Wie viel ist das Naturfreundehaus wert? Über diese Frage herrscht Uneinigkeit zwischen dem Verein und der Stadt (siehe Infobox unten). Dass ein von der Stadt in Auftrag gegebenes Gutachten noch auf sich warten lässt, sorgte bei der Zusammenkunft im Gasthaus "Bayerischer Hof" für Unmut. Stellvertretender Naturfreunde-Vorsitzender Erich Tilp, der die Ortsgruppe seit dem Rück- und Austritt des bisherigen Vorsitzenden Tobias Markovsky leitet, sprach von einer Hängepartie. "Ich hoffe, dass wir dieses Problem noch zu meinen Lebzeiten klären können."
Wirtschaftsfaktor für die Stadt
Tilp erinnerte daran, dass die damaligen Umstände im Jahr 1953 zu einer Unterzeichnung des Vertrags durch Bürgermeister Robert Lindig geführt hätten. Heute würde so ein Vertrag wohl nicht mehr in dieser Form geschlossen. Das Naturfreundehaus hätten die Mitglieder damals in Eigenleistung errichtet und unsägliche Mühen auf sich genommen. Tilp betonte, dass unzählige Gäste im Haus übernachtet hätten und sprach von einem Wirtschaftsfaktor für die Stadt.Weiter betonte der stellvertretende Vorsitzende, dass der Verein zahlreiche Renovierungen durchgeführt habe. "Wir als Verein haben später weitere rund 50 000 Euro in das Haus gesteckt und so erst vor einigen Jahren ein neues Dach gebaut", sagte Tilp.
Beschwerde angekündigt
Noch am Tag vor der Versammlung habe er im Rathaus das Gespräch mit dem Bürgermeister gesucht. Erneut habe Tilp feststellen müssen, dass es bei der Stadt kein Interesse an der Folgenutzung des Gebäudes gebe. Dass Roland Grillmeier selbst nicht bei der Jahresversammlung anwesend war, beklagte Tilp ebenfalls: "Wenn Lobreden zu erwarten sind, dann kommt der Bürgermeister. Wenn es Kritik gibt, schickt er seinen Stellvertreter. Das ärgert mich." Stellvertretender Naturfreunde-Landesvorsitzender Helmuth Aichinger informierte, dass ein vereidigter Gutachter einen Schätzwert von 94 000 Euro ermittelt habe, während die Stadt von sich aus 25 000 Euro angeboten habe. Aichinger erhob den Vorwurf, dass der Bürgermeister das Problem aussitzen wolle, weil er Ende April als Bürgermeister aufhört. Aichinger kündigte sogar eine Dienstaufsichtsbeschwerde bei der Regierung der Oberpfalz gegen Bürgermeister Roland Grillmeier an, falls es nicht innerhalb von zwei Wochen zu einer Einigung zwischen den Naturfreunden und der Stadt kommt. Als Grund nannte er das "Nichtstun seit dem Sommer". Angela Baier erinnerte daran, dass die Naturfreunde ihr Gutachten am 11. Juli 2019 erhalten und dann gleich bei der Stadtverwaltung abgegeben hätten. Das Gegenangebot der Stadt bezeichnete sie als "Witz". Hans Lugert, der früher in einem Notariat tätig war, gab zu bedenken, dass in der Regel 20 Prozent eines in einem Gutachten ermittelten Wertes abgezogen werden können. "Darüber lässt sich diskutieren."
Wille zur gütlichen Einigung
Zweiter Bürgermeister Stefan Grillmeier versuchte, die Emotionen aus der Diskussion zu nehmen und informierte, dass der von der Stadt beauftragte Gutachter das Naturfreundehaus inzwischen untersucht habe. Wenn das Ergebnis vorliegt, werde sich der Stadtrat damit beschäftigen. Grillmeier bestätigte, dass der zunächst bestellte erste Gutachter abgesprungen sei. Der Zweite Bürgermeister bat die Naturfreunde noch um etwas Geduld und unterstrich den Willen zu einer gütlichen Einigung.
Helmuth Aichinger sagte, dass es das gute Recht der Stadt sei, selbst ein Gutachten einzuholen. Allerdings bezweifelte er, dass der neue Schätzwert viel niedriger ausfallen werde. Zur Dauer der ganzen Angelegenheit meinte Aichinger: "Dass die Stadt mit den Naturfreunden so umgeht, haben sie nicht verdient." Hans Lugert sprach ebenfalls von einer Verschleppung, sah aber auch den Stadtrat in der Verantwortung.
Erich Tilp erklärte, dass auch die Naturfreunde an einer gütlichen Einigung interessiert seien und betonte: "Wir als Naturfreunde sind nicht handlungsunfähig, sondern handlungsfähig." Ein Lob richtete Tilp an die Stadtverwaltung - diese leiste eine hervorragende Arbeit.
"Aus der Luft gegriffen"
Bürgermeister Roland Grillmeier, der wegen anderer terminlicher Verpflichtungen nicht zu der Versammlung gekommen sei, bezeichnet die Vorwürfe als "völlig aus der Luft gegriffen". Zu den kritischen Ausführungen, über die er von seinem Stellvertreter unterrichtet wurde, nahm er in einem Schreiben an die NT-Redaktion Stellung. So betont Grillmeier, dass das im Juli 2019 eingereichte Gutachten der Naturfreunde noch im gleichen Monat dem Stadtrat vorgelegt worden sei. Das Gremium sei sich einig gewesen, dass der Wert zu hoch angesetzt worden sei und die Stadt ein Angebot über 25 000 Euro machen solle. "Das vom Stadtrat einstimmig festgelegte Angebot wurde von den Naturfreunden zurückgewiesen, weitere Verhandlungen wurden abgelehnt."
Sachverständiger für Immobilien
Der Stadtrat habe die Verwaltung daher beauftragt, ein Gegengutachten erstellen zu lassen. Der ausgewählte Gutachter habe nach einiger Zeit den Auftrag zurückgegeben, gleichzeitig aber einen vereidigten Sachverständigen für Immobilien empfohlen. Zu Verzögerungen sei es auch wegen der Sommerpause des Stadtrats und der hohen Auslastung der Fachbüros gekommen. Die Begutachtung des Naturfreundehauses sei inzwischen abgeschlossen, das Gutachten werde aber erst in zwei, drei Monaten vorliegen. Laut Grillmeier ist das nicht ungewöhnlich - die Erstellung des Gutachtens durch die Naturfreunde habe auch vier Monate gedauert. Hätte die Stadt den Weg über den Gutachter-Ausschuss des Landkreises gewählt, wären sogar sechs bis acht Monate vergangen.
"Sachlichkeit geht vor Eile", sagt Grillmeier und weist auch darauf hin, dass kaum eine wirtschaftliche Nutzung des Gebäudes abzusehen sei. Zwar hätten einige Vereine Interesse an einer Nutzung bekundet, doch einer sei schon wieder abgesprungen und ein anderer habe erklärt, nur gegen ein geringes Entgelt einsteigen zu wollen. Unverständlich sei für Grillmeier der aufgebaute Zeitdruck, weil für den Verein keine wirtschaftlichen Probleme entstünden, wenn die Zahlung der Stadt später erfolgt als gewünscht. Um das Haus müsse sich jetzt ohnehin die Stadt kümmern.
Hintergrund
Anfang 2019 hatten die Naturfreunde Mitterteich beschlossen, den im Jahr 1953 geschlossenen Erbpachtvertrag über das Naturfreundehaus mit der Stadt nicht mehr zu verlängern. Als Gründe wurden das Fehlen ausreichender ehrenamtlicher Helfer im Verein sowie sinkende Übernachtungszahlen und hohe Betriebskosten genannt. Und so fiel das Gebäude zum 1. April 2019 an die Stadt zurück. Noch offen ist die Bezahlung der Ablösesumme, weil über deren Höhe Uneinigkeit herrscht. Die Naturfreunde hatten über den Landesverband ein Gutachten erstellen lassen, das einen Wert von 94 000 Euro ergab. Weil diese Summe der Stadt zu hoch erschien, wurde beschlossen, ein Gegengutachten in Auftrag zu geben. Dieses liegt aber noch nicht vor, was wiederholt zu Kritik vonseiten der Naturfreunde geführt hat.
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