Heimatkrimi mit ernstem Hintergrund

Neustadt an der Waldnaab
30.12.2019 - 11:05 Uhr

Der Neustädter Frauenarzt Dr. Thomas Bäumler lässt zum fünften Mal morden. Sein jüngster Krimi „Glaslandblues“ entspringt einem sehr konkreten Ärger. Es geht um eine Umweltkatastrophe, die Neustadt damals heimsuchte.

Frauenarzt Thomas Bäumler lässt wieder morden.

Als gebürtiger Altenstädter erinnert Bäumler sich eigenen Worten zufolge noch gut an jenen „Schnee“ im Sommer, jene Umwelt-Tragödie, die vor mehr als drei Jahrzehnten den Niedergang der Glasindustrie in Altenstadt/WN eingeläutet hat. Er selbst studierte damals, bekam die Sache aber täglich von seinen Eltern erzählt. Unbegreiflich sei ihm, so sagt er, dass sich die Aufarbeitung der Altlasten in den beiden Ruinen so hinziehe. Altlasten, die nach wie vor nur unzulänglich gesichert seien. Bäumler ist sicher, von den Ruinen gehe eine Gefahr für die Bevölkerung aus: „Da ist Gefahr im Verzug.“

Altlastensanierung voranbringen

Sein Krimi „Glaslandblues“ - Glasland ist nichts anderes als seine Heimatgemeinde Altenstadt/WN - ist daher nicht nur ein weiterer Fall für die Journalistin Gerti Zimmermann. Der Arzt macht bewusst die vor sich hin rottenden Glasfabriken zum Thema, in der Hoffnung, der scheinbar so gemächlich dahinzuckelnden Aufarbeitung einen neuen Schubs zu geben.

Daher hat er die beiden Umweltskandale von 1983 gründlich recherchiert. Sie sind in der ansonsten erfundenen Geschichte Anlass für den Rachefeldzugs eines Mediziners, der den Tod von Frau und Tochter auf die damalige Vergiftung der Bevölkerung schiebt.

Und vergiftet wurden die Altenstädter damals zweifelsfrei. Zuerst entwich um Pfingsten 1983 Fluorgas (Flusssäure) aus dem Schlot einer Glasfabrik und ließ Vorgarten-Blumen und Wälder sterben, ließ Fenster blind werden und Dachziegel zerbröseln. Dann „schneite“ es wenige Monate später Flocken, die zu 50 Prozent aus Blei und zu 5 Prozent aus Arsen bestanden. Bodenproben aus Gärten in der Nähe der Fabriken ergaben, dass die Bleiwerte um 900 Prozent über dem Richtwert lagen. Das Trinkwasser der Gemeinde war teilweise stark mit Blei verseucht. Eine Haaranalyse von Bürgern ergab achtmal höhere Bleiwerte als die von Vergleichsgruppen. Neben Blei wurden damals in Blutproben, in der Kuhmilch und in den Waldböden hohe Arsenwerte nachgewiesen.

Geldstrafe über 2100 D-Mark

Das Gerichtsverfahren eineinhalb Jahre später führte mehr oder weniger zu nichts. Obwohl es Augenzeugen gab, die genau sagen konnten, aus welchem Kamin es „geschneit“ hatte, ließ sich kein Verantwortlicher konkret belangen. Nur in einem einzigen Fall wurde eine Geldstrafe verhängt - über 2100 Mark. Schuld an dem juristischen Debakel war das sogenannte Prinzip der „Verwaltungsakzessorietät“, wonach nur dann belangt werden kann, wer die Umwelt verschmutzt, obwohl es ihm die zuständigen Behörden ausdrücklich untersagt haben. Im Fall der Altenstädter Glasfabriken hatte das Landratsamt jedoch scheinbar über alle möglichen Mängel hinweggesehen.

Diese Fakten, die in den gesammelten Unterlagen der damaligen Altenstädter Bürgerinitiative nachzulesen sind, nimmt Bäumler als Grundlage für den späten Amoklauf seines fiktiven Mörders.

Neuer Roman schon in Arbeit

„Glaslandblues“ ist Thomas Bäumlers fünfter Heimatkrimi und seine insgesamt sechste Veröffentlichung. Der Mediziner schreibt nicht regelmäßig. Er schreibt manchmal monatelang nichts, sagt er, dann schreibe er wieder eine Weile tagelang wie ein Besessener. An einem neuen Roman - einer Art „Roadmovie am Ende der Zeiten“ (Bäumler) - arbeitet er bereits, für die Fertigstellung gibt er sich aber noch ein paar Jahre.

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