Welche Ausbildungszweige braucht eine neue Berufsschule? Rentiert es sich, bei der Kita-Sanierung gleich einen weiteren Gruppenraum mit einzuplanen? Und ergibt der Ausbau einer Kreisstraße Sinn, wenn der große Arbeitgeber einer Gemeinde immer mehr Pendler anlockt? Damit Politiker und Wirtschaftsförderer vor solchen Entscheidungen belastbare Daten haben, bekommen im Frühjahr und Sommer 8500 Haushalte im Landkreis Neustadt/WN Besuch zur Volkszählung. Die heißt offiziell Zensus, der Volkszähler und die Volkszählerin heißen "Erhebungsbeauftragte".
Diese 216 Frauen und Männer sind ab 16. Mai unterwegs, um im besten Fall 29.000 Menschen zwischen Eslarn und Kirchenthumbach zu befragen. Das wäre etwa ein Drittel der Landkreisbevölkerung. "Sie sind vom Bundesamt für Statistik nach dem Zufallsprinzip ausgewählt worden", sagt Claudia Prößl, die Sprecherin des Landratsamts. Dort laufen die Zensus-Ergebnisse bei Johannes Lindner und Franziska Müller zusammen. Die beiden arbeiten nicht in nur in räumlicher Distanz zu ihren Kollegen im Lobkowitzerschloss. "Unsere EDV ist getrennt von der des Landratsamts. Die Daten werden kurzzeitig auf unserem Sever gespeichert, ans Landesamt für Statistik weitergeleitet und dann gelöscht", erklärt Johannes Lindner. Er kann zum Zensus unter Telefon 09602/799191 auch alle Fragen beantworten. Zum Beispiel:
- Wer wird befragt? Im Prinzip alle Personen eines ausgewählten Haushalts. Das kann der Alleinstehende sein oder die achtköpfige Familie. Wer ausgewählt wurde, ist per Gesetz verpflichtet, Auskunft zu geben. Es können im Prinzip alle Personen des Haushalts Auskunft geben, vom Kind bis zum Greis. Es kann aber auch eine Person für den gesamten Hausstand sprechen. Minderjährige sind dann auskunftspflichtig, wenn sie einen eigenen Haushalt führen. Komplett erfasst werden alle Flüchtlingsunterkünfte, Seniorenheime oder Klöster. Für sie darf der Leiter im Namen aller sprechen.
- Bin ich zur Auskunft verpflichtet? Ja, als Volljähriger. Alle Volljährigen können auch für minderjährige Mitbewohner antworten.
- Was wird gefragt? Es gibt zwei Fragebögen. Sie heißen Ziel 1 und Ziel 2. Wer welchen bekommt, entscheidet wieder der Computer per Zufall. Ziel 1 enthält nur wenige Daten zur Person, etwa Name, Geburtsdatum und Wohnsituation. Ziel-2-Bögen bekommen etwa 30 Prozent der ausgewählten Haushalte. Darin werden zusätzlich soziodemografische Daten erfasst, etwa zu Bildungsgrad, Ausbildung, Berufstätigkeit oder der Weg zur Arbeit.
- Was wird nicht gefragt? Höhe des Einkommens, Bankdaten, Hobbys
- Wo wird gefragt? An der Haustür. Wer will, kann den Volkszähler auch herein bitten. Sollte die Coronasituation im Erhebungszeitraum Mai bis August sehr kritisch sein, sind auch telefonische Auskünfte möglich. Dazu war einmal der Inzidenzwert von 100 maßgeblich. Diese Vorgabe dürfte aber kaum zu halten sein.
- Wie lange dauert es? Ziel 1 etwa 5 Minuten, Ziel 2 etwa 20 Minuten.
- Wer fragt? Freiwillige ab 18 Jahren, die das Landratsamt derzeit sucht. Es können alle, vom Abiturienten über Hausfrauen bis zu Rentnern mitmachen. Sie bekommen ein Tablet, eine Umhängetasche und ein T-Shirt mit Aufdruck "NEW zählt auf dich". An der Tür können sie sich mit einem Zensus-Ausweis legitimieren. Jeder Erhebungsbeauftragte hat ein Gebiet mit etwa 40 Anschriften und 150 Personen. Die Volkszähler müssen von diesem Gebiet mindestens fünf Kilometer entfernt wohnen. Es soll keiner befürchten müssen, dass plötzlich der neugierige Nachbar an der Tür klingelt.
- Wie erfahre ich, ob ich Auskunft geben soll? Anfang Mai landet das Ankündigungsschreiben im Briefkasten. Es enthält den Wunschtermin, wann jemand zu Hause dem Volkszähler Auskunft geben sollte. Dann können auch Änderungswünsche vereinbart werden. Ab 16. Mai bis August sind dann die Zensus-Leute unterwegs.
Interessant ist, dass in der gesamten Bundesrepublik etwa 16 Prozent der Haushalte für den Zensus befragt werden, im Landkreis Neustadt aber ein Drittel, sprich 8500 Hausstände. Im Schnitt wären das mehr als in jeder Großstadt. Das hängt damit zusammen, dass das Kreisgebiet aus vielen kleinen Gemeinden besteht, erklärt Claudia Prößl. "Es geht um statistische Mittelwerte. Man geht davon aus, dass etwa in einem Münchner Hochhaus die Wohnsituation überall gleich ist, auf dem Land kann sie sich aber von Ort zu Ort unterscheiden."
Der Zensus 2022 im Landkreis Neustadt/WN
Zensus 2022
- EU-weite Volkszählung alle zehn Jahre, turnusgemäß eigentlich 2021, coronabedingt um ein Jahr verschoben.
- Ziel sind präzise Bevölkerungs- und Wohnungszahlen als Planungsgrundlage für Entscheidungen in Bund, Ländern und Gemeinden.
- Die Ergebnisse des Zensus 2011 bilden heute die Grundlage amtlicher Statistiken. Zwar werden die Daten anhand von Informationen über Geburten, Todesfälle und Ummeldungen kontinuierlich aktualisiert, doch die amtlichen Register werden von Jahr zu Jahr ungenauer.
- 2011 hatte sich herausgestellt, dass in vielen Städten und Gemeinden weniger Menschen leben als angenommen. Das hat Folgen für Zahlungen aus dem Finanzausgleich.
- Nähere Informationen unter www.zensus.neustadt.de
Kommentare
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.