Mitterteich
05.11.2023 - 10:48 Uhr

Von Schott zu den Stiftlandwerkstätten und umgekehrt: Beschäftigte tauschen Arbeitsplatz

Es war ein großes Erlebnis für die Beteiligten in Mitterteich: Bei der Aktion "Schichtwechsel" erhielten Beschäftigte der Schott AG und der Stiftlandwerkstätten Einblicke in den Berufsalltag des jeweils anderen.

Eine große helle Werkstatt, Maschinen zur Metallbearbeitung, CNC-Fräsen, Drehbänke - so sieht sowohl der Arbeitsplatz von Uwe Schlegel als auch der von Alexander Merkel aus. Einziger Unterschied: Merkel arbeitet bei Schott, Schlegel in den Stiftlandwerkstätten Sankt Elisabeth der Katholischen Jugendfürsorge (KJF). Da könnte man doch mal den Arbeitsplatz tauschen, haben sich die beiden gedacht. Und so geschah es auch - im Rahmen des bundesweiten Aktionstags "Schichtwechsel", der Menschen mit und ohne Handicap zusammenbringen soll.

Uwe Schlegel stellt sich routiniert neben seinen Ein-Tages-Kollegen Alexander Merkel: Schlegel ist kein Mann großer Worte, er zeigt lieber: Vier Aluteile nimmt er mit der Linken, kurz bündig klopfen, dann spannt er die Teile gemeinsam und parallel in eine Vorrichtung und bohrt je zwei Löcher pro Teil. Auch an der hochmodernen CNC-Fräse nebenan kennt er seine Handgriffe. Zufrieden und pragmatisch meint er selbst dazu: "Mir gefällt alles, solange es Arbeit gibt."

Erster Arbeitsmarkt das Ziel

Und reichlich Arbeit gibt es seit der Gründung der örtlichen KJF-Einrichtung vor 30 Jahren. Das Team in der Abteilung Metallbearbeitung besteht aus 22 Menschen mit Behinderung, einer davon ist Uwe Schlegel. Er arbeitet hier seit drei Jahren, ist aber bereits seit 25 Jahren in den Stiftlandwerkstätten beschäftigt. Außerdem in der Werkstatt anwesend sind zwei Betreuer und Josef Waidhas, der technische Leiter. "Unser Ziel ist Teilhabe für unsere insgesamt fast 200 KJF-Mitarbeiter mit Behinderung", sagt er. "Wir wollen ja erreichen, dass Kollegen wie Uwe den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt schaffen. Das klappt realistisch aber leider nur für rund ein Prozent - und da geht doch mehr! Wir wollen zeigen, was Menschen mit Behinderung in der Metallbearbeitung können, und so eine Aktion Schichtwechsel ist dafür natürlich genau richtig."

Riesige Stückzahlen

Uwe Schlegel selbst war es, der in seinem regelmäßigen Entwicklungsgespräch gesagt hat: "Ich will mal eine Firma außerhalb der Werkstätte kennenlernen." Sein Team hat ihm das ermöglicht. Schott ist ohnehin seit 30 Jahren Auftraggeber für die KJF, weiß Waidhas, der früher selbst viele Jahre beim Glaskonzern gearbeitet hat: "Schott ist für die Stiftlandwerkstätten einer der wichtigsten Kunden, für den wir permanent Teile fertigen. Aber wir haben auch andere Großaufträge, etwa von BMW oder lokalen Mittelständlern. Da geht es teilweise um riesige Stückzahlen. In Sachen Qualität und Pünktlichkeit wird von uns genau das Gleiche erwartet, wie von jeder anderen Firma. Und wir liefern das."

Neben Metallbau, Montageabteilung und Wäscherei betreibt die KJF in Mitterteich eine Abteilung Hauswirtschaft und eine Großküche. Letztere liefert am Tag über 1 000 Essen aus, zum Beispiel an Schulen. Zwei der Essen gehen an diesem Tag direkt nach nebenan, in den Speisesaal zu Uwe Schlegel und Alexander Merkel. Dem Schott-Mitarbeiter schmeckt es hervorragend, der KJF-Beschäftigte findet's auch ganz gut, aber: "An die gute Hausmannskost von der Mutti kommt nichts ran", sagt er bierernst.

Frisch gestärkt geht es nach dem Mittagessen ein paar Straßen weiter, auf das 18 Hektar große Werksgelände von Schott. Mittendrin sind die Maschinenbau-Werkstätten. Der Maschinenbau ist ein Herzstück von Schott, denn so gut wie alle Maschinen aus der globalen Rohrglas-Produktion des Glaskonzerns werden hier gefertigt. Für Uwe Schlegel fällt die Begrüßung zudem recht familiär aus: "Uwe, kennst mich noch?", fragt Patrick Braun, Leiter Maschinenbau. Er hat vor Jahren seinen Zivildienst bei der KJF geleistet. Schlegel, der damals auch schon da war, muss beim Wiedersehen zwar etwas überlegen, aber das ist auch gar nicht so wichtig. Wichtiger ist ihm gerade der Standfuß für ein optisches Messsystem, den er gemeinsam mit Alexander Merkel zusammenschraubt.

"Das ist wie Lego für Erwachsene", erklärt Merkel und zeigt Schlegel auf dem Touchscreen mit Konstruktionszeichnung über der Werkbank, was zu tun ist. Es klappt gut. "Mich beeindruckt ehrlich gesagt ziemlich, was ich heute mit Uwe und in den Stiftlandwerkstätten erlebt habe", resümiert Alexander Merkel. "Das waren super interessante Einblicke in die Arbeitswelt von Kollegen, die seit 30 Jahren Teile für uns vorfertigen, die dann von mir im Maschinenbau bei Schott verbaut werden."

Und auch Uwe Schlegels Tageszusammenfassung fällt durchwegs positiv aus. In seiner pragmatischen Art bemerkt er kurz und knapp: "Schai." Und damit endet dann pünktlich ein für alle abwechslungsreicher Tag, der einen bleiben Eindruck hinterlassen haben dürfte.

 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.