Es war kaum anders zu erwarten: Dicht an dicht drängten sich am Montag die Gäste im Café des Mehrgenerationenhauses (MGH). Groß war das Interesse an der gebürtigen Mitterteicherin Annelee Woodstrom und ihrer Lebensgeschichte. Auf Einladung des Arbeitskreises Heimatpflege und des Literarischen Arbeitskreises stellte sie ihr Buch "Kriegskind - Meine Jugend im Hitlerdeutschland. Aber muss es denn ein Ami sein?" vor. Die von Reiner Summer ins Deutsche übersetzte Variante hatte sie am vergangenen Wochenende auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt (wir berichteten).
Annelee Woodstrom, die früher Anneliese Sölch hieß, ist auch mit 93 Jahre noch ein Energiebündel. Obwohl sie erst kurz vor dem Termin im Mehrgenerationenhaus wieder aus Frankfurt eingetroffen war, zeigte sie sich kein bisschen müde und erzählte voller Elan von Erlebnissen in ihrer Kindheit und Jugendzeit. Und natürlich davon, wie sie als junge Frau den Soldaten Kenny kennenlernte, wodurch ihr Leben für immer eine neue Wendung nehmen sollte.
Den Rummel um ihre Person hat Woodstrom ihrer Großnichte Susanne Müller zu verdanken. Sie war es, die Reiner Summer spontan gefragt hat, ob er das Buch übersetzen würde. "Es ist schon erstaunlich, wie sich alles entwickelt", bemerkte Müller, die ihre Großtante zur Lesung begleitete und ihr beim Signieren behilflich war. Um die Technik im MGH kümmerte sich Bastian Müller, der Urgroßneffe der Autorin. Auch er war auf der Buchmesse mit dabei gewesen. Stolz berichtete die Familie, dass sogar der amerikanische Botschafter am Messestand vorbeigeschaut habe. Außerdem habe ein Verlag aus Wien Interesse bekundet und auch viele Buchhändler hätten sich gemeldet, erzählt Susanne Müller.
Ausharren im Luftschutzkeller
Immer wieder kamen Besucher im Laufe des Abends zu Annelee Woodstrom an den Tisch, wollten mit ihr sprechen, ihr die Hand drücken und ein Buch kaufen. Auch Reiner Summer las einige Passagen aus dem Werk vor, die Autorin selbst erzählte häufig frei weg aus ihrem Leben, darunter auch Episoden, die nicht im Buch stehen. Sehr still im Raum wurde es, als sie vom Ausharren im Luftschutzkeller in München berichtete. Während des Krieges seien ihr dort die Bomben regelrecht um die Ohren geflogen, unzählige Tote habe sie gesehen. Wiederholt fasste sich Annelee Woodstrom dabei an die Brust oder an den Hals, so als müsse sie sich heute noch davor schützen.
In ihrem Buch "Kriegskind" hat sie auch den Heiratsantrag von Kenny schriftlich festgehalten. Sie habe kein Englisch gesprochen und er kein Deutsch, erzählte sie. Dennoch habe sie ihn gut verstanden. "Yes, you come. You my wife" habe er eines Tages zu ihr gesagt. Und sie habe freudestrahlend erwidert: "Yes, I come to Minnesota." Das war 1945, Anneliese war erst 20 Jahre alt. Aber erst 18 Monate später, im April 1947, konnte sie Kenny in den USA heiraten. 52 Jahre später verstarb ihr Ehemann, was der Auslöser gewesen sei, das Buch zu schreiben. Sie habe ihre gemeinsame Liebes- und Lebensgeschichte schriftlich festhalten wollen.
Empfang im Rathaus
Davon und noch viel mehr erfuhren am Dienstag auch die Jugendlichen an der Mittelschule Mitterteich, wo Annelee Woodstrom am Morgen den nächsten Vortrag hielt. Und an diesem Mittwoch steht ein Empfang bei Bürgermeister Roland Grillmeier im Rathaus auf dem Programm. Bis Ende Oktober bleibt die Seniorin noch in Mitterteich, dann kehrt sie wieder zurück nach Minnesota.
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