(weu) "Herbst 1918. Vor 100 Jahren ging der Este Weltkrieg zu Ende. Die ganze Welt stand in Flammen." So stimmte Peter Wunder, der Vorsitzende des Kunstvereins "Unverdorben", die Gäste in der Spitalkirche auf die musikalische Lesung "1918 - Die letzte Nacht" ein. Mit dem dritten Teil des Karl-Kraus Lesetheaters "Die letzten Tage der Menschheit" wurde der Zyklus, der 2014 und 2016 begonnen wurde, abgeschlossen.
Als Rezitatoren traten Karl Stumpfi und Wolfgang Huber auf, die den Texten durch wechselnde Stimmen und Gesten ihre Lebendigkeit verliehen. Mit dem monumentalen Endzeitdrama "Die letzten Tage der Menschheit" wurde in Szenen aus dem vierten Akt die menschenverachtende Sinnlosigkeit, die Perversion des Krieges vor Augen geführt. Da wird das Alter eines 18-jährigen Verurteilten auf 21 heraufgesetzt, damit man ihn hinrichten kann, Menschen werden als "Material" bezeichnet. Verurteilte werden unschuldig hingerichtet, die Vorgesetzten werden befördert ob dieser "Leistung".
Angereichert wurde das Programm mit einer Lesung aus dem Schlusskapitel des Romans "Im Westen nichts Neues" von Erich Maria Remarque. Er schildert die Schrecken des Krieges, im Zentrum steht das, was der Weltkrieg für die Generation der Menschen bedeutet hat. Ein Toneinspieler der Musik von Gustav Mahler aus der unvollendeten 10. Sinfonie leitete über zu den Geschichten des österreichischen Lyrikers Georg Trakl, "Grodek" und "Der Jüngste Tag". Der 27 Jahre alte Dichter ist als Sanitätsleutnant in einem Feldlazarett mitten im Gemetzel. So entstand das Gedicht "Grodek", das das Leid der Verletzten widerspiegelt. Im musikalischen Teil begegneten die Zuhörer zwei Originaltexten und -vertonungen aus der Feder von Karl Kraus. Mit dem "Lied von der Presse" eröffnete Jürgen Zach, der die Lieder auch bearbeitet hatte, mit Gesang und Gitarre den musikalischen Part. Das "Marschlied" und das "Kriegs-Couplet" verherrlichten den Krieg. "Die Antwort der Blumen" bildete den friedlichen Abschluss.
Erschütternd war der Prolog zu "Die Letzten Tag der Menschheit": "Die Sätze sind wirklich gesprochen worden, die Taten sind so geschehen. Das Schuldbekenntnis, dieser Menschheit anzugehören, muss irgendwann einmal zum Nutzen sein." Wer aus der Geschichte nicht lernt, ist verdammt, sie zu wiederholen, so die Devise. "Die "letzten Tage der Menschheit" sind mehr als nur ein Stück gegen Militarismus. Sie sind ein Plädoyer für Humanismus und Toleranz, ein Appell für Anerkennung anderer, Wertschätzung, Respekt und Empathie.
Die Musikalische Lesung ist Teil des umfangreichen Programms im Neunburger Kunstherbst, das mit der Vernissage "Ahoj 18-Kunst für den Frieden" seinen Auftakt genommen hatte. 800 Tauben mit Friedensbotschaften wurden von Kindergartenkindern und Neunburger Schülern sowie Gymnasiasten aus Oberviechtach und Bewohnern der Flüchtlingsunterkunft gestaltet und begleiten die Ausstellung im Kunstquartier Im Berg 7. Die Lesung fand bewusst im Rahmen des Projekts "Lost Traces" in der Spitalkirche statt. Die Sitzmöbel in der Kirche wurden von Realschülern mit angefertigt, die Gregor-von-Scherr-Realschule hat die Patenschaft für die Wiederbelebung des altehrwürdigen Gotteshauses übernommen. (weu)
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