Warum Tafel-Vorsitzende Nicole Fürst mittlerweile schlaflose Nächte hat

Mitterteich
20.02.2023 - 14:45 Uhr
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Bei der Mitterteicher Tafel ist nichts mehr so wie vor einem Jahr. Der Krieg in der Ukraine hat die Arbeit grundlegend verändert. Spenden sind mittlerweile nicht nur willkommen, sondern lebensnotwendig.

Mit solch einer Entwicklung hatte die Vorsitzende der Mitterteicher Tafel, Nicole Fürst, nie und nimmer gerechnet. "Aus unserer ehrenamtlichen Tätigkeit ist mittlerweile ein unbezahlter Fulltime-Job geworden", sagt die Fuchsmühlerin. Es mangle mittlerweile an allem: an Lebensmitteln, an Geld und an Helfern. Schuld daran ist nach ihren Angaben der Krieg in der Ukraine. Der Einmarsch russischer Truppen am 24. Februar 2022 und seine Folgen haben mittlerweile massive Auswirkungen auf die Tafel.

"Viele Hilfsorganisationen wurden zu Beginn des Ukrainekriegs aus dem Boden gestampft, und die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung war riesig", erklärt die Fuchsmühlerin. Mittlerweile sei es still geworden um diese Organisationen. Viele hätten die Arbeit eingestellt. Das bekomme die Mitterteicher Tafel voll zu spüren. "Wir haben immer mehr zu tun, um unseren Armutsbetroffenen und Geflüchteten den Alltag zumindest etwas zu erleichtern", sagt sie. Auch die Inflation sowie die gestiegenen Energie- und Lebensmittelkosten hätten massive Auswirkungen auf die Tafel.

Einheimische werden weniger

Nicole Fürst hat beobachtet, dass mit der Zunahme der Flüchtlinge aus der Ukraine im Gegenzug die einheimischen Abholer immer weniger werden. Das findet sie sehr bedauerlich. Aktuell versorgt die Tafel wöchentlich rund 300 Erwachsene und fast 200 Kinder. 210 Abholer besuchen die Ausgabestellen. Der Anteil der Geflüchteten aus der Ukraine liegt bei 75 Prozent, der Rest sind Asylbewerber und Einheimische. Dabei gehe es um große Mengen von Lebensmitteln, erzählt Fürst. Schließlich müssten pro Ausgabe im Schnitt 125 Menschen versorgt werden. Dazu komme noch die Arbeit, die Lebensmittel abzuholen und zu sortieren.

Die Idee der 2007 gegründeten Mitterteicher Tafel war es, qualitativ einwandfreie Lebensmittel, die kurz vor dem Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums stehen und danach vernichtet würden, in den Geschäften einzusammeln und an bedürftige Menschen weiterzugeben. Damit wollte man bei Bedürftigen für eine ausgewogene Ernährung sorgen und schwere Zeiten überbrücken und damit eine drohende Armut abwenden. Das Konzept geht mittlerweile nicht mehr auf. "Wir sind inzwischen gezwungen, auch Lebensmittel zuzukaufen, da die Spenden der Discounter alleine nicht mehr ausreichen, um die Menschen zu versorgen", berichtet Fürst. Zusammengerechnet müsse die Tafel für die Zukäufe mittlerweile zigtausend Euro pro Jahr aufbringen.

Viele Mitarbeiter im Rentenalter

"Da die Mitterteicher Tafel inzwischen auch noch zwei Ausgabestellen in Kemnath und Erbendorf beliefert, arbeiten unsere Damen mittlerweile fast jeden Wochentag", erzählt Fürst. "Vor einem Jahr war die ehrenamtliche Arbeit bei der Tafel noch einigermaßen überschaubar. Corona erschwerte zwar die Abläufe, aber dank einem eingespielten, erfahrenen Personal hatten wir schnell Lösungen gefunden, die Auflagen einzuhalten und trotzdem die Abholer gut mit den nötigen Lebensmitteln zu versorgen", erinnert sich Nicole Fürst. Ihre Leute würden seit einem Jahr am Limit arbeiten. "Ich habe mittlerweile schlaflose Nächte wegen der Sorgen um unser Personal."

Dazu komme der Altersdurchschnitt der Beschäftigten. Die meisten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind schon im Rentenalter. Fürst: "Junge Helfer finden sich eher selten. Ist aber auch kein Wunder, handelt es sich bei unseren Aufgaben um rein ehrenamtliche Tätigkeiten, die geleistete Arbeit wird nicht finanziell entlohnt." Hinzu komme noch, dass die Arbeit bei der Tafel gesellschaftlich nicht so anerkannt wer, wie zum Beispiel eine Tätigkeit bei der Freiwilligen Feuerwehr oder beim Roten Kreuz. "Armut in der eigenen Umgebung möchte man nicht realisieren und am liebsten übersehen oder noch schlimmer verleugnen", weiß die Fuchsmühlerin.

Hoffen auf "Bufdi"

Die Tafel-Vorsitzende hofft, dass der Bundesfreiwilligendienst hier ein bisschen Entlastung bringt. "Wir sind seit kurzem als Einsatzstelle anerkannt, aber jetzt muss sich erst jemand finden, der für ein Taschengeld 21,5 Stunden wöchentlich für uns arbeitet", sagt Vorsitzende Nicole Fürst. Sie glaubt, dass viele Interessierte abhält, dass sie als "Bufdi" im Zuge ihrer Beschäftigung vier Mal im Jahr Seminare besuchen müssen. Außerdem müsse man bei der Tafel für die anfallenden Tätigkeiten körperlich stabil sein. "Die vielen Kisten, die bei uns bewegt werden, sind schwer." Obst und Gemüse, Wurst- und Fleischwaren, Zucker- und Mehlpakete und viele andere Dinge würden schließlich einiges auf die Waage bringen.

Spende von Oberpfalz-Medien

Ohne die überwältigende Unterstützung durch die Bevölkerung und Unternehmen seien all diese Aufgaben nicht mehr zu schaffen. Das war auch der Grund, dass Oberpfalz-Medien die alljährliche Mitarbeiter-Spende für soziale Zwecke diesmal an die Tafeln im Verbreitungsgebiet überwiesen hat. Ein Viertel der Summe - 1250 Euro - ging an die Mitterteicher Tafel, der Rest an die Tafeln in Weiden, Amberg und im Landkreis Schwandorf. Solche Spenden seien derzeit ungemein wichtig, um den Laden überhaupt am Laufen zu halten, betont Fürst. "Ohne dieses Geld könnten wir die Aufgaben nicht mehr stemmen", sagt die Vorsitzende.

Die Fuchsmühlerin fühlt sich nach eigenen Angaben mittlerweile von Staat und Politik im Stich gelassen. Nach dem altbekannten Motto "Wir schaffen das" verlasse man sich bei den Tafeln auf die Hilfsbereitschaft im Volk. "Man lässt uns mit unseren Problemen allein." Aus der Politik höre man nur, dass Waffen und Panzer in die Ukraine geliefert würden, was ihrer Meinung nach das Kriegstreiben in der Ukraine befeuert und die Situation der Tafeln durch noch mehr Flüchtlinge verschlimmern werde.

Hintergrund:

Mitterteicher Tafel

  • Gegründet: 2007 vom Kreisverband Tirschenreuth der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und dem Rotary-Club Stiftland
  • Motto: „Verteilen statt vernichten“
  • Mitgliedschaft im Verein: Jedes Mitglied unterstützt die Ziele des Vereins durch aktive
    Mithilfe bei der Sammlung und Verteilung der Lebensmittel oder durch Spenden.
  • Idee der Tafel: Das Einsammeln und Weitergeben von qualitativ einwandfreien Lebensmitteln, die kurz vor dem Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums stehen und danach vernichtet würden, an Bedürftige.
  • Was wird gebraucht?? Lebensmittel, Zeit und Geld. Jede Spende und jede helfende Hand sind willkommen und tragen zur Entlastung bei.
  • Wer darf Lebensmittel abholen? Bezieher der Grundsicherung und des Arbeitslosen-
    gelds II sowie Sozialhilfeempfänger gegen eine geringe Spende
  • Was muss ich tun? Bei der ersten Abholung einen Bescheid, z. B. für Grundsicherung oder Arbeitslosengeld II , und den Personalausweis vorlegen, dann gibt es einen Berechtigungsschein.
  • Was bekommen Berechtigte? Die Menge der weitergereichten Lebensmittel
    hängt von der Zahl der zu versorgenden Mitglieder in der jeweiligen Familie oder Lebensgemeinschaft ab.
  • Kontakt: Internet: www.mitterteichertafel.de, E-Mail: tafel.mitterteich[at]online[dot]de; Telefon 09633/ 7959282
  • Ausgabestellen für Lebensmittel: Mitterteich (Carl-Zeiss-Straße 1 a) mittwochs und samstags von 14 bis 15.15 Uhr, Kemnath (Wunsiedler Straße 1) donnerstags von 11 bis 13 Uhr und Erbendorf (Bräugasse 9) freitags von 10.30 bis 11.30 Uhr
 
 

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