Die Zeiger standen auf 23.30 Uhr, als Mathias Rosenmüller zu seinem Schlusswort ansetzte. Nach viereinhalb Stunden beendete der Leiter des Wasserwirtschaftsamts Weiden die Veranstaltung im Fürstenkasten, die als Bürgerworkshop zur Gestaltung des Erlebnisbereichs Wutzschleife angekündigt worden war.
Der Termin sollte helfen, eine Lösung im Streit um die "Alte Wutzschleife" zu finden. Dort wollen die Behörden eine 150 Jahre alte künstliche Felsquerung aus der Schwarzach entfernen. Der Fluss soll gemäß EU-Recht naturnäher werden. Aber: Viele Bürger wollen ihr "Idyll", Relikt einer früheren Glasschleife, behalten.
Am Ende waren viele Meinungen gehört, Impulse gegeben und Kritik geäußert worden: Dabei zeigten sich einmal mehr die zwei verschiedenen Blickwinkel: der aus der fachlichen Perspektive auf den Naturraum und der aus der emotionalen auf den Heimatraum, die in teils leidenschaftlich geführten Diskussionen vertreten worden waren. Eine Lösung gab es nicht. Dafür aber zwei Vorschläge: ein rückgebautes Wehr anschauen und einen Runden Tisch ins Leben rufen.
Wie sehr das Thema die Bürger bewegt, zeigte sich an der Teilnehmerzahl: Rund 100 Bürger waren gekommen. Unter ihnen auch Steffi Porsch, die Sprecherin der Bürgerinitiative, die es geschafft habe, dass das Thema "bis ins Ministerium hoch" auf der Agenda stehe und der Rückbau kritisch hinterfragt werde, sagte Bürgermeister Stefan Spindler. WWA-Leiter Mathias Rosenmüller erläuterte die Gründe und den ökologischen Sinn der Maßnahme, die den Rückbau des Wehrs und damit einhergehend eine Wasserspiegelabsenkung in dem 900 Meter langen Rückstaubereich vorsieht. Dadurch werde wieder ein naturnahes Fließgewässer hergestellt. Dies sei erforderlich, um die Schwarzach in einen guten ökologischen Zustand zurückzuführen.
Vertreter mehrerer Naturschutzverbände, der Fischerei und Fachstellen unterstützen das Vorhaben des WWA. So auch die Fachberatung für Fischerei des Bezirks Oberpfalz. Deren Leiter, Dr. Thomas Ring, stellte die Ergebnisse des gewässerökologischen Gutachtens vor. Und die seien besorgniserregend. Im Oberwasser gebe es große Bestandsdefizite bei strömungsliebenden Fischarten und der Artenvielfalt. In einer "ungewohnten Position" sah sich Markus Schmidberger, Leiter der LBV-Kreisgeschäftsstelle. Er gestand: Der LBV tue sich oft schwer mit Behörden: Aber: "Unterstützen Sie diese Maßnahme. Die Gewässer haben es bitter nötig."
Impulse und Kritik
Anton Baumann, Sachgebietsleiter Gewässerentwicklung am WWA Weiden, machte keinen Hehl daraus, dass es nach der Absenkung des Wasserspiegels einige Stillgewässerarten wie die Teichrose nicht mehr geben werde. "Dafür aber andere." Die Vegetation werde sich schnell entwickeln, versprach Baumann. Zumal der Rückbau langsam und in Stufen erfolge.
Daniel Lulay vom WWA Regensburg sagte, dass der Wehrrückbau nicht isoliert, sondern eingebettet in einen Kontext an Maßnahmen betrachtet werden müsse. Er sei weder Ökologe noch Fischer, aber Naturliebhaber, sagte MdL Robert Riedl und stellte sich damit auf die Seite der BI. Er hatte Kontakt mit dem renommierten Gewässerökologen Professor Olaf Mietz aufgenommen. Dieser mache für die schlechte Gewässergüte die hohen Phosphateinträge verantwortlich, woraus das Algenproblem im Stausee resultiere. Das Wehr herauszureißen, sei ein Tropfen auf den heißen Stein. "Eigentlich müsste der See abgerissen werden." Zudem sei eine Umweltverträglichkeitsprüfung dringend notwendig.
"Argumente werden verzerrt"
Viele Rötzer sind gegen den Wehrrückbau. Eine Bürgerinitiative (BI) hatte vergangenes Jahr mehr als 2 000 Unterschriften gegen den Abriss gesammelt. Deren Sprecherin und Initiatorin, Steffi Porsch, sollte mit ihrem Statement zur "Perspektiverweiterung" beitragen. Sie sprach für die 2039 Menschen der BI, die das Wehr so erhalten wollten, wie es ist, "weil es schön und ein Stückerl Heimat(geschichte) ist", sagte Porsch. Sie bedauerte, dass die Sachargumente oft "weggewischt und verzerrt" würden. Mit dem fischökologischen Gutachten versuche das WWA, Fakten zu schaffen, mit Veranstaltungen wie dieser, Wind aus den Segeln zu nehmen. Der Wehrrückbau werde als ökologische Renaturierungsmaßnahme verkauft.
Nach einem emotionalen Schlagabtausch kehrte die Diskussion mit Dr. Josef Paukners Redebeitrag zur Sachlichkeit zurück. Er ist von der Donau-Naab-Regen-Allianz. Paukner betonte, dass sich alle Fachverbände einig seien, dass das Wehr weg muss. "Einen Fluss zu stauen, ist das Schlimmste, was man ihm antun kann", sagte er. Bernhard Gohlke von der Heinz Sielmann Stiftung gab zu, dass es "das schönste Wehr sei, das ich je gesehen habe". Jedoch bleibe es für den Fluss ein Querbauwerk.
Empfinden und Rechtslage
Der Chamer Landrat Franz Löffler wollte zunächst einmal die Zuständigkeit klären. Das Landratsamt sei Genehmigungsbehörde, Bauherr der Freistaat. Man nehme die Argumente der BI ernst. "Wenn sie sagen, uns gefällt der Zustand, kann ich da nicht widersprechen." Die Frage sei aber: Ist das Empfinden höher einzustufen als rechtliche Vorgaben? "Nein", meinte Löffler. Denn glaube man den Fachleuten - und das tue er -, sorge die Wiederherstellung der natürlichen Fließgewässerverhältnisse für eine maßgebliche Verbesserung.
Nach einer kurzen Pause hatten dann die Bürger das Wort. Während die Befürworter des Rückbaus mit teils flammenden Plädoyers ihren Standpunkt vertraten, brachten die Gegner nicht minder emotional ihre Argumente pro Erhalt aufs Tapet. Viele waren außerdem der Meinung, dass Flora und Fauna im Uferbereich außer Acht gelassen würden. Dass dem nicht so ist, will Landrat Franz Löffler nun mit einer Umweltverträglichkeitsprüfung belegen. Die hatten die Rückbau-Gegner schon lange gefordert. Nun soll sie in Auftrag gegeben werden.














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