Neustadt an der Waldnaab
25.01.2021 - 09:57 Uhr

"Die fetten Jahre sind vorbei": Landkreis Neustadt/WN muss sparen

Alfons Bauer gilt bei allen Kreistagsparteien von Neustadt/WN als umgänglicher Verhandler. Nun muss der Kreiskämmerer aber den Spielverderber geben. Sein Appell: unbedingt sparen. Im neuen Haushalt klafft ein 3,9-Millionen-Euro-Loch.

Das plakativste Beispiel für die neue Bescheidenheit im Landkreis ist die Turnhalle des Neustädter Gymnasiums. Der Kreistag kippte Ende 2020 zugunsten einer günstigeren Generalsanierung seinen eigenen Beschluss zum Neubau, den er 2019 gefasst hatte. Archivbild: Gerhard Götz
Das plakativste Beispiel für die neue Bescheidenheit im Landkreis ist die Turnhalle des Neustädter Gymnasiums. Der Kreistag kippte Ende 2020 zugunsten einer günstigeren Generalsanierung seinen eigenen Beschluss zum Neubau, den er 2019 gefasst hatte.

Erstmals seit Jahren schrammt der Landkreis Neustadt/WN wahrscheinlich haarscharf an einer Erhöhung der Kreisumlage vorbei. Der Grund liegt auf der Hand: Corona. "Die Erstattung unserer Ausgaben aus dem ersten Halbjahr 2020 steht noch aus. Wir haben bei der Regierung einen Antrag über 2,8 Millionen aus dem Katastrophenfall gestellt", sagte Kreiskämmerer Alfons Bauer im Kreisausschuss.

Er gab einen ersten Einblick in die Nöte seiner Planung des Haushalts 2021, der 123 Millionen Euro umfasst. Die gute Nachricht, vor allem für die Bürgermeister unter den Kreisräten: Bauer will die Kreisumlage von 40 Punkten nicht antasten. Entscheiden müssen das aber die Kreispolitiker selbst. Ein Punkt der Umlage entspricht etwa 1,26 Millionen Euro – Geld, das sich das Landratsamt von den 38 Landkreisgemeinden holt.

Eine Alternative zur Umlagenerhöhung wäre eine Kreditaufnahme. Darüber könnte man nachdenken, ließ Karl Lorenz (Freie Wähler) durchblicken. Das heuer drohende Defizit von fast vier Millionen Euro bei Einnahmen und Ausgaben könnte aber auch über Rücklagen ausgeglichen werden. Mit diesem Vorschlag wird der Kämmerer den Vorentwurf seines Etats demnächst den Kreistagsfraktionen im Detail präsentieren.

Gewerbesteuer bricht stark ein

Auf Widerstand dürfte er damit kaum stoßen, denn: "2022 und 2023 werden noch härter", wagte Bauer einen Blick in die Glaskugel. Darin sieht er für 2022 Mindereinnahmen von 28 Prozent aus der Gewerbesteuer. Das gleiche der Freistaat zwar zum Teil aus, auf einem Minus von mindestens 10 Prozent werde der Kreis aber sitzen bleiben. Die Grundlage für die Berechnung bildet für 2022 das Pandemiejahr 2020. Deshalb sei es angebracht, bereits jetzt "extrem sparsam" zu wirtschaften, appellierte Bauer an die Kreisräte.

Die sollen gar nicht erst in Versuchung kommen, viel auszugeben, weil die aktuellen Zahlen für 2021 auf den ersten Blick gar nicht so übel aussehen. 40 Prozentpunkte Kreisumlage bedeuten 50,1 Millionen Euro Einnahmen. Das sind 3 Millionen mehr als im Vorjahr. Denn in der heilen Vor-Covid-Zeit 2019 sprudelten Gewerbe- und Einkommensteuer. Auf diesen Zahlen basiert der Etat für das laufende Jahr.

Die Gewerbesteuer spülte 2019 rund 57,3 Millionen Euro in die Kasse. 2020 waren es nur mehr 41,1 Millionen. Hinzu kommen 10 Millionen als Corona-Ausgleich durch den Freistaat. Ob es diesen Zuschuss in den Folgejahren noch einmal gibt, steht allerdings in den Sternen. Die Kehrseite des guten Steueraufkommens: Die Schlüsselzuweisungen des Freistaats sinken um 1,4 Millionen Euro, unter anderem weil der Kreis weniger Sozialausgaben hatte.

Schulen weiter digitalisieren

"Die fetten Jahre sind vorbei", brachte es Landrat Andreas Meier auf einen kurzen Nenner. Er dankte dem Kreistag für das sparsame Wirtschaften der vergangenen Jahre und machte klar, wo er auf keinen Fall knapsen will: an Investitionen in Digitalisierung und Bildung. Um dies einzuordnen, lohnt ein Blick zurück: Seit 2013 sank die Kreisumlage jedes Jahr um einen halben oder einen ganzen Punkt. Zugleich konnte in manchen Jahren parallel dazu in die Rücklage eingezahlt werden.

Die großen Brocken bei den Ausgaben sind dieses Jahr bereits begonnene Baumaßnahmen, die Krankenhausumlage, eine höhere Bezirksumlage, Jugendhilfe, Schulen und ÖPNV. Erfreulich: Einige Belastungen sinken, etwa Unterbringungskosten bei der Jugendhilfe, weil der Bund davon mehr übernimmt. Und die Kreisstraßen sind insgesamt in einem guten Zustand.

Bezirk hält die Hand auf

Klaus Bergmann (Grüne) wollte wissen, wie genau Corona an den Finanzen des Kreises nagt und warum der Bezirk bei der Umlage kräftiger zulangt. Letzteres komme daher, weil mehr Aufgaben auf den Bezirk übertragen werden und dabei die Kosten stiegen, erklärte Kämmerer Bauer. Daher sei dies durchaus nachvollziehbar. In Sachen Corona sei das nicht so leicht greifbar. So entgingen dem Kreis einerseits Einnahmen, etwa weil bei Hallenbädern Eintrittsgeld ausfalle, auf der anderen Seiten müssten die Bäder dafür auch nicht so oft gereinigt werden, was also Kosten spare. Ähnliches gelte für Schulen.

Wenn schon Sparsamkeit das Gebot der Stunde ist, schlug Barbara Kindl (ÖDP) ein Projekt vor, dass ihr seit Jahren ein Dorn im Auge ist: Jetzt sei es an der Zeit, die Planung für die Ortsumgehung Mantel zu stoppen.

Hintergrund:

Vorläufige Eckdaten des Kreishaushalts 2021

  • Verwaltungshaushalt: Einnahmen 102,7 Millionen Euro, Ausgaben 99,5 Millionen.
  • Vermögenshaushalt: Einnahmen 13,3 Millionen Euro, Ausgaben 20,4 Millionen.
  • Schulden (Stand. 1.1.2021): 3,7 Millionen Euro
  • Allgemeine Rücklagen: 7,89 Millionen; 2020 plangemäße Entnahme von 2,93 Millionen plus eventuell 3,9 Millionen Euro Entnahme für Haushalt 2021
  • Freiwillige Leistungen: 1 Million; darunter 47000 Euro für Tierheim Weiden und 20000 Euro für Technologiecampus der OTH; keine Leistungen mehr für Betriebshelfer (keine Abrufe) und Zeltlagerplatz Plößberg.
  • Kliniken AG: 5 Millionen Euro Kreditaufnahme, bestimmt je zur Hälfte als Kapitalrücklage und neues Trägerdarlehen. Krankenhausumlage-Kosten 2,2 Millionen.
  • Digitale Technik für Schulen: 1,14 Millionen; davon bereits angeschafft: 200 I-Pads und 200 Notebooks mit 90 Prozent Förderung, dazu kommen geförderte Lehrerdienstgeräte.
  • Tiefbau: 3,46 Millionen veranschlagt; Schwerpunkte Ortsdurchfahrt Neustadt/Kulm, Erneuerung Zottbachbrücken südlich Peugenhammer und Neubau Pfreimdbrücke bei Böhmischbruck.
  • Hochbau: 8,7 Millionen Ansatz; Schwerpunkte: Sanierung Dienstgebäude Eschenbach, Generalsanierung Gymnasium Neustadt/WN, Generalsanierung Turnhalle am Gymnasium Neustadt/WN.
  • 70 neue Stellen am Landratsamt, vor allem am Gesundheitsamt, gefördert vom Freistaat.
  • Personalausgaben 19,8 Millionen (plus 1,8 Prozent zum Vorjahr).
  • Jugendhilfe: Ausgaben 11,4 Millionen (plus 8,2 Prozent), Einnahmen 2,3 Millionen (minus 163000 Euro); Hintergrund: steigende Fallzahlen, höhere Tagessätze für stationäre Maßnahmen. 77 Prozent aller Fälle kosten mittlerweile 150 Euro täglich.
  • Bezirksumlage: Erhöhung um 0,5 auf 19,3 Prozent, sprich 24,5 Millionen Euro. Bezirk hat je rund 11 Millionen Mehrkosten durch Corona (u.a. Schutzkleidung, Hygienemaßnahmen) und Pflegesatzsteigerungen. Daher geplante Rücklagenentnahme von 15,9 Millionen. Ab 2002 ist die Rücklage aufgebraucht, die Umlage steigt auf vermutlich 20,9 Prozent.
  • ÖPNV einschließlich Baxi: Ausgaben 823000 Euro (Vorjahr 549000 Euro)
  • Finanzplanung bis 2024: Ortsumgehung Mantel, Sanierung Altes Forstamt Vohenstrauß, Sanierung Turnhalle Gymnasium Neustadt, neue Räume für Realschule Neustadt, Neubau einer weiteren Sporthalle in Neustadt.
Neustadt an der Waldnaab26.11.2020

"2022 und 2023 werden noch härter."

Kreiskämmerer Alfons Bauer zum Ausblick auf die Finanzlage

Kreiskämmerer Alfons Bauer zum Ausblick auf die Finanzlage

 
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