Erste Bleikristall-Altlastensanierung beginnt: Im Herbst Rückbau des Tritschler-Geländes in Neustadt/WN

Neustadt an der Waldnaab
06.02.2023 - 13:33 Uhr
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Auf diesen Termin haben in Neustadt/WN und Umgebung viele gewartet. Über 30 Jahre lang. Seitdem liegen die Fabrikareale der einst stolzen Bleikristallfirmen brach. Im Oktober soll es aber bei einer endlich mit dem Rückbau losgehen.

Am 31. Januar 1990 wurde die Firma Tritschler, Winterhalder GmbH & Co. Bleikristallwerk KG offiziell aufgelöst. Seitdem verfällt das 45.000 Quadratmeter große Areal an der Fabrikstraße nahe des Bocklwegs in Neustadt/WN. Wo einst kunstvoll geschliffene Überfangvasen und ähnliches der Region ein industrielles Aushängeschild verliehen haben, war später nur noch von Gutachten, Voruntersuchungen und Proben die Rede.

Blei, Arsen, Fluorid und andere Schadstoffe sind seitdem das einzige, wovon in diesem Zusammenhang noch zu hören ist. Immer verbunden mit der Frage: Wann passiert da endlich was? Das wäre an sich Sache der einstigen Gesellschafter. Ein ehemaliger Geschäftsführer lebt noch in Schirmitz, doch bei dem ist für eine Sanierung in Millionenhöhe nichts mehr zu holen. Also müssen der Landkreis und letztlich der Steuerzahler ran. Im Amtsdeutsch heißt dies Ersatzvornahme.

Zwei Euro pro Einwohner

Der Fahrplan des Landratsamts liegt jetzt vor. Noch im Oktober soll die Sanierung des Tritschler-Geländes beginnen. 2,6 Millionen Euro sind dafür im Entwurf des Kreishaushalts 2023 veranschlagt. Davon muss der Landkreis nur zwei Euro Eigenanteil pro Einwohner übernehmen, also etwa 200.000 Euro. Der Rest kommt aus FAG-Mitteln, die im Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern geregelt sind.

Bisher war in diesem Zusammenhang nur davon die Rede, dass der Landkreis im Zuge der Gefahrenabwehr sich ausschließlich um alles kümmert, was im verseuchten Boden liegt, nicht aber um die darauf gebauten Immobilien. Doch die zuständige Sachgebietsleiterin für Bodenschutz und Staatliches Abfallrecht im Lobkowitzerschloss, Anna Balk, erklärt nun auf Anfrage, dass auch Gebäude weichen werden, wie etwa die frühere Säurepolieranlage.

Balk spricht von einer Hotspot-Sanierung. Das alles soll von Oktober 2023 bis Oktober 2024 dauern. Wenn der Boden abgetragen ist, steht noch einmal ein Grundwasser-Monitoring an. Es soll Aufschluss darüber geben, was der Aushub gebracht hat. "Das würde eine Nachnutzung nicht ausschließen", ist die Expertin zuversichtlich.

Diese Nachnutzung wäre Sache der Kommune. Die Planungshoheit liegt bei der Stadt Neustadt. Sie müsste die Grundstücke kaufen.

Naherholung geplant

Die Stadt ist durchaus interessiert. In der Stadtratssitzung am Dienstag, 7. Februar, steht das Thema Tritschler bereits auf der Tagesordnung. Christian Schell vom Bauamt der Stadt hat alles dafür vorbereitet, dass sich die Stadt um EFRE-Fördermittel der EU bemühen kann. Geplant ist, das Gelände in ein Naherholungsgebiet zu verwandeln. Grundlage dafür ist das städtebauliche Entwicklungskonzept. Damit beauftragt ist das Architekturbüro Kuchenreuther aus Marktredwitz. Gemäß seiner Planungen soll ein Naherholungsgürtel namens Floßaue entlang des Neustädter Bocklweg-Abschnitts entstehen. Er umfasst auch das Osram-Gelände. Bis dies alles soweit ist, könnte das Jahrzehnt langsam zu Ende gehen.

Auch auf den anderen Altlasten-Flächen soll sich etwas tun, kündigt Anna Balk an. Für das Altenstädter Hofbauer-Gelände ist die Zusage von FAG-Mitteln da, die Ausschreibung der Ingenieurleistungen für Sanierungsmaßnahmen läuft. Die könnten dann beginnen, wenn die Arbeiten bei Tritschler zu Ende sind. Etwas länger wird es bei der Annahütte in Windischeschenbach dauern. Hierfür sind weitere Untersuchungen beantragt.

Hintergrund:

Glasindustrie im Landkreis Neustadt/WN

  • Ende des 19. Jahrhunderts erhält der Raum Weiden/Neustadt Eisenbahnanschluss; mehrere Glashütten aus dem Bayer- und Böhmerwald siedeln sich an.
  • Aus dem Bayerwald kommen die Bauerhütte, später Osram, die Firma F. X. Nachtmann (Frankhütte) sowie Tritschler, Winterhalder & Co. (Hermannhütte) nach Neustadt.
  • In Altenstadt/WN gründen hiesige Unternehmer die Glashütten Hofbauer und Beyer & Co., in Windischeschenbach entsteht die Annahütte.
  • Im Jahr 1970 arbeiten 4000 Frauen und Männer in den fünf Fabriken.
  • Mitte der 1980er Jahre wird öffentlich, wie umweltschädlich und gesundheitsgefährdend die Bleikristallproduktion ist; Tausende demonstrieren dagegen.
  • Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs kommt Billigglas aus Osteuropa auf den Markt. Es ist der Anfang vom Ende der Glasindustrie in der Nordoberpfalz.
  • 1987 meldet Tritschler Konkurs an, 1992 Beyer & Co., Ende 1995 Hofbauer, 2005 Phönix-Kristall (Annahütte).
  • 2004 übernimmt Georg Riedel aus Tirol F. X. Nachtmann mit rund 1600 Mitarbeitern. Gefertigt wird heute nur noch Kristallglas in Weiden und Amberg.
 
 

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