Bürgermeister Joachim Neuß scheute nicht davor zurück, die am 6. Mai 1119 beurkundete Gründung des Klosters Michelfeld als „Wiegenfest für unsere gesamte Stadt zu bezeichnen“. Das Kloster sei ein bauliches Juwel, das dank des Einsatzes von Regens Johann Evangelist Wagner in den Jahren 1884/85 heute segensreich für die Betreuung von Menschen mit Behinderung genutzt werde
Der Aufmarsch von politischer wie lokaler Prominenz beim Festakt am Freitag im Pfarrsaal verdeutlichte die Wertschätzung, die diese Einrichtung überall genießt. Wer in Auerbach Rang und Namen hat, war unter den geladenen Gästen. Unter anderem hatte die Stadt Einladungen an alle in Auerbach geborenen Geistlichen verschickt. Die weiteste Anreise hatte der frühere Auschwitzer Oberbürgermeister Janusz Marszalek auf sich genommen, der Gründer des Kinderdorfes Maja, mit dem die Regens-Wagner-Einrichtung enge Kontakte unterhält.
Die größten Schnitzel
Unter den Grußwort-Sprechern erhielt Landrat Richard Reisinger den größten Applaus, weil er die aktuellen Wurzeln des in 900 Jahren kaum abgeklungenen Michelfelder Selbstbewusstseins am besten benennen konnte: „Ihr habt hier die älteste Feuerwehr im Landkreis, die vielleicht kultigste Faschingsprunksitzung und die größten Schnitzel.“ Und auch die Bedeutung der Regens-Wagner-Einrichtung (im Volksmund: das Kloster) für den Ort verkannte er nicht: „Hier wurden Inklusion und Teilhabe praktiziert, als es diese Begriffe noch gar nicht gab.“
Die beste Nachricht für „das Kloster“ als Heimat von rund 500 Menschen mit Behinderung oder Beeinträchtigung brachte Regierungspräsident Axel Bartelt mit: Beginn des ersten Bauabschnitts der seit Jahren angedachten Generalsanierung wird Anfang 2020 sein. Derzeit liefen die Ausschreibungen für die Planer. Die 3,3 Millionen Euro an Kosten für den ersten Bauabschnitt seien zu 80 Prozent durch Förderungen abgedeckt. „Das ist nicht alltäglich.“ Für die insgesamt vier Bauabschnitte des denkmalgeschützten Komplexes seien Kosten von 37 Millionen Euro kalkuliert. Hier gebe es zwar nach wie vor eine Förderlücke, doch die sei 2018 deutlich kleiner geworden. Bartelt sah in der Sanierung eine „Mammutaufgabe, die jeder Mühe wert ist“.
Gelebte Menschlichkeit
Der Bundestagabgeordnete Alois Karl (CSU) ergänzte mit Blick auf die Menschen, die in der Vergangenheit den Bestand des Klosters gesichert haben: „Wenn wir in unserer an sich reichen Zeit diese Aufgabe nicht bewältigen würden, wir könnten vor der Geschichte nicht bestehen.“
Bezirkstagsvizepräsident Lothar Höher versicherte die Verantwortlichen von Regens Wagner dabei auch der Unterstützung des Bezirks. „Denn Sie sind ein großartiger Partner.“ Der CSU-Landtagsabgeordnete Harald Schwartz nimmt im ganzen Landkreis eine hohe Wertschätzung für den Namen Michelfeld wahr - „wegen der gelebten Menschlichkeit hier“.
Rainer Remmele, der Vorstandsvorsitzende der Regens-Wagner-Stiftungen (mit 14 Niederlassungen in Bayern), erklärte: „Die Sanierung des Klosters setzt ein Lebenskonzept um. Wir schaffen Zukunft. Auch für Menschen mit Behinderung.“ Er dankte für „all das, was Sie uns mitgeben auf unserem Weg“.
Hier spielt schon immer die Musik
Den Festvortrag zur Geschichte des Klosters hielt Professor Konstantin Lindner. Prädestiniert dafür war der 43-Jährige weniger durch die Tatsache, dass er auf einer ehemaligen Klostermühle bei Weidlwang aufgewachsen ist, wie er scherzhaft anmerkte, sondern eher durch seine Profession: Als Inhaber des Lehrstuhls für Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts an der Uni Bamberg zeigte er, wie man Geschichte modern und unterhaltsam präsentiert, ohne ihr dabei die Tiefe zu nehmen.
Er schilderte die Klostergründung 1119 als Akt der Verteidigung und der Machtausübung durch Bischof Otto von Bamberg. Denn Bischöfe interessierten sich zu dieser Zeit weniger für die Seelsorge, agierten vielmehr als Fürsten, die sich gegen andere durchsetzen wollten.
Ursprünglich sei es ein benediktinisches Doppelkloster gewesen, denn in Pferrach habe man zeitgleich vier Nonnen angesiedelt. Diese Benediktinerinnen seien aber noch im 12. Jahrhundert nach Bamberg gezogen. Die letzten Reste ihrer Kapelle seien erst in den 60er Jahren beseitigt worden.
Bei der Aufhebung des Klosters im Jahr 1556 hätten sich die meisten Mönche bereits den Ideen der Reformation angeschlossen gehabt: „Der Abt lebte wohl bereits in einer Beziehung und hatte Kinder.“
Die Restitution von 1669 betrachtete Lindner als den Beginn einer „Hochphase, von der wir noch heute zehren“ - was etwa die prachtvolle Ausgestaltung der Klosterkirche durch die Gebrüder Asam angehe.
Die Michelfelder Benediktiner hätten die Welt um sich herum in vieler Hinsicht nachhaltig gestaltet. Durch ihre Seelsorge aus dem christlichen Glauben heraus. Durch das Kloster als ökonomisches System, das den Einheimischen Arbeitsplätze bescherte (was noch heute gilt) und die Landschaft veränderte. Durch ein Bildungsangebot, das weit vor der Schulpflicht auch der Nachwuchsgewinnung diente und nicht zuletzt der Förderung musikalischer Fertigkeiten. „Vielleicht hängt es damit zusammen, dass es im relativ kleinen Michelfeld heute noch so viele Chöre gibt.“
Auch den schmerzlichsten Teil der Geschichte der Wagnerschen Anstalten ließ Lindner nicht aus: als 1941 Bewohnerinnen abtransportiert und im Zuge der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Aktion T4 umgebracht wurden. Davon habe ihm seine Großmutter noch aus eigenem Erleben berichtet. Er lobte die Erinnerungsorte, die Regens Wagner dafür eingerichtet hat: „Ich finde das genial, wie das Kloster das aufgearbeitet hat.“ (ll)
Was auch der Papst nicht schafft
Das besondere Verhältnis zwischen Auerbachern und den eingemeindeten Michelfeldern wurde Regierungspräsident Axel Bartelt schnell klar, als er merkte, wie wenig es die Michelfelder schätzen, als Auerbacher tituliert zu werden, obwohl es ja rein von der Zugehörigkeit zur politischen Gemeinde her stimmt. Bürgermeister Joachim Neuß verdeutlichte die Eigenart des Menschenschlags im nördlichsten Teil des Landkreises mit einer Anekdote: „Wenn der Papst Deutschland besucht, sagt der Auerbacher hinterher: Aber bei uns war er nicht. Besucht er doch Auerbach, heißt es beim Michelfelder: Aber ich habe ihn nicht gesehen.“ (ll)
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