Neustadt an der Waldnaab
21.04.2020 - 10:03 Uhr

Corona-Zoff um Haushalt des Landkreises Neustadt/WN

Der Kreisausschuss als Ferienausschuss - das klingt ein bisschen nach Entspannung und Harmonie. Bei stattlichen 13 Tagesordnungspunkten geht es auch ruhig zu. Doch dann steht der Kreishaushalt zur Verabschiedung an.

Auch mit Mundschutz gibt sich der Kreisausschuss diskussionsfreudig. In der Stadthalle Neustadt geraten sich wegen des Kreishaushalts Grüne und ÖDP einerseits mit CSU und SPD andererseits in die Haare. Bild: phs
Auch mit Mundschutz gibt sich der Kreisausschuss diskussionsfreudig. In der Stadthalle Neustadt geraten sich wegen des Kreishaushalts Grüne und ÖDP einerseits mit CSU und SPD andererseits in die Haare.

Statt im kleinen Sitzungssaal des Alten Schlosses am Neustädter Stadtplatz traf sich der Ausschuss in der großen Stadthalle. Sämtliche Mitglieder trugen Mundschutz und saßen wie Abiturienten brav weit aus- und hintereinander.

Kämmerer Alfons Bauer skizzierte ihnen den 115 Millionen Euro umfassenden Kreisetat im Schnelldurchgang, schließlich kannten ihn die Fraktionen schon aus früheren Sitzungen. Ein paar Änderungen haben sich in der Zwischenzeit aber ergeben. Die wichtigste: Der Fehlbetrag klettert um etwa zwei Millionen Euro. Sie sollen durch Entnahmen aus der Rücklage ausgeglichen werden. Etwas ins Kontor schlagen die Umwandlung des Trägerdarlehens von 750 000 Euro in Eigenkapital für die Kliniken Nordoberpfalz, 100 000 Euro Mehrkosten für einen Jugendhilfe-Heimfall sowie das Megathema Coronakrise.

Für die Bekämpfung der Pandemie zahlt zwar vor allem der Freistaat, für den Landkreis ist aber ein Eigenanteil von 250 000 Euro veranschlagt. Zudem erhöht der Landkreis seine Deckungsreserve für Corona-Ausgaben von 50 000 auf 300 000 Euro. Bauer: "Wir wissen nicht, was noch alles auf uns zukommt. Das wird uns noch einige Jahre beschäftigen. Hinterher ist man immer schlauer."

Kurze Reden - bis auf eine

Weil das Virus jetzt schon alles komplizierter macht, verzichteten die Fraktionssprecher auf ihre gewohnt ausführlichen Haushaltsreden. Edgar Knobloch (CSU), Günter Stich (SPD) und Manfred Plößner (Freie Wähler) signalisierten Zustimmung zum Etat. Barbara Kindl (ÖDP) und Klaus Bergmann (Grüne) lehnten ihn ab, wobei sie das bisherige Corona-Krisenmanagement von Landrat Andreas Meier und des Landratsamts ausdrücklich lobten. Bergmann und Kindl begründeten ihr Nein wie in den Vorjahren vor allem mit falscher Prioritätensetzung - sprich zu viel Straßenbau, zu wenig Klimaschutz, zumal wegen Corona auch noch Einnahmen wegbrechen werden. Bergmann stellte im Zuge seiner Haushaltsrede auch noch eine Fülle von Anträgen: mehr Hygienemaßnahmen an Schulen, bessere Schülerbeförderung mit Mindestabständen, mehr Digitalisierung an Schulen und mehr Klimaschutz.

Weitere Aufzählungen aus diesem Katalog stoppte Edgar Knobloch. Er fuhr Bergmann mit einem Antrag zur Geschäftsordnung in die Parade: "Ende der Debatte. Es geht um den Haushalt, und Sie fordern hier Sachen, die Aufgabe der laufenden Verwaltung sind." Schützenhilfe leistete Rupert Troppmann (CSU): "Herr Bergmann, diese Anträge hätten Sie, wie es vorgesehen ist, vorher schriftlich einbringen können." Udo Greim (SPD) warf dem Grünen vor, die Coronakrise für Schaufensteranträge zu missbrauchen. Bergmann unterstellte ihnen umgekehrt mangelnde Diskussionsbereitschaft: "Das ist ein Zeichen von Schwäche."

Fiebermessen an Schulen?

Landrat Andreas Meier betonte, dass nach wie vor der Katastrophenfall in Bayern ausgerufen sei. Im Übrigen habe der Landkreis etliche von Bergmanns Forderungen längst auf dem Schirm. Für digitale Klassenzimmer sei das Personal für die IT-Betreuung bereits aufgestockt. Obendrein würden künftige Hygienemaßnahmen an Schulen eventuell noch weit über das hinausgehen, was Bergmann fordere. "Im Krisenstab wird über Zugangskontrollen mit Temperaturmessungen an Schulen diskutiert."

Meier hätte es gern gesehen, wenn der Kreisausschuss durch die einstimmige Annahme des Haushalts in Corona-Zeiten ein starkes Signal nach außen gesendet hätte. Die Ablehnung habe nichts mit mangelnder Solidarität zu tun, erklärte Barbara Kindl nochmal, sondern mit zu viel Investitionen in Straßen.

Hintergrund:

Eine Million Masken für Corona-Bekämpfer

Lange Zeit war es das Skandalthema schlechthin: In der Coronakrise fehlten allerorten Schutzkleidung und Masken. Das scheint vorbei zu sein, wenn man die Eilentscheidungen hört, die Landrat Andreas Meier bekanntgab. Demnach sind beim Katastrophenstab Schutzartikel im siebenstelligen Bereich eingetroffen. Bei verschiedenen Anbietern wurden 420 000 FFP-2-Atemschutzmasken und eine Million Mundschutzmasken im Wert von 1,8 Millionen Euro geordert. Die Kosten werden nach Einwohnerzahl auf Weiden sowie die Kreise Neustadt und Tirschenreuth umgelegt. Zudem wurde das Bernhard-Nocht-Institut mit der Einrichtung eines Corona-Testlabors beauftragt. 14 Tage kosten dabei 40 400 Euro. Grundsätzlich werden Einsatzkosten der Kommunen im Katastrophenfall mit 80 Prozent vom Freistaat gefördert. (phs)

Ausschuss für Krisenzeiten:

Es klingt so harmlos: Ferienausschuss. Tatsächlich peitschte das 20er-Gremium eine Fülle von wichtige Entscheidungen durch, nachdem es dafür die Geschäftsordnung des Kreisausschusses geändert hatte. Damit folgte das Gremium einer Empfehlung des bayerischen Innenministeriums, die dem Ferienausschuss die gleiche Beschlussgewalt wie dem Kreisausschuss oder dem Kreistag zugesteht. Damit bleiben die Gremien in der Coronakrise handlungsfähig. Die erste Tat des Ausschusses war eine sehr traurige. Er gedachte in einer Schweigeminute dem an dem Virus verstorbenen früheren Kreisrat Wolfgang Töppel. (phs)

 
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