jahr an Gäste und Einheimische musikalisch zu überbringen“, erinnert sich Franz-Josef Pscherer. Viele Musikstücke – alles traditionelle Stücke aus dem „Hut“, also auswendig gespielt - hatten die Musikanten in ihrem Repertoire. Wenn es vom Wetter her passte, natürlich auch den „Schneewalzer“.

„Natürlich bedauern die Musikanten aus dem Fichtelgebirge, die sich Jahr für Jahr zum Jahresende zu diesem Zweck zusammen finden, zutiefst, dass die Pandemie keinen Freiraum für diese Tradition lässt. Vor allem die jungen Musikanten sind mit Leib und Seele dabei, auch wenn diese Tage – manchmal auch wegen des vielfachen Anstoßens – sehr anstrengend sind“, sagt Franz-Josef Pscherer. "Aber die Ungeduld, dass die Instrumente endlich wieder herausgeholt werden können und es im nächsten Jahr wieder zum Neujahranspielen losgeht, ist bei allen da. Wenigstens auf diesem Weg wünschen wir allen Freunden dieser Tradition ein gesundes und glückliches neues Jahr.“

Der Brauch des „Umispielens“ knüpfe an das Neujahrssingen der Arbeiter in der Paterlhütte an, die in der Silvesternacht nach getaner Arbeit von Haus zu Haus zogen und das Mehlmeiseler Neujahrslied sangen: "Hört ihr Leut' und lasst euch sag'n. Hammer und Glöckle hab'n 12 Uhr g'schlag'n. Zwölf Uhr ist der letzte Schlag, ist wiederum ein Jahr vollbracht …“. Diese Geschichte wird oftmals erzählt. Das kann sich aber Heimatforscher Josef Wiche nicht vorstellen: „Denn der Betreiber der Hütte war ein sehr christlicher Mann, der den Betrieb ab Heiligabend über die Rauhnächte bis Dreikönig ruhen ließ. Zwar wurde in der Paterlhütte viel gesungen, aber zu den genannten Tagen hat dort sicher niemand gearbeitet." Während der Rauhnächte haben die Dorfbewohner auch zuhause kaum Arbeit verrichtet. „Angeblich haben die Frauen nicht einmal gefegt oder Wäsche gewaschen und die Männer versorgten nur die Tiere im Stall. Erst an Dreikönig kehrte das Arbeitsleben zurück“, erzählen die Altvorderen noch heute. Gesungen wird das Lied aber alljährlich noch im Jahresschlussgottesdienst und in der Silvesterandacht der KAB.

Chronist Josef Wiche hat bezüglich des Mehlmeiseler Neujahrslieds in Chroniken und Schriften geblättert und herausgefunden, dass die Ursprünge bei den Gemeindehirten zu suchen sind. Wiche berichtet: „Hirten hatten das Recht, einmal jährlich bei den Bauern im Dorf eine freiwillige Gabe einzusammeln. Der alte Lied "Hört ihr Herrn und lasst euch sagen" war in seiner Melodie einem Choral aus dem Jahr 1608 nachempfunden. Im Lauf der Generationen wurde es von Nachtwächtern und Hirten im Sinn eines echten Volksliedes immer wieder verändert und bekam in unterschiedlichen Landstrichen eine ganz typische lokale Prägung.

Neujahrsanspielen im Jahr 1952. Bild: gis
Neujahrsanspielen im Jahr 1952.
Bild: gis
 
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