Unterwegs wie anno dazumal: Siegfried Eckl pflegt Tradition mit Kutsche

Nabburg
11.09.2023 - 13:07 Uhr
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Zwei Pferde, zwei Achsen und kein Sprit: Siegfried Eckl ist mobil mit einer Pferdekutsche. Der Nabburger frönt damit einem Hobby, das selten geworden ist. Das hat viele Gründe.

Die Anzahl der PS hält sich in Grenzen, dafür braucht die Kutsche von Siegfried Eckl weder Diesel noch Benzin. Wenn er sein Gespann durch die Straßen von Nabburg lenkt, ist ihm ein freundliches Lächeln sicher. Dafür sorgen vor allem die beiden Süddeutschen Kaltblüter Franzi und Sigl. Denn der Anblick eines solchen Gespanns ist selten geworden. Was früher Standard war beim Transport von Ware und Personen, ist heute Hobby – und mit einigem Aufwand verbunden. Oberpfalz-Medien hat den Kutscher auf einem kleinen Ausflug begleitet.

Einsteigen, anschnallen und den Zündschlüssel umdrehen – so läuft das nicht mit Franzi und Sigl, den beiden Kaltblütern der Familie Eckl in Nabburg, die früher mal eine richtige Landwirtschaft hatte. Inzwischen ist die Stadt ganz nah herangerückt an den Hof in der Neunburger Straße. Die Milchkühe sind weg, nur zwei Pferde stehen noch im Stall. Ihr Besitzer, Siegfried Eckl, reitet schon seit seinem 18. Lebensjahr. Doch nach Problemen mit der Bandscheibe hat er umgesattelt: Jetzt fährt er Kutsche.

"Seit zehn Jahren wird angespannt", sagt der 53-Jährige und macht sich zusammen mit seiner Frau Ilona fachkundig an die Arbeit mit einem für Laien komplizierten System aus Holz, Eisen und Lederriemen: dem Kummet-Geschirr. Als erstes ist Franzi an der Reihe und bekommt den maßgefertigten, gepolsterten Ring über den Hals gestreift, der zusammen mit den Lederriemen die Zugkraft optimal auf den Körper verteilen soll. Dann geht es ab ins Freie, wo schon die Kutsche wartet. Anders als der gutmütigere Sigl zickt Franzi manchmal ein wenig beim "Ankleiden". Weil sie weiß, dass sie jetzt gleich kräftig arbeiten muss? "Nein", meint Ilona Eckl, "die Pferde sind schon voller Elan, die wollen gern ziehen."

Doch bis es soweit ist, gibt es eine Reihe von Handgriffen zu erledigen. Für Franzi als Hand-Gaul heißt es in der Oberpfälzer Fachsprache hott (rechts; vom Kutschbock aus gesehen) beim Anspannen, für Sodl-Gaul (Sattel-Gaul) Sigl "wister" (links), ein Seitenwechsel kommt für die Gewohnheitstiere nicht infrage. Die massigen Pferde mit bis zu 900 Kilogramm Gewicht lassen sich geduldig in die gewünschte Position bringen. "Der Sigl schläft da immer fast ein", merkt Ilona Eckl an. Doch man ahnt, welche Kraft in den Muskelpaketen steckt. Das sind doch ganz klar zwei PS, also zwei Pferdestärken, die jetzt die Kutsche ziehen werden? "Eher schon drei PS pro Pferd", schätzt der Kutscher und schmunzelt dabei. "Getankt" ist bereits: pro Tag sind das etwa zehn Kilo Heu. "Kein Hafer, sonst werden sie zu fett, sie müssen ja auch nicht so viel schuften wie andere Kaltblüter, die man zum Holzrücken verwendet", sagt ihr Boss.

Ein paar Minuten später sind die langen Zügel entwirrt und befestigt, es kann losgehen, und zwar im Achenbach-Stil. Der ist benannt nach einem Chef des Königlichen Marstalls in Berlin. Siegfried Eckl schaut nach links und rechts, bevor er mit dem Gespann im Schritttempo in die Neunburger Straße stadtauswärts einbiegt. "Für Kutschen gelten die ganz normalen Verkehrsregeln", informiert er. Das bedeutet Handzeichen geben, umschauen, an der Ampel anhalten. Braucht der Kutscher auch einen Führerschein? "Den sollte man schon haben, vor allem wenn ein Unfall passiert," erklärt der Nabburger, der dafür eine Woche Theorie und Praxis inklusive Prüfung absolviert hat und sich vorsichtshalber auch immer an die im Verkehr übliche Promillegrenze hält. Er will wachsam sein, denn Bremsen ist schwierig, wenn sich zwei so mächtige Zugpferde ins Zeug legen.

Wie fatal kann da ein Hupen sein, das die Tier erschreckt? "Das kommt schon manchmal vor, aber die meisten Autofahrer halten Abstand und nehmen Rücksicht", berichtete Ilona Eckl, die sich mit der Kutsche ebenfalls gut auskennt. Und durchgegangen sind Sigl und Franzi noch nie. Sollte das passieren, "dann ist es ratsam abzuspringen, da hilft keine Bremse", gibt der Fachmann zu bedenken. Es dauert nicht lange, bis der Kutscher nach rechts in die schmale Straße mit wenig Verkehr abbiegt. Auf sein Kommando geben die Pferde Gas und fallen in einen Trab. In den Gärten lockt das Klappern er Hufe Zuschauer an die Zäune. Vielen zaubert der Anblick des Gespanns ein freundliches Lächeln ins Gesicht. Hinten, auf der gefederten Kutsche geht jetzt ein frische Lüftchen. "Das wird jetzt gleich ein bisschen mehr ruckeln", warnt Eckl, als die Hufe einen Feldweg erreichen, "mit den Gummireifen ist das aber nicht so extrem wie früher mit den Holzrädern".

Mit Passagieren ist Eckl höchstens zehn Tage im Jahr unterwegs. Der Osterritt, der Vatertag, das Ferienprogramm für Kinder oder mal eine Hochzeit sind solche Termine, doch meist ist eine Kutschfahrt pures Vergnügen. Damit es auch für die Pferde ein Vergnügen bleibt, haben Ilona und Siegfried Eckl ein Auge auf den Rücken der Tiere, wo sich jetzt ein leichter Glanz abzeichnet. Mit einem "Brr" und einem leichten Ruck an den Zügeln wird das Tempo gedrosselt, damit die beiden Motoren nicht zu sehr schwitzen müssen. Ganz ohne Emissionen – in diesem Fall Pferdeäpfel – geht es auch mit Bio-Power nicht. "Nach dem Osterritt gab's Beschwerden, da mussten wir noch einmal ausrücken, um die Hinterlassenschaften aufzusammeln", berichten die beiden Nabburger, die das für die unbeschwerten Minuten auf der Kutsche gern in Kauf nehmen, genauso wie den Aufwand für Pflege und Futter.

"So ein Pferd ist schon eine Kostenfrage", räumt der Nabburger ein, besonders dann, wenn es von Anfang an gut ausgebildet wurde. Etwa 5000 Euro kostet so ein trainierter Kaltblüter, über 1000 Euro das Geschirr. "Da hängt auch noch ein ganzer Rattenschwanz dran, vom Tierarzt bis hin zu den Einstellkosten", gibt Ilona Eckl für alle Pferdefreunde zu bedenken, die mit dem Hobby Reitsport liebäugeln. "Die Ställe sind aber voll", sagt ihr Mann, die meisten hätten dort Vollpension gebucht. Zu 80 Prozent sind es Frauen, die heutzutage reiten. Und wie sieht es beim Kutschenfahren aus? "Ja, da ist es anders", räumt Eckl ein während er wieder in den Hof einbiegt, "das ist noch immer eine Männerdomäne".

Hintergrund :

Die Kutsche im Straßenverkehr

  • Verhaltenstipps: Auch Kutschen unterliegen den Regeln der Straßenverkehrsordnung. Sie sind mit 5 bis 7 km/h unterwegs und dürfen überholt werden. Man sollte mit einem circa zwei Meter großen Seitenabstand ruhig und gleichmäßig vorbeifahren und erst wieder einscheren, wenn das gesamte Gespann im Rückspiegel zu sehen ist.
  • Signale: Kutscher zeigen Richtungswechsel wie Radfahrer häufig durch Handzeichen an und dürfen dann nicht mehr überholt werden, bei der Begegnung mit Kutschen ist Rücksicht angesagt; ein Hupen oder quietschende Reifen sollten vermieden werden, um die Tiere nicht zu erschrecken.
  • Führerschein: Auch Kutschen unterliegen der Straßenverkehrsordnung. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung empfiehlt einen Kutschenführerschein oder ein Fahrabzeichen. Gesetzlich verankert ist dieser Führerschein nicht, angeraten wird er vor allem in Bezug auf Unfälle und Versicherungsschutz. (Quelle: ADAC/Deutsche Reiterliche Vereinigung)
 
 

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