Günther Kulzer frönte in seinem Wohnhaus in Neustadt/WN in einem Kellerraum über viele Jahrzehnte seiner Sammelleidenschaft. Etwa 130 Tennisschläger trug der 79-Jährige seit den 1980er Jahren zusammen. Feinsäuberlich auf Metallstangen an den Wänden waren die Sportgeräte alle aufgereiht. "Jetzt sind noch etwa 100 da", sagt Kulzer. Die Schläger liegen nun in einem Zimmer ausgebreitet auf dem Fußboden. Kulzer löst seine Sammlung auf. "Ich muss", bedauert er im Gespräch mit Oberpfalz-Medien. Einige Exemplare seien in den letzten Tagen von Vereinen zu Dekorationszwecken oder von Bekannten abgeholt worden. Weil der Raum im Keller renoviert und künftig anderweitig genutzt werden soll, müssen alle Schläger weg.
Kulzer gründete 1975 die Tennissparte der DJK Neustadt mit, war Kassier, Stellvertretender Abteilungsleiter und auch als ehrenamtlicher Trainer tätig. Mit dem Boom des "weißen Sports" in den Achtzigern dank Steffi Graf und Boris Becker an der Spitze des deutschen Tennissports, wuchs die DJK-Tennisabteilung auf 350 Mitglieder an. Es bildeten sich immer mehr Mannschaften. Es habe sogar einen Aufnahmestopp gegeben, erzählt Kulzer. "Weil die Bälle, die der Deutsche Tennisbund den Vereinen vorschrieb, so teuer waren, habe ich eine Möglichkeit gesucht, da günstig ranzukommen und habe in meiner früheren Kellerbar ein Sportgeschäft aufgemacht", erzählt Kulzer. Er habe neben den gelben Filzkugeln auch Tennissocken, Schuhe, Trainingsanzüge und Schläger über einen Großhändler im Bayerischen Wald günstig bezogen und bis 2005 in seinem Lädchen verkauft. "Die Leute kamen zu mir und wollten einen neuen Tennisschläger haben. Den alten Schläger haben sie mir dagelassen. Das war für mich immer die größte Gaudi", erinnert er sich.
Boris-Becker-Schläger begehrt
So kommt im Laufe der Jahre Schläger für Schläger an die Kellerwand. Die Sammlung wächst. "Das ist mein Herzensschläger", sagt Kulzer stolz und hält ein neonorange-schwarz-gestreiftes Racket hoch, mit dem er selbst auf dem Platz gestanden sei. Der "Völkl Zebra" war einer der ersten Kunststoffschläger, die in den Siebzigern auf den Markt kamen. An der Schlägersammlung des Neustädters lässt sich der technische Fortschritt der Hersteller erkennen. Schwere Holzschläger mit kleinerem Kopf und dezenter Bemalung aus den Siebziger Jahren und federleichte Kunststoff- und Karbonschläger mit fast doppelt so großer Schlagfläche. Die Damenausführungen zum Beispiel in weiß-pink-lila Farbverlauf oder in dezenterem Silber für Herren – der Tennisschlägersammler aus Neustadt/WN hat jede nur denkbare Ausführung in seiner privaten Kollektion. Darunter sind auch Modelle, mit denen so mancher Tennisstar die Filzkugeln über die Plätze jagte. "Vor kurzem war eine Dame da. Sie sah sich die Schläger an und sagte: ‘Das ist der Boris-Becker-Schläger, den brauche ich", erzählt Kulzer.
Tennisschläger war Statussymbol
Tennis galt lange Zeit als elitäre Sportart und so sei auch der Tennisschläger eine Art Statussymbol gewesen, bestätigt der 79-Jährige. "Zu mir kamen Kunden, die wollten den teuersten Schläger, waren aber schlechte Spieler und hatten die billigsten Tennisschuhe an", erinnert er sich. Manche hätten sich einen neuen Schläger geleistet, aber gar nicht damit gespielt und baten Kulzer, ihnen das neueste Modell zu besorgen. Das zuvor gekaufte nagelneue Racket überließen sie dem Neustädter für seine Sammlung. So befindet sich auch ein Exemplar aus Holz unter den Sammlerstücken, an dem noch das Preisschild in D-Mark und ein Zertifikat des Herstellers baumeln und das noch nie bespannt, geschweige denn gespielt wurde.
Makellose Exemplare
Fast alle Tennisschläger sind beinahe makellos und könnten mit neuen Seiten sofort wieder in den Einsatz kommen. "Ich traue meinen Kopf wetten, dass viele Modelle heute noch gespielt werden", sagt Kulzer. Die mehr als 100 Tennisschläger, die der Sammler im Laufe der Jahrzehnte zusammengetragen hat, hätten nicht nur einen hohen monetären Wert. "Es hängen schon gewaltige Erinnerungen dran", gesteht der Senior. "Aber irgendwann musst du dich halt von etwas trennen."
So ganz geht das aber dann doch nicht. Seinen eigenen Schläger, den "Völkl Zebra" und ein paar Holzschläger will sich Günther Kulzer dennoch aufheben. Alle anderen Rackets gibt der Tennisfan gerne ab. "Vielleicht kann die ein Verein für sein Sportheim zur Dekoration brauchen – oder auch Privatpersonen", hofft Kulzer. Er selbst hat das Tennisspielen 2012 "aus gesundheitlichen Gründen" aufgegeben und geht jetzt lieber seiner zweiten Leidenschaft nach. "Ich bin Bergsteiger und freue mich auf den ersten Luxusurlaub meines Lebens mit meiner Frau in Österreich", verrät er. Dabei wird er ganz bestimmt wieder etwas Sammeln: Eindrücke und Erinnerungen.
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