Neustadt an der Waldnaab
04.12.2020 - 09:27 Uhr

Kämpfer mit Nehmerqualitäten: Neustadts Altlandrat Anton Binner zum 90. Geburtstag

Es ist still geworden um Anton Binner. Der Altlandrat und frühere Neustädter Bürgermeister ist inzwischen ein alter Mann. Gesund ist er auch nicht. Doch in den Köpfen der Bürger ist er nach wie vor sehr präsent. Am Montag wird er 90.

Entschlossen und nie um eine Antwort verlegen: So kennen die Landkreisbürger Anton Binner aus seiner Zeit als Landrat und Neustädter Bürgermeister. Archivbild: Popp
Entschlossen und nie um eine Antwort verlegen: So kennen die Landkreisbürger Anton Binner aus seiner Zeit als Landrat und Neustädter Bürgermeister.

Anton Binners Sohn Georg redet nicht gerne um den heißen Brei herum. Das könnte in den Genen liegen. "Mein Vater ist dement, das muss man einfach so sagen", stellt der Sohn des früheren Landrats, Ehrenbürgers von Neustadt und stellvertretenden VdK-Landesvorsitzenden klar.

So einem steht zum 90. Geburtstag eigentlich ein großer Bahnhof ins Haus. In Pandemiezeiten ist das anders. Stadt und Landkreis werden ihm Präsentkörbe mit Glückwunschschreiben vor die Haustür stellen und die Familie ansonsten in Ruhe lassen.

Bei aller Tragik, dass der schlagfertige und gewitzte Anton Binner, als der er über Jahrzehnte in der Kommunalpolitik präsent war, heute nicht mehr zuordnen kann, wer vor ihm steht, ist es doch erstaunlich, wie zäh der Jubilar seine neun Lebensjahrzehnte voll gemacht hat.

Nach Zeckenbiss und Darmproblemen lag er vor einigen Jahren zweimal im Koma, rang mit dem Tod und war auf den Rollstuhl angewiesen. Er kämpfte sich immer wieder ins Leben zurück. Das verbringt er im eigenen Haus am Neustädter Felixberg, wo sich zunächst eine Pflegerin und heute Tochter Barbara um den Senior kümmern.

Rückkehr aus dem Altenheim

Bis zum Februar 2018 verbrachte Binner einige Jahre im Altenheim St. Martin. Dann brach dort ein Großbrand aus, die Bewohner wurden evakuiert. Binners Kinder entschieden daraufhin, dass es besser sei, der Vater geht wieder ins eigene Haus zurück. "Dort kennt er sich aus," sagt Georg, der älteste. Er ist Jahrgang 1957. Seine Geschwister Michael, Stefan und Barbara kamen 1959, 1962 und 1968 zur Welt. Bis auf Michael, der als Maschinenbauingenieur in Mailand wohnt, werden sie am Montag mal nach Neustadt kommen. Stefan, der in Straubing eine Wirtschaftskanzlei führt; Barbara, die Kunsthistorikerin, die in Berlin bei Studiosus-Reisen arbeitet, zurzeit aber coronabedingt pausieren muss - und eben Georg, der als einziger in Neustadt geblieben ist, wo er sich als Architekt einen Namen gemacht hat. Mutter Radegunde (87) lebt weiterhin im Heim in der Johann-Dietl-Straße.

Arbeiterkind aus der Gramau

Sie alle werden viel Post bekommen, die eigentlich an den Senior adressiert ist. Darin werden Stationen eines Lebens gestreift, das ein Buch füllen könnte.

Das war keineswegs vorgezeichnet. Der Sohn eines Nachtmann-Glasätzers aus Deinzhof nahe Kastl wuchs als Arbeiterkind mit einer älteren Schwester in Neustadt auf. Zunächst zur Miete am Stadtplatz, dann im Elternhaus in der Gramau. Der gescheite Bub schaffte es aufs Gymnasium bis zum Abitur. Anschließend machte er eine Ausbildung zum Rechtspfleger.

Auch die Politik war zunächst kein Katapult nach oben. 1958 gründete er den Kreisverband der Jungen Union mit. Die war damals keineswegs so kraftvoll wie heute, erst recht nicht in der roten Arbeiterstadt Neustadt.

Weil der Binner-Toni aber mit den Leuten konnte, führte ihn sein Weg schon bald in Gremien und Ämter. 1972 wählten ihn die Neustädter zum Bürgermeister. Weil er bewies, dass er eine Stadt führen kann, überzeugte er die Wähler davon, dass es 1984 Zeit war, den Arbeitsplatz zu wechseln. 100 Meter vom Rathaus entfernt, wurde Binner Chef im Landratsamt. Er blieb es bis 1996, dann musste er als 65-Jähriger altersbedingt aufhören.

Hinter ihm lag kein leichtes Amt. Der Niedergang der Bleikristallindustrie samt den damit verbundenen Umweltproblemen, drückende Schulden, der Leerstand der Vohenstraußer Friedrichsburg - mit all dem musste Binner kämpfen. Zugleich zahlte der Landkreis unter seiner Ägide mächtig auf der Habenseite ein. Allein in den Straßenbau flossen in den zwölf Binner-Jahren 67 Millionen D-Mark. Der Neubau der Förderschule in Neustadt, der Rettungswachen in Eschenbach und Neustadt, Sanierungen der Kreiskrankenhäuser, der kreiseigenen Schulen und mehr brachten dem Landrat hohen Respekt ein.

Bei all dem hat der Gloserer-Bou nie vergessen, aus welchem Holz er geschnitzt ist. Als Vizechef des bayerischen VdK focht er an der Seite des Vorsitzenden Horst Seehofer in der Renten- und Sozialpolitik. Binner wusste, dass ein Arbeitsunfall oder ein Witwendasein in der lange Zeit strukturschwachen Oberpfalz schnell zu Problemen führen können. Und wenn es ungerecht wurde, zeigte Binner Terrier-Eigenschaften.

Für Kreuze im Klassenzimmer

Als ungerecht empfand der gläubige Katholik Mitte der 1990er-Jahre auch das "Kruzifix-Urteil", das vorsah, Kreuze auf Wunsch von Eltern aus Klassenzimmern zu entfernen. Vom Naturell her keineswegs ein Revoluzzer, ging Binner damals auf die Straße, um bei Demonstrationen diese Entscheidung zu Fall zu bringen. Wenn es möglich ist, lässt es sich der Senior auch heute nicht nehmen, ab und an auf dem Felix die Messe zu besuchen.

"Die christliche Überzeugung ist Ihr Wesensmerkmal, mit Zähigkeit und Ausdauer führten sie den Landkreis zum Erfolg", würdigte Nachfolger Simon Wittmann seinen Vorgänger bei der Verleihung des Titels "Altlandrat". All diese Qualitäten haben Binner wohl nun auch 90 Jahre alt werden lassen.

Hintergrund:

Zur Person: Anton Binner

  • Geboren am 7. Dezember 1930
  • 1952 Erste Stelle als Rechtspflegeanwärter in Wunsiedel
  • 1959 Kreisvorsitzender der Jungen Union
  • 1964 Kreisvorsitzender der CSU Neustadt/WN
  • Von 1966 bis 1996 ununterbrochen im Kreistag, zunächst als Kreisrat, dann als Landrat
  • 1972 bis 1984 Bürgermeister von Neustadt/WN
  • 1984 bis 1996 Landrat von Neustadt/WN
  • 1990 Ehrenbürger der Stadt Neustadt/WN
  • 1994 Verdienstorden der Bundesrepublik
  • 1995 Stellvertretender Landesvorsitzender des VdK Bayern
  • 2000 Ernennung zum Altlandrat

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