"Der AWO-Kreisverband Tirschenreuth ist nicht zahlungsunfähig oder pleite", betont Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter Florian Schott von der Kanzlei SDK Schott Dobmeier Kießlich Rechtsanwälte & Insolvenzverwalter GbR. Stattdessen habe sich das Führungsgremium dazu entschieden, mit der Maßnahme eines Insolvenzverfahrens ihr Unternehmen, dem eine Krise drohen könne, zu sanieren. Damit korrigiert Schott bei einem Pressegespräch mit dem Vorstand am Donnerstag den Artikel von Oberpfalz-Medien, in dem erstmals über das Insolvenzverfahren des AWO-Kreisverbandes berichtet worden ist.
Vergangenen Freitag hatte dieser das Verfahren beantragt. Am Montag hatten sich weder der Insolvenzverwalter noch der Vorstand näher dazu äußern wollen, da die Mitarbeiter des Verbandes noch nicht informiert waren. Inzwischen hat die Arbeiterwohlfahrt das nachgeholt. Wie haben die Mitarbeiter den Sachverhalt aufgenommen? "Alle helfen zusammen", sagt Florian Schott. "Sie waren verständnisvoll und bleiben bei der Stange. Es ist Zusammenhalt da", erklärt er.
Krisenursachen identifizieren
Für die 89 Beschäftigten, davon sind 63 in der Pflege, laufe die Arbeit in den verschiedenen Einrichtungen des AWO-Kreisverbandes normal weiter. Die Nachricht über die Insolvenz des Kreisverbandes schlug große Wellen. "Wir mussten alle beruhigen. Der schlimmste Vorwurf war: ,Wir müssen alles aus der Presse erfahren'", sagt Vorstandmitglied Marianne Scheffler mit ernster Miene. Geschäftsführerin Heike Laube war nicht bei dem Pressegespräch dabei, sie sei derzeit auf Reha, so war zu erfahren.
Das Team des Insolvenzverwalters ist derzeit nach Schotts Angaben dabei, alle Krisenursachen zu identifizieren. "Es ist schwierig, das alles zu durchdringen", sagt Schott. Er vertritt jedoch die Meinung, dass der AWO-Kreisverband kein Schuldenproblem habe. Als Gründe für das Verfahren nennt er unter anderem die im September 2022 erfolgte Anpassung an das regional übliche Entlohnungsniveau. Edwin Ulrich erklärt, dass dabei die Gehälter der Mitarbeiter an den Tarif angelehnt worden seien. "Auf der Gegenseite haben aber die Krankenkassen weniger bezahlt", sagt Schott. Der AWO-Kreisverband habe hier in Vorleistung gehen müssen.
"Eine Rolle spielt auch, dass ein Kreisverband von staatlichen Zuschüssen lebt", sagt Schott. So biete der AWO-Kreisverband auch Asyl- und Migrationsberatung an. "Doch der Freistaat Bayern hockt auf den Geldern der Migrationshilfe", sagt der Insolvenzberater. Das verursache eine Lücke, die den Kreisverband wiederum dazu zwinge, bis zum Ende des Jahres in Vorleistung zu gehen. "Alles in einem Topf führt dazu, dass die Liquidität weniger wird", sagt Schott.
Ein weiterer Punkt sei, dass Mitarbeiter häufig freiwillige Leistungen gewährt hätten, die nicht vergütet worden seien. "Es sind Leistungen erbracht worden, weil man meinte, die Allgemeinheit braucht es. Aber man kommt so auf keine schwarze Null", so Schott. Edwin Ulrich erklärt: "Wir sind ein Wirtschaftsunternehmen. Auch wenn wir Arbeiterwohlfahrt heißen, müssen wir wirtschaftlich arbeiten."
Betrieblicher Umfang gewachsen
Noch 2019 hatte der damalige Vorsitzende Thomas Döhler erklärt, dass den AWO-Kreisverband ein Defizit des Mehrgenerationenhauses (MGH) in Mitterteich belaste und auch die AWO-Läden schon mehrere Jahre ein Minus geschrieben hätten. Vorstandsmitglied Marianne Scheffler erklärt dazu: "Die Läden machen kein Defizit mehr. Und auch für das MGH ist die Finanzierung da." Die sieben Ortsvereine der AWO im Landkreis seien überdies nicht vom Insolvenzverfahren betroffen. Die Arbeit der AWO läuft nach Angaben des Kreisverbands im Landkreis normal weiter.
In Bezug auf die Tafel in Mitterteich reagierte Vorsitzender Edwin Ulrich verwundert auf ein Statement der Tafel-Vorsitzenden Nicole Fürst , die gegenüber Oberpfalz-Medien angegeben hatte, die Tafel Mitterteich sei nicht von dem Insolvenzverfahren des AWO-Kreisverbandes betroffen, da sie ein eigenständiger Verein sei. Der Kreisverband Tirschenreuth der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und der Rotary-Club Stiftland hätten die Tafel Mitterteich 2007 mitgegründet. "Wir beteiligen uns an den Kosten. Die Chefin ist von der AWO angestellt", so Ulrich. Er selbst sei deshalb auch im Vorstand der Mitterteicher Tafel vertreten.
Insolvenzverwalter Florian Schott wirft ein: "Die Arbeiterwohlfahrt ist für das Gemeinwesen da. Das wird immer auch Verlust machen." Im Rahmen des Insolvenzverfahrens soll eine Struktur erarbeitet werden, damit der Verband nicht in die Krise rutscht. Deshalb wird das Team des Insolvenzverwalters in den nächsten Monaten alle Bereiche des AWO-Kreisverbands isoliert voneinander betrachten. "Wir müssen verstehen, wie es läuft." Dann sollten die bestehenden Bereiche optimiert werden. "Der betriebliche Umfang ist in den vergangenen Jahrzehnten immens gewachsen. Die Strukturen nicht."
So habe sich im AWO-Kreisverband ein mittelständisches Unternehmen entwickelt. Der Vorstand bestehe jedoch aus Ehrenamtlichen, die keine Ausbildung dafür hätten. Die verschiedenen Bereiche hätten sich zumeist selbstständig organisiert. "In anderen Unternehmen gibt es Prokuristen oder Bereichsleiter. Das gibt es hier bisher nicht", nennt Schott einen Ansatzpunkt. Der Insolvenzverwalter geht davon aus, dass bis circa Ende April die Probleme identifiziert sind. "Dann kann man sich mit allen Beteiligten zusammensetzen, um Lösungen zu finden."
Der AWO-Kreisverband Tirschenreuth
- Gründung: Mitte der 1980er Jahre, Erweiterung ab Mitte der 1990er Jahre im Zuge der Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung
- Mitarbeiter: 89, 63 in der Pflege
- Mitglieder des Vereins: Rund 900
- Einrichtungen: Ambulanter Pflegedienst, mobiler sozialer Hilfsdienst, bunte AWO-Läden, Asyl- und Migrationsberatung, Bürgerhilfsstelle
- Träger: Für Mehrgenerationenhaus in Mitterteich, Betreiber des Marktcafés
- Sozialpartner: Für Betreutes Wohnen in Mitterteich, Waldsassen und Plößberg
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